Handelskrieg Was hinter den China-Zöllen von Trump steckt

US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping Quelle: dpa

US-Präsident Donald Trump hat 1300 Produktlinien ausgewählt, die nun mit Zöllen belegt werden könnten. Das wird nicht nur China wehtun, sondern auch den USA. Die Chinesen antworten mit eigenen Strafzöllen.

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Trump umringt von schweren Metallblöcken, geformt wie eine Burg. Allerdings so eng und hoch, dass sie wie ein Gefängnis wirken. Die Karikatur aus der staatlichen Tageszeitung China Daily ist eindeutig. Peking hält nichts von Trumps Strafzöllen. Im Gegenteil: Peking werde das Nötige tun, um seine Interessen zu schützen, droht die Zentralregierung und hat nun eigene Maßnahmen angekündigt. Der Handelskrieg, er scheint kaum mehr zu verhindern.

Am Donnerstag hatte die US-Regierung beschlossen, Strafzölle gegen China zu verhängen. Wie bereits Mitte der Woche angekündigt, unterzeichnete Trump ein Memorandum, mit dem er die konkrete Ausarbeitung der Maßnahmen anordnete. Trump möchte eine Liste mit 100 Produkten aus China mit jährlichen Strafzöllen belegen. Gesamtvolumen: bis zu 60 Milliarden Dollar. Seine Berater hatten ihm ein Paket in Höhe von 30 Milliarden Dollar empfohlen. Trump verdoppelte lieber.

Welche Auswirkungen die Zölle auf Chinas Volkswirtschaft haben, ist schwer zu sagen. Vor einigen Jahren hätten diese das Land noch massiv getroffen. Das Land war in den vergangenen Jahrzehnten massiv von seinem Export abhängig. Als verlängerte Werkbank verschiffte China seine Billigprodukte weltweit. Das hat sich inzwischen geändert. Nur noch ein Fünftel der Wirtschaftsleistung erwirtschaftet das Land noch durch seine Ausfuhren. Das heißt, unterm Strich wären die Auswirkungen gering.

von Simon Book, Jürgen Berke, Melanie Bergermann, Lea Deuber, Konrad Fischer, Matthias Kamp, Silke Wettach

Das gilt allerdings nur gesamtwirtschaftlich. Denn für einzelne Branchen und Unternehmen könnten die Folgen verheerend sein. Nämlich für eben diese, die viel exportieren. Dazu gehören in China vor allem Hersteller von Gebrauchsgütern, IT und Hardware. Darunter Produzenten von Handys, Computern, Waschmaschinen, Küchengeräten und Klimaanlagen. Diese Firmen sitzen vornehmlich in Südchina, darunter in Shenzhen und Guangzhou, früher bekannt als Kanton an der Grenze zu Hongkong. Sollten Unternehmen dort in Schwierigkeiten geraten, wären vor allem Geringverdiener aus den Fabriken der Region betroffen, die aufgrund von schlechter Ausbildung kaum schnell neue Jobs finden würden.

Weniger Auswirkungen werden voraussichtlich die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte haben, die bereits zuvor von Trump beschlossen worden waren und am Freitag in Kraft treten. Diese richten sich auch gegen China, werden dort aber kaum zu spüren sein. Nur zwei Prozent der US-Importe für Stahl kommen aus China.

Trump versucht, mit den Maßnahmen vor allem zwei Dinge zu erreichen: Zum einen will er das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China abbauen. China war im vergangenen Jahr mit einem Volumen von rund 636 Milliarden Dollar zwar der wichtigste Handelspartner der USA. Allerdings überstiegen die chinesischen Einfuhren in die USA die Waren, die in Richtung China gehen, um schlappe 375 Milliarden Dollar. Ein Defizit, das Präsident Trump nicht länger akzeptieren will. 100 Milliarden Dollar sollen runter von der Bilanz, so Washington.

