Grundsatzrede in Versailles Macron will Frankreichs Wahlrecht ändern

Der französische Präsident hält seine erste Grundsatzrede und stapelt nicht gerade tief. Für eine angestrebte Reform des Wahlrechts wolle er notfalls eine Volksabstimmung ansetzen. Und das ist noch nicht alles.

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Der französische Präsident Emmanuel Macron auf dem Weg zu seiner Rede vor beiden Kammern des französischen Parlaments. Quelle: dpa

Versailles Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will die politischen Institutionen des Landes verändern und kleineren Parteien den Sprung ins Parlament erleichtern. Er werde vorschlagen, „eine Dosis“ Verhältniswahlrecht einzuführen, sagte Macron am Montag vor beiden Parlamentskammern im Schloss von Versailles.

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung gilt in Frankreich bislang ein reines Mehrheitswahlrecht, das es für kleine Parteien sehr schwer macht, Sitze zu erringen. Es gibt keine Kandidatenlisten, sondern nur Kandidaturen für die Vertretung eines bestimmten Wahlkreises.

Macron sprach sich zudem dafür aus, die Anzahl der Abgeordneten und Senatoren um ein Drittel zu verringern und die Anzahl der aufeinanderfolgenden Mandate der Parlamentarier zu begrenzen. Falls nötig werde er für diesen Umbau der Institutionen auch eine Volksabstimmung ansetzen, kündigte Macron an.

Die Versammlung beider Parlamentskammern - der Kongress - tritt nur sehr selten zusammen. Der Auftritt Macrons war seine erste große innenpolitische Rede seit seinem Amtsantritt im Mai, der Präsident stellte dabei die Grundlinien seiner Politik vor.

Außerdem kündigte Macron an, den seit gut eineinhalb Jahren dauernden Ausnahmezustand im Herbst aufzuheben. Er versprach, „die Freiheiten der Franzosen“ wiederherzustellen. Der Ausnahmezustand war nach islamistischen Terroranschlägen im November 2015 verhängt worden. Die Maßnahme wurde mehrmals verlängert. Sie gewährt der Polizei besondere Befugnisse.

Macron versprach neue härtere Maßnahmen, um Anschläge zu verhindern. Angesichts Bedenken, dass neue Schritte der Polizei zu viel Macht geben könnten, erklärte Macron, dass es notwendig sei, eine „vollständige Achtung individueller Freiheiten“ zu garantieren.

Macrons Auftritt ist bei manchen umstritten, weil er damit seinem Premierminister Edouard Philippe zuvorkommt, der einen Tag später eine Regierungserklärung abgibt. Abgeordnete der Linkspartei La France Insoumise (Das aufsässige Frankreich) um Jean-Luc Mélenchon und der Kommunisten wollen die Rede boykottieren. Mélenchon hatte ein „pharaonisches Abgleiten“ der „Präsidenten-Monarchie“ kritisiert: Es gebe keinen Grund dafür, dass der Präsident 24 Stunden vor seinem Premierminister sprechen müsse. Die Regierung betonte dagegen, dass die beiden Reden sich ergänzen sollen: Während der Präsident die großen Linien vorgebe, gehe es beim Regierungschef um die Umsetzung.

Die Rede kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt: Die Abgeordneten sollen sich noch vor der Sommerpause mit zentralen Vorhaben aus Macrons Wahlprogramm befassen. Vergangene Woche brachte das Kabinett eine umstrittene Lockerung des Arbeitsrechts auf den Weg. Bis Ende des Monats soll das Parlament ein Rahmengesetz verabschieden und der Regierung damit eine Vollmacht geben, die Details der brisanten Änderungen eigenständig per Verordnung festzulegen. Außerdem soll in den kommenden Tagen der Ausnahmezustand bis Ende November verlängert werden. Darüber hinaus hat Frankreichs Regierung einen Gesetzentwurf gegen Interessenkonflikte vorgelegt, der nach zahlreichen Skandalen das Vertrauen in die Politik wieder herstellen soll.

Auf Macrons Rede folgt eine Debatte, der er selbst laut Verfassung nicht beiwohnt. Es gibt keine Abstimmung - anders als nach der Regierungserklärung seines Premiers in der Nationalversammlung, auf die am Dienstag eine Vertrauensabstimmung folgt. Macron war im Mai zum jüngsten französischen Präsidenten aller Zeiten gewählt worden. Gut einen Monat später hatte sein Lager im Juni eine klare absolute Mehrheit in der Nationalversammlung errungen.

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