Haushaltsstreit Finanzminister sieht Deutschland für Brexit gewappnet

Olaf Scholz sieht Deutschland auch für einen unkontrollierten Brexit gewappnet. Den Druck der EU auf Italiens Haushaltsplanung hält er für richtig.

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Olaf Scholz findet nicht alle Ideen der italienischen Regierung schlecht. Quelle: dpa

Berlin Finanzminister Olaf Scholz sieht Deutschland auch für den Fall eines ungeregelten Brexits gewappnet. Die Bundesregierung bereite sich sehr sorgfältig sowohl auf den kontrollierten wie auf einen unkontrollierten Brexit vor, sagte der SPD-Politiker der „Passauer Neuen Presse“ vom Freitag. „Beides stellt uns vor Herausforderungen, die wir aber bewältigen können und bewältigen werden.“

Wenn sich der Grenzverkehr verkompliziere, werde sich das auf Unternehmen negativ auswirken, die Teile ihrer Produkte auf der Insel herstellten und die Produkte in die internationalen Lieferketten einbeziehen müssten, warnte Scholz.

Ein ungeregelter Brexit wäre aber besonders für Großbritannien die schlechteste Lösung. „Wenn man eine neue Grenze zieht zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU, wirkt sich das natürlich aus. Wichtig ist jetzt, dass wir einen Vertrag hinbekommen, der diese Auswirkungen begrenzt.“

Großbritannien soll am 29. März 2019 aus der EU austreten. Seit einer Woche liegt ein Austrittsvertrag vor. Über letzte Änderungen will Premierministerin Theresa May am Samstag in Brüssel verhandeln, bevor sich die EU-Staats- und Regierungschefs damit befassen.

Angesichts des starken Widerstands in ihrer eigenen Partei und bei der Opposition im Unterhaus ist fraglich, ob May die notwendige Zustimmung erhält. Versagt das Parlament die Zustimmung, droht ein ungeordneter Brexit.

Umsichtigen Umgang mit Italien gefordert

Im Haushaltsstreit zwischen Italien und der Europäischen Kommission fordert Scholz umsichtiges Handeln. Eine Regierung, deren Staatsverschuldung 130 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht habe, müsse vorsichtig agieren, so Scholz.

Er verteidigte die harte Haltung der EU-Kommission, die Italien die Einleitung eines Defizitverfahrens in Aussicht gestellt hatte. „Die Vorschläge der EU-Kommission in Richtung Italien sind sachgerecht. Es ist konsequent, jetzt die nächsten Schritte zu gehen.“

Zugleich äußerte er Verständnis für einen Teil der von der Regierung in Rom geplanten Maßnahmen. Nicht alle Ideen der italienischen Regierung seien falsch. „Etwa die Forderung nach einer Absicherung gegen Langzeitarbeitslosigkeit ist nachvollziehbar: Eine solche Sicherung gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen EU-Ländern längst.“

Allerdings sei klar, dass eine Regierung mit einer so hohen Schuldenlast mit Augenmaß agieren müsse und nicht alle Projekte gleichzeitig auf den Weg bringen könne. Die Regierung in Rom hatte am Donnerstag bekräftigt, im Streit mit der Kommission trotz möglicher Strafen wegen eines zu hohen Haushaltsdefizits nicht einlenken zu wollen.

Sein Land werde dem Druck nicht nachgeben, sagte Vize-Regierungschef Matteo Salvini von der rechten Partei Lega. Auch der Chef der mitregierenden Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, betonte, es werde keine Korrektur am Haushaltsplan vor der Europawahl im Mai 2019 geben. Danach werde es in einigen EU-Ländern mehr Schwung geben, „die Regeln in diesem Spiel“ zu verändern.

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch auch den nachgebesserten Budgetentwurf aus Rom für 2019 wegen zu hoher Ausgaben abgelehnt und eine Strafe in den Raum gestellt, die sich auf bis zu 3,4 Milliarden Euro summieren könnte.

Finanzminister gegen rasche Soli-Abschaffung

Scholz sprach sich gegen eine völlige Abschaffung des Solidaritätszuschlags noch in dieser Legislaturperiode aus. Eine entsprechende Forderung erhebt unter anderem etwa der Wirtschaftsflügel des Koalitionspartners Union. „Dieser Vorschlag ist nicht gerecht“, sagte Scholz.

Vereinbart hat die Koalition, den Soli für 90 Prozent derer abzuschaffen, die ihn heute zahlen müssen. Dies bedeute Mindereinnahmen von zehn Milliarden Euro pro Jahr, sagte Scholz. „Wenn man den Soli für die übrigen zehn Prozent streichen würde, kostet dies abermals fast zehn Milliarden Euro. Unter denen sind also Steuerzahler, die sehr hohe Summen verdienen, auch einige Politiker.“

Der Soli ist auch juristisch umstritten, weil er immer noch mit der Finanzierung der Deutschen Einheit begründet wird. Dennoch sagte Scholz: „Ich sehe keine verfassungsrechtlichen Probleme.“ Über den Bundeshaushalt für das kommende Jahr stimmt der Bundestag an diesem Freitag abschließend ab. Die große Koalition will unter anderem mehr Geld für Soziales, Familien, Verteidigung und Entwicklungshilfe ausgeben.

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