Haushaltsstreit Italiens Regierung erhebt schwere Vorwürfe gegen EU

Innenminister Salvini macht EU-Kommissionspräsident Juncker und Haushaltskommissar Moscovici für die finanzielle Situation in Italien verantwortlich.

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Italien: Regierung erhebt schwere Vorwürfe gegen die EU Quelle: AP

Mailand/Rom Italiens Regierung hat im Streit um ihre Haushaltplanung die EU scharf angegriffen. Menschen wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hätten Europa und Italien „ruiniert“, sagte Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini am Freitag vor Journalisten in Rom.

Vize-Ministerpräsident Luigi Di Maio betonte, er werde eher die Interessen der Italiener verteidigen als sich den Zwängen der Finanzmärkte zu beugen. Dort war die Furcht vor einer neuen Schuldenkrise aufgekommen, weil Italiens populistische Koalition eine höhere Neuverschuldung als bisher in Kauf nimmt.

Die Regierung will mit dem Geld kostspielige Wahlversprechen umsetzen, stieß damit aber auf Kritik der EU-Kommission. Insidern zufolge rief der Budget-Entwurf auch EZB-Präsident Mario Draghi auf den Plan. Italien senkte unterdessen die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr.

Die Märkte seien zwar wichtig, sagte Di Maio im TV-Sender RAI3. „Aber wenn ich mich zwischen dem Risikoaufschlag für italienische Staatsanleihen und dem italienischen Volk entscheiden muss, wähle ich das italienische Volk“, sagte er mit Blick auf höhere Kosten für die Geldbeschaffung an den Finanzmärkten. Bei hohen Schulden eines Landes verlangen Gläubiger einen Ausgleich für das Risiko, das sie mit der Kreditvergabe eingehen. Damit wird es wiederum für das Land teurer, sich an den Finanzmärkten frisches Geld zu beschaffen.

Um den Etat-Entwurf ging es einem Insider zufolge auch bei einer Begegnung von EZB-Präsident Draghi mit dem italienischen Präsidenten Sergio Mattarella am Montag. Die Zeitungen „La Repubblica“ und „La Stampa“ berichteten von einem Treffen am Mittwoch, bei dem es um negative Marktreaktionen gegangen sei. Eine Stellungnahme des Präsidialamts in Rom lag zunächst nicht vor. Die EZB lehnte es ab, sich zu äußern.

Die Regierung aus Di Maios populistischer 5-Sterne-Bewegung und der rechten Lega war auf Konfrontationskurs mit der EU gegangen, weil sie für 2019 mit 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung eine drei Mal so hohe Neuverschuldung einplant wie die vorherige Mitte-Links-Regierung.

Italien sitzt schon jetzt auf einem Schuldenberg von rund 131 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – mehr als doppelt so viel wie in der EU erlaubt. Mehr Schulden hat dort nur das mit Milliardenkrediten gestützte Griechenland. Die EU-Kommission muss bis Ende des Monats ihre Haltung zum italienischen Haushalt erklären. Sie pocht in Rom auf eine strengere Haushaltsdisziplin.

Unterdessen wurden am Freitag aus der aktualisierten Etat-Planung weitere Details bekannt. So kalkuliert die Regierung mit 1,8 Prozent auch für 2018 ein höheres Haushaltsdefizit ein als die Vorgänger-Koalition, die 1,6 Prozent prognostiziert hatte. Der Schuldenstand soll sich dieses Jahr auf 130,9 Prozent belaufen und in den kommenden Jahren sinken: 2019 auf genau 130, 2020 auf 128,1 und 2021 auf 126,7 Prozent.

Beim Wirtschaftswachstum zeigt sich die italienische Regierung pessimistischer: Die Leistung werde in diesem Jahr voraussichtlich um 1,2 Prozent zunehmen. Bisher war man in Rom von 1,5 Prozent ausgegangen. Für das kommende Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent angestrebt. In den Jahren darauf solle das BIP dann um 1,6 und 1,4 Prozent steigen, erklärte Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria am Donnerstag in einem Brief an die EU-Kommission. Er warb darin um einen „offenen und konstruktiven Dialog“.

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