„Gruß aus dem Corona-Knast“ Auswärtiges Amt lässt Deutsche im Stich

Corona: Auswärtiges Amt lässt Deutsche im Stich Quelle: imago images

Weil die wichtigsten Vertretungen in den USA schließen, haben Deutsche, die in den Staaten angesichts der Coronakrise auf Hilfe aus der Heimat hoffen, derzeit schlechte Karten. Und auch anderswo häufen sich die Probleme.

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Michael Müller hat die Nase gestrichen voll: „Das Auswärtige Amt ist der größte Saftladen unter der Sonne! Wenn Du die Notfallhotline anrufst, geht keiner ran, und es läuft lustige Mundharmonika-Musik.“ Müller sitzt seit Tagen in einem Hotel in Peru auf 3500 Meter Höhe fest, die geplante Klettertour mit seiner Frau durch die peruanische Bergwelt ist Corona zum Opfer gefallen. Am Samstag gab es Hoffnung – bis der für Dienstag in Aussicht gestellter Heimflug von Cusco via Chile nach Frankfurt offenbar gestrichen wurde. (Ähnliches berichtet WirtschaftsWoche-Redakteur Bert Losse, der mit einer deutschen Reisegruppe unter Corona-Quarantäne in den peruanischen Anden steht.) „Das Versagen des Auswärtigen Amtes, das sich gerade dafür feiert, dass es in 15 Tagen zwei Landeerlaubnisse für Lufthansa-Maschinen bei den Peruanern durchgesetzt hat, wird zunehmend surreal“, sagt Müller. Amerikaner, Briten, Spanier, Russen, Schweizer, Italiener holten gerade in großen Maßstab mit Bussen und Fliegern ihre Leute raus, berichtet er mit „Gruß aus dem Corona-Knast“.
Da Müller noch auf Rettung hofft, möchte er seinen echten Namen hier lieber nicht lesen. Gemeinsam mit anderen festsitzenden Deutschen hat er nun einen Twitter-Account eingerichtet. Eine Verzweiflungstat.

Verloren am Kap

Der Tourist ist längst nicht allein. Ein anderer Deutscher ist derzeit etwa in Kapstadt gestrandet. Holger Spalt und seine Partnerin aus Gabun seien im Januar dort Eltern geworden und wollten längst nach Deutschland gereist sein, so berichtet er. „Wir haben eine Geburtsurkunde von Südafrika mit Beglaubigung und die von der gabunesischen Botschaft in Pretoria. Ich probiere seitdem die deutsche Geburtsurkunde und einen deutschen Pass für das Kind und dann ultimativ ein Familienzusammenführungsvisum für die Mutter zu bekommen.“ Erfolglos. Spalt sorgt sich wegen der sehr schlechten Gesundheitsversorgung und der Sicherheitslage. Seit dem 26. März herrscht in Südafrika ein komplette Ausgangssperre für drei Wochen. Militär sei auf der Straße und kontrolliere die Ausgangssperre. Das Auswärtige Amt biete keine Rückholflüge an.

„In Südafrika musste ein erster bereits organisierter Rückholflug aufgrund der von der Regierung verhängten Ausgangssperre verschoben werden“, so das Auswärtige Amt gegenüber der WirtschaftsWoche. Die Botschaft arbeite mit Nachdruck daran, in den nächsten Tagen weitere Flüge zu organisieren. Die deutsche Botschaft Pretoria habe dafür eigens eine auch am Wochenende erreichbare Corona-Infoline eingerichtet.

Den USA droht eine verheerende Katastrophe. Die Zahl der Covid-19-Fälle ist derzeit so hoch wie in keinem anderen Land der Welt. US-Präsident Trump scheint Roulette zu spielen – getrieben von einer einzigen Hoffnung.

Regulärer Betrieb nicht absehbar

Auch in den USA treffen Deutsche auf enormen Schwierigkeiten. In einem der WirtschaftsWoche vorliegenden Schreiben des Generalkonsulates in Atlanta (Georgia) vom 25. März heißt es, das Generalkonsulat befinde sich im Krisenmodus und sei für Besucher geschlossen: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass derzeit nicht absehbar ist, wann wir unseren regulären Betrieb wieder aufnehmen können.“ Damit erschwert sich für Deutsche, die in Sachen Passangelegenheiten auf konsularische Unterstützung angewiesen sind, die Rückreise noch einmal erheblich. Wegen der teilweise chaotischen Lage in den USA und des heruntergefahrenen Flugverkehrs ist ein Heimflug ohnehin schon nur unter schwierigsten Bedingungen möglich.

Auch das Generalkonsulat in Boston ist zu, ebenso haben die Vertretungen in Los Angeles, Miami und New York dicht gemacht. Lediglich die Vertretungen in San Francisco und Chicago stehen noch für Notfälle offen. Generell noch geöffnet in den Vereinigten Staaten ist die Botschaft in Washington, bis auf die langen Ostertage von Karfreitag bis Ostermontag. Wer Passangelegenheiten regeln will, bei denen regelmäßig persönliches Vorsprechen und Unterschriften notwendig sind, muss nun im schlimmsten Fall über den ganzen Kontinent reisen.

Pässe und Visa problematisch

Ein Verlust des Passes wird damit zum Riesenproblem, die Chance, noch einen Platz auf einem der wenigen und weitgehend ausgebuchten Flüge nach Deutschland zu bekommen, sinkt gegen Null. Treffen kann es Touristen, Geschäftsreisende oder auch Expats, die den dramatischen Umständen etwa in New York entfliehen wollen. Und wer gerade ein Visum braucht, für den gibt es eine weitere schlechte Nachricht. Das US-Außenministerium hat in den meisten Ländern der Welt die routinemäßigen Visa-Dienste als Reaktion auf den Ausbruch des neuen Coronavirus seit gut einer Woche eingestellt. Die Aussetzung gelte für alle routinemäßigen Einwanderungs- und Nichteinwanderungsvisa und bis auf Weiteres, so das Außenministerium in einer Erklärung, berichtet das „Wall Street Journal“.

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