Großbritannien Schottlands herbstliche Pläne

Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon bringt ein neues Unabhängigkeitsreferendum für die zweite Jahreshälfte 2018 ins Spiel. Eine neue Umfrage zeigt, dass eine solche Abstimmung gute Chancen hätte.

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Die Schottische Erste Ministerin droht London mit einem neuen Unabhängigkeitsreferendum. Quelle: AP

In etwa eineinhalb Jahren könnte Schottland erneut über seine Unabhängigkeit abstimmen. Nicola Sturgeon, die schottische Ministerpräsidentin, hat den Herbst 2018 als einen sinnvollen Termin für ein Referendum bezeichnet. In diesem Zeitrahmen dürften die Umrisse des Brexit-Deals zwischen Großbritannien und der EU klarer werden, sagte sie in einem Interview mit der BBC am Donnerstag: „Mit gesundem Menschenverstand betrachtet müsste dies eine gute Zeit für Schottland sein, um die Wahl zu haben, ob man diesen Weg gehen will.“ Sie betonte allerdings, dass eine Entscheidung noch nicht gefallen sei.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May will bis Ende März das offizielle Austrittsgesuch Großbritanniens in Brüssel einreichen. Dann beginnen die auf zwei Jahre angelegten Scheidungsgespräche, so dass das Land im Frühjahr 2019 die EU verlassen könnte. Nach Aussagen von Michel Barnier, der das Brexit-Verhandlungsteam der EU anführt, sollten sich beide Seiten aber bereits im Herbst 2018 über die wesentlichen Dinge geeinigt haben, damit genug Zeit bleibt, um das Abkommen zu ratifizieren. Die Aussicht auf ein schottisches Unabhängigkeitsreferendum erhöht jetzt den Druck auf May, die schottischen Interessen in den Austrittsverhandlungen zu berücksichtigen und eine Abspaltung Schottlands zu verhindern.

Die Schotten hatten sich im Herbst 2014 mit einer Mehrheit von 55 Prozent gegen eine Abtrennung Schottlands von Großbritannien entschieden. Die Lust auf ein neues Referendum und eine Zukunft als eigenständiges Land war danach eher verhalten.

Doch beim Brexit-Referendum im Sommer 2016 stimmten die Schotten mehrheitlich für den Verbleib Großbritanniens in der EU und ärgerten sich darüber, überstimmt worden zu sein. Nach einer am Donnerstag vorgelegten Umfrage von Ipsos Mori nimmt der Rückenwind für die Unabhängigkeitsbewegung nun wieder zu. Demnach würde die Hälfte der Schotten dafür votieren. Das ist die höchste Zustimmung seit etwa neun Monaten. Sturgeon begründet die Notwendigkeit einer neuen Abstimmung mit Mays Plänen, nicht nur der EU den Rücken zu kehren, sondern auch dem Europäischen Binnenmarkt.

Schottland braucht das grüne Licht der britischen Regierung für ein erneutes Referendum. Nach Ansicht einiger konservativer Politiker sollte Theresa May sich darauf nicht einlassen oder dies allenfalls nach dem EU-Austritt Großbritanniens tun, keinesfalls vorher.

Schottland will auch nach dem EU-Austritt Großbritanniens den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt behalten. Alles andere sei mit enorm negativen Folgen für die Wirtschaft verbunden und würde Jobs vernichten, sagte Sturgeon bereits vor einigen Monaten. Dieser Forderung nach einer Sonderlösung hat May vergangene Woche eine deutliche Absage erteilt.

Sturgeons Kritiker werfen ihr vor, ihre Drohung, ein erneutes Referendum zu organisieren, sei ein Bluff. Denn angesichts des vergleichsweise niedrigen Ölpreises und wichtiger Handelsbeziehungen zum Rest Großbritanniens sei es nicht sonderlich attraktiv für Schottland, unabhängig zu werden. Zudem ist keine Lösung für die Frage in Sicht, welche Währung die Schotten nutzen würden – ob sie das Pfund behalten oder den Euro einführen müssten. Dies war auch bei der Volksabstimmung 2014 einer der strittigen Punkte.

Sturgeon wehrte sich am Donnerstag gegen die Kritik. Nein, sie bluffe bei der Sache nicht, das habe sie noch nie getan, betonte sie.

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