Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau hat sich zurückhaltend über die Erfolgsaussichten für ein neues Handelsabkommen mit den USA geäußert. Es habe zwar gute Fortschritte bei den Gesprächen zum Thema Autoindustrie gegeben, sagte Trudeau am Dienstag. Seine Haltung, dass die kanadischen Milchbauern geschützt werden müssten, habe sich aber nicht geändert. Er freue sich darauf, ein Abkommen zu unterzeichnen, solange dies vorteilhaft für die kanadische Bevölkerung sei, sagte der Regierungschef.
Am Montag hatten sich die USA und Mexiko vorläufig auf ein neues Handelsabkommen verständigt, das nach dem Willen von US-Präsident Donald Trump an die Stelle des bisherigen Nafta-Abkommens treten soll. Kanada als bislang dritter Partner des Nafta-Vertrags verhandelt derzeit mit den USA darüber, ob es dem neuen Abkommen beitritt. Die US-Regierung hat sich zuversichtlich gezeigt, bis zum Wochenende auch mit Kanada eine Abmachung über die künftigen Handelsbeziehungen erreichen zu können. Trump hatte gedroht, andernfalls Zölle auf Fahrzeuge und Zulieferer aus Kanada zu erheben. Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland wurde noch am Dienstag zu Handelsgesprächen in Washington erwartet.
Als Streitpunkt könnte sich die Agrarwirtschaft herausstellen. Kanada schützt seine Milchbauern derzeit mit hohen Zöllen. „Meine Position, wenn es um Versorgungsketten geht, hat sich nicht verändert“, sagte Premierminister Justin Trudeau am Dienstag mit Blick auf die Milchindustrie seines Landes.
Der Handel zwischen den USA, Kanada und Mexiko hat ein Volumen von mehr als einer Billion Dollar jährlich. US-Finanzminister Steven Mnuchin erklärte, die Volkswirtschaften Kanadas und der USA seien sehr stark miteinander vernetzt. „Es ist für sie wichtig, eine Einigung zu erreichen. Und es ist für uns wichtig, eine Einigung zu erreichen“, sagte der Minister. Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow erneuerte jedoch die zuvor erhobene Drohung Trumps, in Kanada produzierte Autos könnten mit hohen Einfuhrzöllen belegt werden, wenn es nicht zu einer Einigung komme. Trump sagte: „Das wäre das Einfachste.“
Das Abkommen mit drei Partnern aufrechtzuerhalten, ist der erklärte Wunsch Mexikos. Präsident Enrique Peña Nieto schrieb am Dienstag auf Twitter, der Besuch von Donald Trump im Jahr 2016 in Mexiko, eine kurze Begegnung, habe etwas Positives gehabt. „Am Ende hat sie die Tür geöffnet für einen offenen Dialog mit der US-Regierung.“ Es gehe darum, dass bei Nafta alle gewinnen müssten. Auch die USA wollen den Fortbestand, allerdings zu ihren Bedingungen. Trump möchte zudem die Bezeichnung Nafta loswerden - sie sei negativ besetzt.
Die wichtigsten Informationen zum Abkommen
Damit Autos zollfrei bleiben, müssen deren Teile künftig zu 75 Prozent in den USA oder Mexiko produziert sein. Im bisherigen Nafta-Abkommen sind es lediglich 62,5 Prozent. Die Anhebung der Mindestquote soll die Produktion in der Region stärken. Selbst wenn neue Endfertigungsstätten vor allem in Mexiko entstünden, winkten den USA deutliche Vorteile. Denn Studien zeigen, dass in Mexiko zusammengebaute Autos, die in die Vereinigten Staaten exportiert werden, zu 40 Prozent aus US-Teilen bestehen.
Um die Zulieferindustrie in den USA zu unterstützen, ist eine weitere Mindestgrenze vorgesehen: So muss ein Wagen zu 40 bis 45 Prozent in Regionen produziert sein, in denen Stundenlöhne von wenigstens 16 Dollar gezahlt werden. Damit soll den amerikanischen Autoteile-Produzenten die Billiglohnkonkurrenz vom Hals gehalten werden, insbesondere die aus Asien. Dazu sollen ferner Vorgaben zur Baustoffverarbeitung für die Auto-Hersteller beitragen. Von ihnen wird verlangt, mehr Stahl, Aluminium, Glas und Kunststoff aus den USA und Mexiko zu nutzen.
Das Thema spielt insbesondere auch für deutsche Konzerne wie Volkswagen, BMW und Daimler eine wichtige Rolle. Sie profitieren von einem reibungslosen Handel zwischen den beiden Ländern, denn auch sie verkaufen in Mexiko produzierte Fahrzeuge in die Vereinigten Staaten.