Trump hat seinen Wählern „America first“ versprochen. Und dazu gehört auch, die heimische Wirtschaft zu stärken. Diese beschwert sich seit Langem, dass das Riesenreich seine eigenen Märkte abschottet und Patentklau betreibt. „Amerika reagiert auf den Diebstahl geistigen Eigentums. Wir können das schlicht nicht länger zulassen“, so Trump. In einem Bericht an den Kongress bezeichnete die Regierung die Aufnahme Chinas in die WTO zudem jüngst als Fehler: „Es hat nicht dazu geführt, dass China ein offenes und marktorientiertes System einführt“, heißt es dort. „Es ist nun klar, dass die WTO-Regeln nicht ausreichen, um Chinas wettbewerbsverzerrendes Verhalten einzuschränken.“

Mit der Kritik ist Trump nicht allein. Auch deutsche Unternehmen kämpfen gegen die Willkür im Land. Trotz der engen Partnerschaft zwischen Deutschland und China ist die Situation für deutsche Firmen alles andere als rosig. Unzureichende Rechtssicherheit, das künstlich verlangsamte Internet, grenzüberschreitende Kapitalverkehrskontrollen und ein mangelnder Schutz geistigen Eigentums erschweren vielen Unternehmen die Geschäfte vor Ort. Dazu kommen Handelsschranken und Protektionismus. „Obwohl wir dieses Jahr wieder ein Wachstum zwischen sechs und sieben Prozent erwarten, sind die Probleme für deutsche Firmen groß“, bestätigt Hubert Lienhard, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA).

Leiden am Ende die US-Konsumenten?

In vielen Branchen gilt weiterhin Joint-Venture-Pflicht. In mehreren duzend Branchen dürfen ausländische Firmen nur eingeschränkt oder gar nicht investieren - unter anderem im Bankensektor, den Verlagen und der Telekommunikationsbranche. Zudem drängt Peking ausländische Firmen dazu, Parteizellen der KP größeren Einfluss in ihren Unternehmen einräumen und diese sogar in Entscheidungsgremien zu setzen.

„Sollte diese Art der Beeinflussung ausländisch investierter Unternehmen weiter fortschreiten, ist es nicht auszuschließen, dass sich deutsche Unternehmen aus dem chinesischen Markt zurückziehen oder Investitionsentscheidungen überdenken“, drohte die Auslandshandelskammer in Peking zuletzt in einem Statement.

Während es die ausländischen Unternehmen gängelt, betreibt Peking seit Jahren eine aggressive, nationalistische Industriepolitik. Als Teil seiner Made in China 2025-Initiative hat die Regierung zehn Schlüsselindustrien identifiziert, in denen das Land in der Zukunft zu anderen Industriestaaten aufholen will. Bei den Batterieherstellern zeigt sich, wie rigoros die Chinesen dabei vorgehen. Ab 2019 müssen die Autobauer eine Mindestquote an E-Autos herstellen, ansonsten drohen ihnen hohe Strafen. Bei der Produktion der Batterien sind die ausländischen Hersteller aber zum größten Teil von chinesischen Herstellern abhängig. Kunden, die E-Autos kaufen, können von staatlichen Subventionen profitieren. Diese belaufen sich teilweise auf um die 10.000 Euro pro Auto.

2016 und 2017 hat China rund 10 Milliarden Euro (83 Milliarden RMB) an Subventionen für diese Programme ausgegeben. Aber obwohl einige der größten ausländischen Hersteller der Stromspeicher, darunter LG Chem und Samsung SDI aus Südkorea, bereits früh in China in Anlagen investiert haben, können Autokäufer mit ihren Batterien keine Subventionen beantragen. Um keine Kunden zu verlieren, setzen ausländische und heimische Hersteller deshalb lieber auf chinesische Produzenten. Ähnlich geht das Land auch in anderen Branchen vor. Die Provinzen Anhui, Shanghai, Fujian und Sichuan fördern beispielsweise heimische Hersteller bei Käufen von CT- und MRT-Geräten. Die westchinesische Provinz Sichuan wiederum schreibt vor, dass Krankenhäuser 65 Prozent ihres Budgets für Geräte von chinesischen Produzenten ausgeben müssen.

Anders als nach der Bekanntgabe der Einführung von Stahlzöllen bleibt deshalb auch der große Aufschrei in Washington aus. Die Maßnahmen gegen China sind populär. Im Kongress – und erst recht bei den Bürgern. Seit Jahren hat Trump die Stimmung aufgeheizt, China als Land gebrandmarkt, das den Vereinigten Staaten Jobs klaue, „wie keine zweite Nation“. Das kommt an beim weißen Arbeiter in Pittsburgh, St. Louis oder Green Bay, der mit ansehen musste, wie über die Jahre Jobs in der Industrie abgebaut und verlagert wurden. Jede Attacke von Trump gegen die Führung in Peking löst bei öffentlichen Auftritten Jubelschreie der Anhänger aus – gefolgt von „USA, USA“-Sprechchören.

