Hartz IV New York macht vor, wie Arbeitsvermittlung funktioniert

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Brooklyn Bridge in New York Quelle: REUTERS

Begonnen hatte die amerikanische Sozialstaatsreform unter dem Präsidenten Bill Clinton. Er unterzeichnete 1996 ein neues Sozialhilfegesetz mit dem TANF-Programm („Temporary Assistance for Needy Families“ – zeitweise Unterstützung bedürftiger Familien).

TANF beschränkt Unterstützung im Wesentlichen auf Alleinerziehende, die sich im Gegenzug um Arbeit bemühen müssen. Gleichzeitig zwingt das Gesetz Bundesstaaten und Kommunen, mindestens der Hälfte der Hilfsempfänger eine Arbeits- oder Qualifizierungsmaßnahme zu besorgen. Sonst fließt für die Sozialhilfe kein Geld aus Washington.

TANF ist nicht unumstritten. Kritiker bemängeln unter anderem, die fast ausschließliche Förderung Alleinerziehender habe die Erosion der Familien beschleunigt. Unzweifelhaft aber ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger in den gesamten USA von rund fünf auf rund zwei Millionen Empfänger gesunken.

Und die Auflage, dass mindestens die Hälfte der Hilfsempfänger arbeiten muss, führt dazu, dass Kommunen kreativ werden: Sie bieten etwa Kinderbetreuung für arbeitswillige Alleinerziehende an oder sorgen für spezielle Jobangebote für Leute mit gesundheitlichen Problemen.

Erfolgsabhängige Bezahlung

Wer im Linden Center angibt, wegen einer Krankheit nicht arbeiten zu können, durchläuft einen standardisierten Prozess und wird von einem externen Dienstleister umfassend auf Jobfähigkeit untersucht – medizinisch und psychologisch.

Das geht seit vier Jahren so: In dieser Zeit wurden insgesamt rund 40000 Menschen untersucht. 19000 davon wegen Erwerbsunfähigkeit an die Rentenversicherung überwiesen. Von den übrigen fand über die Hälfte einen Job und behielt ihn mindestens sechs Monate, selbst ein Viertel derjenigen, denen nur eingeschränkte Arbeitsfähigkeit attestiert wurde.

Die eingespannten privaten Dienstleister werden erfolgsabhängig bezahlt. Dabei verteilt sich der Bonus danach, wie lange der vermittelte Klient auf seiner neuen Stelle bleibt. Das ist ein Anreiz dafür, die Leute auf Stellen zu vermitteln, die wirklich zu ihnen passen.

Deutscher Grabenkrieg

Für die Hessen ist das eine neue Welt. Organisiert hat ihre Reise Dick Vink, ein Holländer, der die hessische Landesregierung bei der Reform der kommunalen Jobcenter beraten hat und gute Kontakte zur New Yorker Sozialverwaltung besitzt. Teilnehmer sind neben Burelbach und seiner Mitarbeiterin Christine Herzberg-Pirih die Leiterinnen des Jobcenters vom Kreis Offenbach sowie zwei weitere Vermittler.

Die Reise ermöglicht ihnen einen Erkenntnisgewinn, den keine Weiterbildung in Deutschland bescheren könnte. Guido Westerwelles Äußerungen zur „spätrömischen Dekadenz“ der Hartz-IV-Empfänger hat in deutschen Kommunen eine sachliche Diskussion erschwert.

Es gibt noch einen zweiten Grabenkrieg, und der betrifft das Verhältnis der deutschen kommunalen Jobcenter zur Nürnberger Arbeitsverwaltung. Seit der Einführung von Hartz IV gibt es insgesamt 69 sogenannte Optionskommunen, die ihre Klientel allein verwalten und in Konkurrenz zu den Arbeitsagenturen stehen.

Das hat im Wesentlichen der hessische Ministerpräsident Roland Koch durchgesetzt. Seine Idee ist, dass diese Kommunen zu Reformwerkstätten werden, so wie die Einstiegsoffensive von Rainer Burelbach. Doch das Modell der Optionskommunen ist bislang nur bis Ende 2010 gesichert. Selbst manche Führungskräfte wie Herzberg-Pirih haben Zeitverträge. Mit der New-York-Reise wollen die politisch Verantwortlichen in Hessen auch zeigen, wie innovativ und unersetzlich die Optionskommunen sind.

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