Grün und günstig Kim Jong Uns Traum von Pjöngjangs modernem Nahverkehr

Nordkorea: Kim Jong Un modernisiert Pjöngjangs Busse und Bahnen Quelle: AP

Privatautos sind selten in Pjöngjang, U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse stets überfüllt. Jetzt wird das öffentliche Nahverkehrssystem modernisiert – natürlich nicht ohne Propaganda für Staatschef Kim.

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Es war längst überfällig, aber nun ist es so weit: Pjöngjang möbelt sein stark überlastetes Nahverkehrssystem auf. Es gibt funkelnagelneue U-Bahnwagen, Straßenbahnen und Busse – das alles mit viel Fanfaren, um der Bevölkerung zu zeigen, dass ihr Machthaber Kim Jong Un den Lebensstandard im Land hebt.

Die Modernisierungen sind zwar insgesamt eher noch bescheiden. Aber für die rund drei Millionen Einwohner der Hauptstadt Nordkoreas stellen sie einen willkommenen Wandel dar, bieten sich ihnen doch nur wenige Möglichkeiten, tagtäglich ihren Arbeitsplatz oder auch die Schule zu erreichen.

Als erstes kamen elektrische Trolleybusse, auch Oberleitungsbusse genannt, und neue High-Tech-U-Bahnwagen. Alles jedes Mal groß von den Medien verkündet – mit Fotos, die Kim höchstpersönlich als Zugführer bei den letzten Probefahrten zeigten. Und jetzt sind auch drei neue elektrische Straßenbahnen in Pjöngjang in Betrieb.

Sie fassen nach offiziellen Angaben etwa 300 Passagiere, sitzend und stehend. Wer mitfahren will, muss seine Karte vorab in Geschäften kaufen und sie dann vor dem Einsteigen in eine Box stecken. Tickets sind spottbillig, umgerechnet weit weniger als ein Euro-Cent ist pro Fahrt im öffentlichen Verkehrssystem fällig, sei es per Trolley, herkömmlichen Bus, U-Bahn oder Straßenbahn.

Autos in Privatbesitz sind in Pjöngjang selten, Taxis zwar zunehmend üblich, aber für die meisten Leute teuer. Wer kann, nutzt betriebseigene Fahrzeuge oder steigt aufs Fahrrad. Aus China importierte Räder mit Hilfsmotoren sind populär, Motorroller oder Motorräder sieht man dagegen wenig.

Die U-Bahn verkehrt in Abständen von drei bis fünf Minuten, abhängig von der Tageszeit – in Tunneln, die tief genug gegraben sind, um einen atomaren Angriff zu überstehen. Die Stationen sind kunstvoll-aufwendig, nach dem Vorbild jener aus der Sowjetära in Moskau.

Nach offiziellen Angaben transportieren die U-Bahnen an Wochentagen etwa 400.000 Menschen. Aber ihre zwei Linien mit 17 Haltestellen operieren nur an der westlichen Seite des Taedong, der durch das Zentrum der Stadt fließt. Es soll Pläne geben, das System auf die Ostseite des Flusses auszuweiten, aber bisher wurden keine entsprechenden Bauarbeiten in Angriff genommen.

Dass es in Pjöngjang an Privatautos mangelt, hat seine Vorteile. Der Verkehr ist selten verstopft und die Luft – etwa im Vergleich zu Peking oder Seoul – erfrischend sauber. Elektrische Straßenbahnen auf Schienen und elektrische Trolleybusse auf Rädern sind relativ „grüne“ Transportmittel.

Aber der öffentliche Nahverkehr in Pjöngjang kann beschwerlich und quälend langsam sein. Das gilt besonders für das Straßenbahnsystem, das so überfüllt ist wie nur wenige andere auf der Welt. Am schlimmsten ist der morgendliche Berufsverkehr - zwischen 6 und 8.30 Uhr zwängen sich die Pendler in Schwärmen in die Wagen. Es kann gut und gerne eine Stunde dauern, um durch die Stadt zu kommen.

Pjöngjang hat vier Straßenbahnlinien. Eine davon führt zum Mausoleum, in dem die Leichname von Staatsgründer Kim Il Sung und dessen Sohn Kim Jong Il aufgebahrt sind.

Für viele Osteuropäer sind die rot-weißen Straßenbahnen der Stadt ein vertrauter Anblick: Nordkorea hat 2008 20 gebrauchte Wagen gekauft, die von der tschechischen Automobilfirma Tatra hergestellt wurden. Das Unternehmen hat zu Zeiten der sozialistischen Tschechoslowakei Hunderte davon produziert.

In Pjöngjang werden sie nun buchstäblich bis zum Geht-nicht-mehr genutzt. Für 50.000 Kilometer ohne Unfall gibt es jeweils einen roten Stern, und lange Reihen davon an den Wagen-Seiten sind nicht unüblich. So wurde im vergangenen Monat in Pjöngjang eine Bahn mit sage und schreibe 12 Sternen gesichtet: Das entspricht 600.000 Kilometern oder ungefähr 15 Fahrten um die Erde.

Das klingt absurd, aber solche Zahlen können durchaus hinkommen, wie Ri Jae Hong von der städtischen Nahverkehrsbehörde Journalisten der Nachrichtenagentur AP vorrechnete. Demnach ist die Hauptroute der Straßenbahn, die von der Pjöngjang-Station in der Stadtmitte in den Bezirk Mangyongdae führt, 21 Kilometer lang. Bei durchschnittlich sechs möglichen Fahrten hin und zurück am Tag würde es gerade mal etwas über 198 Tage dauern, bis der erste rote Stern fällig ist.

So sieht sich Kim Jong Un gern selbst
Auf diesem undatierten Foto, das am 9. Juni 2018 von der nordkoreanischen Regierung, veröffentlicht wurde, inspiziert der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un mit seiner Frau Ri Sol Ju ein neu eröffnetes Fischrestaurant in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang. Quelle: AP
Das neu gebaute Fischrestaurant, dem Kim Jong Un einen Besuch abstattete, heißt Pyongyang Taedonggang. Quelle: REUTERS
Ein weiterer wichtiger Fototermin für Kim Jong Un: Die Inspektion der Baustelle des Wonsan-Kalma-Touristengebiets. Wann es aufgenommen wurde, gab Nordkoreas zentraler Nachrichtenagentur (KCNA) nicht bekannt. Quelle: REUTERS
Aber bereits im Mai veröffentlichte die nordkoreanische Regierung weitere Aufnahmen des Machthabers beim Besuch der Baustelle im Wonsan-Kalma-Küstentourismusgebiet in Gangwon-do. Quelle: AP
Ernsthafter Blick, genaue Inspektion: Kim Jong Un an einem Lageplan Wonsan-Kalmas - gemeinsam mit nordkoreanischen Journalisten und Militärs. Quelle: AP
In diesem undatierten Foto der nordkoreanischen Regierung vom 25. Mai 2018 inspiziert der nordkoreanische Führer die fertiggestellte Koam-Tapchon Eisenbahnbrücke in Gangwon-do. Quelle: AP
Ein wenig wie ein Touristenführer präsentiert Kim Jong Un das nordkoreanische Bauwerk - mit Zigarette in der Hand. Quelle: AP
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