Trump sind die Erfolge der deutschen Autobauer auf dem US-Markt ein Dorn im Auge. Deshalb hatte er mehrfach mit Schutzzöllen auf deren Lieferungen gedroht. Branchenvertretern zufolge gibt die neue Übereinkunft mit Mexiko Trump nun die Möglichkeit, höhere Schutzzölle auf Fahrzeuge zu erheben, die die geforderten Mindestgrenzen nicht erreichen. Nach Auskunft der mexikanischen Regierung können die meisten Autoausfuhren des Landes die Werte allerdings einhalten.
Beide Seiten einigten sich darauf, dass die Handelsvereinbarung für 16 Jahre gilt. Nach sechs Jahren erfolgt eine Überprüfung, die zu einer Verlängerung um weitere 16 Jahre führen kann. Ursprünglich pochten die USA auf eine Erneuerung alle fünf Jahre. Dies stieß aber auf den scharfen Widerstand Kanadas und Mexikos, die in der Forderung einen Hemmschuh für langfristige Firmeninvestitionen sahen.
Die USA und Mexiko erheben auch künftig gegenseitig keine Zölle auf landwirtschaftliche Produkte. Zugleich verpflichtet sich Mexiko darauf, in diesem Bereich internationale Standards im Arbeitsrecht einzuhalten. Die US-Seite setzt darauf, dass dadurch im Nachbarland die Löhne steigen.
Ein Mechanismus zur Schlichtung von Streitfällen zwischen Investoren und Regierungen wurde zurückgestutzt. Er gilt nun nur noch für staatlich dominierte Sektoren wie die Öl-, Energie- und Infrastrukturbranche sowie in Fällen von Begünstigung ortsansässiger Firmen und von Enteignung. Mexiko stimmte insbesondere einem Verzicht auf Schlichtungsverfahren bei Anti-Dumping-Konflikten zu, die im bisherigen Nafta-Kapitel 19 geregelt sind. Kanada hat bislang auf einem Fortbestand dieser Bestimmung bestanden.
Wenn Kanada an einem Dreierpakt festhalten will, muss es dem amerikanisch-mexikanischen Deal beitreten. Das Land steht insbesondere unter Druck, die Neuregelungen zur Autobranche zu akzeptieren. Ansonsten drohen ihm in diesem Bereich US-Zölle.
Unterdessen stellten führende US-Demokraten ihre Unterstützung für ein rein bilaterales Abkommen zwischen den USA und Mexiko in Frage. Senator Chuck Schumer sagte, es gebe ernste rechtliche Bedenken dagegen, ein solches Abkommen im beschleunigten Verfahren durch den Senat zu bringen. Nur ein Abkommen zwischen allen drei Nafta-Vertragsstaaten könne im beschleunigten Verfahren behandelt werden.
Das 1994 abgeschlossene nordamerikanische Handelsabkommen Nafta ist eines der größten Freihandelsabkommen der Welt. Es betrifft fast 500 Millionen Menschen und deckt ein Gebiet mit einer Gesamtwirtschaftsleistung von knapp 23 Billionen Dollar (19,79 Billionen Euro) ab. Das Handelsvolumen der USA mit den beiden Nachbarn hat sich seit 1994 auf 1,3 Billionen Dollar fast vervierfacht. Trump hatte das Abkommen nach seinem Amtsantritt infrage gestellt und Neuverhandlungen durchgesetzt. Diese waren wiederholt ins Stocken geraten.
Zuletzt hatten US-Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren das Verhältnis zu Mexiko und Kanada schwer belastet. Eine Lösung dafür sieht im Falle Mexikos auch die neue Vereinbarung zunächst nicht vor. Auch eine Antwort auf die Frage, ob Mexiko für den Bau einer Grenzmauer an der US-Südgrenze zahlen soll – wie von Trump auf Wahlkampfveranstaltungen wiederholt betont – gibt das Abkommen nicht. Trump selbst wiederholte am Dienstag seine Wahlkampfrhetorik, wonach am Ende Mexiko für den Mauerbau aufkommen müsse. Es sieht unter anderem schärfere Regeln für die Automobilindustrie vor, darunter Mindestlöhne von 16 US-Dollar in einigen Bereichen. Der Anteil der Autoteile, die aus einem der beiden Länder kommen müssen, um einen zollfreien Handel zu ermöglichen, steigt von 62,5 auf 75 Prozent. In der Landwirtschaft soll es unter anderem Erleichterungen für Biotechnologie geben - darunter Gentechnik.