Ökonomen in den USA sehen die Sache gleichwohl differenzierter. Importzölle würden weder den US-Unternehmen helfen, noch den US-Arbeitern, kritisieren sie. Sollten Kleidung, Möbel, Elektroartikel und Spielzeuge aus China mit Strafzahlungen versehen werden, müssten die US-Konsumenten nur tiefer in die Tasche greifen. „Die Mittelschicht würde 29 Prozent an Kaufkraft verlieren, wenn sich Amerika abschottet“, unterstreicht Robert Lawrence, Professor für internationalen Handel an der Harvard University. Die Unterschicht, bei denen Konsumabgaben einen höheren Anteil an den Ausgaben haben als bei Besserverdienenden, würde gar 62 Prozent ihrer Kaufkraft einbüßen.

Auch die heimische Wirtschaft könnte unter den höheren Preisen für Importe leiden. All jene US-Unternehmen etwa, die Stahl und Aluminium weiterverarbeiten und verwenden, von den Brauereien, die Bier in Dosen abfüllen bis hin zu den Flugzeugbauern, müssten tiefer in die Tasche greifen, und eventuell auf der Kostenseite sparen – möglicherweise beim größten Ausgabeposten, dem Personal. „Bestenfalls ein Nullsummenspiel“ würden die Strafzölle auf Stahl und Aluminium sein, sagt Moody’s-Ökonom Atsi Sheth. „Es wird mehr Verlierer als Gewinner geben“, prognostiziert Monica de Bolle vom Petersen Institut. Das gilt erst recht, wenn die Liste der Strafzölle noch länger wird.

Ähnlich sieht das auch Ding Yuan von der Chinese European Business School in Shanghai. Seine Warnung geht vor allem in Richtung Trump, der mit seinen Alleingängen nicht nur die Chinesen verärgert, sondern auch seine Partner in der EU und andere Verbündeten. Die chinesische Wirtschaft und die europäische Wirtschaft ergänzten sich gut, sagt Ding. Gleichzeitig seien die Amerikaner und Europäer in vielen Branchen Konkurrenten. „Das Verhalten der USA wird die EU und China näher zusammenbringen“, prophezeit er. Der amerikanische Markt sei nur 300 Millionen Menschen groß, der Europäische schon 500 Millionen. Auf dem asiatischen Markt werden hingegen 2030 bereits drei Milliarden Menschen in der Mittelschicht leben. Wenn die USA sich isolierten, werden sie ins Abseits geraten. Donald Trump mache sehr kurzlebige Versprechen, die von Kurzsicht zeugten. „Die USA sollten sich klarmachen, dass niemand unersetzbar ist.“

Dazu schottet China seine Wirtschaft zwar ab. Gleichzeitig aber – so die Erwartung – wird ein China als Reaktion auf die US-Strafzölle seine Märkte kaum öffnen. Das bestätigte sich bereits Freitagmorgen. Das Handelsministerium in Peking erklärte, als Reaktion auf die Stahl- und Aluminiumzölle wiederum selbst Zölle auf amerikanische Importe in der Höhe von drei Milliarden US-Dollar erheben zu wollen. Zunächst sollen auf 120 Produkte 15 Prozent erhoben werden, darunter auf Produkte wie Früchte, Nüsse und Wein in Höhe von 977 Millionen Dollar. Dann sollen 25 Prozent auf Schweinefleisch und wieder aufbereitete Aluminiumprodukte folgen. Die Zölle werden kommen, sollte Washington nicht einlenken, erklärte das Ministerium. Die chinesische Botschaft in den USA veröffentlichte zudem ein Statement, in dem es seine „starke Enttäuschung und seinen entschiedenen Einspruch“ ausdrückte. Gleichzeitig erklärte der Botschafter: „China hat keine Angst vor einem Handelskrieg und werde diesem nicht ausweichen.“

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