Gründen in Goma Kann ein Inkubator im Ost-Kongo Frieden stiften?

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Gründungen als Friedensstifter

So ganz stimmt das nicht. Auch er kommt nicht ohne Mittelsmänner am Produktionsort aus, die einen Teil der Kommission von zehn Prozent bekommen, die Ayale mit jeder Transaktion verdient. Ihr Job ist es, die Landwirte zu überprüfen und sich darum zu kümmern, dass die Ware zum Transporteur gelangt. Hier beginnt gerade in den umkämpften Gebieten der heikle Part. Ayale überlässt das lokalen Spediteuren, die nicht er, sondern der Endkunde bezahlt.

Leute wie Ayale, die den Markt umkrempeln wollen, sind es, die Joël Tembo für sein Gründerzentrum sucht. Er selbst hat 2008, damals 27 Jahre alt, das erste private Abfallunternehmen der Stadt gegründet, da die Verwaltung die Müllberge liegen ließ. „Man kann nicht alles vom Staat erwartet“, sagt der heute 38-Jährige in einem der Besprechungsräume seines Gründerzentrums. „Wir sind in einer Zeit, in der der Privatsektor die Entwicklung in die Hand nehmen muss“.

Aber wie viel kann umgekehrt von der Privatwirtschaft erwartet werden unter einem Staat, dem nicht nur der Müll herzlich egal ist, sondern auch der Zustand von Krankenhäusern, Schulen, Straßen und des Nahverkehrs? Tembo trägt Anzug, er lächelt viel, redet routiniert, spricht von der „Wiederherstellung des Friedens durch das Unternehmertum“, wie er es auch gegenüber Geldgebern aus der Entwicklungshilfe macht, die sein Gründerzentrum mitfinanzieren. Dazu gehört beispielsweise das niederländische Königshaus. Andere Partner, wie das örtliche Festival Amani, vergeben im Rahmen eines Gründerwettbewerbs Stipendiaten für Ayale und andere Teilnehmer des Inkubators.

Gründen in Goma Quelle: Jonas Gerding

Selbst die Rebellen, die in der Region ihr Unwesen treiben, würden durch die Förderung von Gründern geschwächt werden. „Die meisten Jugendlichen sind bei den bewaffneten Gruppen, weil es ihnen an Zukunftschancen mangelt“, sagt Tembo. „Es ist die große Rolle von Kivu Entrepreneurs, Hoffnung unter den Jugendlichen zu verbreiten“. Und konkreter: „Jemand, der sich von den bewaffneten Milizen angezogen fühlt, könnte ebenso auch Chef einer Firma werden!“

Design-Thinking gegen die Unsicherheit

300 Personen hätten seit 2014 Unternehmertum-Schulungen unter ihm durchlaufen, einige bereits vor der eigentlichen Gründung des Zentrums im Jahr 2017. 60 Start-ups seien daraus hervorgegangen. Darunter sind Apps wie eine Kommunikationsplattform für Schulen – aber auch viele klassische Firmengründungen: Verarbeiter von Nahrungsmitteln beispielsweise, bei denen Wertschöpfung stattfindet, allerdings nicht unbedingt aufgrund digitaler Geschäftsmodelle. Aber auch sie profitierten von den Tricks, die das Gründerzentrum ihnen mit auf den Weg gab: in Sachen Online-Marketing, Buchführung, Team-Leading, Design-Thinking und dem Pitchen vor potenziellen Investoren.

Auf die unternehmerische „Wiederherstellung des Friedens“ angesprochen, klingt Ayale weniger optimistisch. Ja, auch sein Start-up würde Arbeit und Perspektiven schaffen - für seine vier Firmenkollegen, lokale Mittelsmänner und Transporteure. „Es lässt sich kein Business egal welcher Art angesichts der Unsicherheit entwickeln“, regt er sich dann jedoch über den Krieg auf dem Land auf, der zwar allgegenwärtig, aber von vielen Menschen wie Ayale nicht beim Namen genannt wird. „Da hängen so viele Dinge dran, denn dort, wo es bewaffnete Gruppen und Kidnapping gibt, hat jeder Angst zu sterben. Wer geht noch aufs Feld, wenn einem alles gestohlen wird?“, fragt ausgerechnet der junge Gründer, der den Unternehmenserfolg in riskanten Gegenden sucht. Als wolle er den Beweis antreten, dass es doch irgendwie geht.

Nicht nur ausländische Investoren, auch Technologien, die es in anderen Teilen der Welt ganze Märkte abräumen, haben es in Ländern wie dem Kongo schwer. Und genau darin liegt wiederum auch eine Chance für heimische Unternehmer. Ayale ist ein großer Fan von Jack Ma, dem Alibaba-Gründer. Wie auch Amazon und Ebay lässt sich die Handelsplattform im Kongo online aufrufen. Nur genutzt würden solche Seiten kaum, sagt Ayale: „In der Technologiewelt gibt es Lösungen, die in Europa funktionieren aber in Afrika scheitern“, sagt er. „Es ist sehr wichtig, Lösungen zu entwickeln, die zu den Bedürfnissen der Bevölkerung passen“.

In einem Kriegsgebiet würde es an Vertrauen mangeln, bei anonymen Fremden online zu kaufen. Und Paypal und Kreditkarten kenne auf dem Land niemand. Deshalb können Käufer die Zahlungen bei Kivu Green per Mobile Money tätigen, in Form eines Art Handyguthabens, das sich am lokalen Kiosk auszahlen lässt. „Das ist wirklich einfach geworden“, sagt Ayale.

Und so kommt es auch, dass Ayala die Reise in die riskante Region außerhalb Gomas vor allem dann auf sich nehmen muss, wenn er seine Großeltern besuchen möchte. Um Geschäfte mit Händlern und Produzenten im Kriegsgebiet abzuwickeln, reicht ihm heute sein Smartphone.

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