Heimlichtuerei vorm Fiskus Das Steuergeheimnis im internationalen Vergleich

In Deutschland gilt das Steuergeheimnis als Teil des "allgemeinen Persönlichkeitsrechts". International genießt es mancherorts Verfassungsrechte, anderswo ist es eine Farce.

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Schließfach in einer Bank Quelle: dpa

In Deutschland hat das Steuergeheimnis einen hohen Rang. Zwar ist das Steuergeheimnis nur in der Abgabenordnung geregelt, einem Steuergesetz, und habe anders als das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nicht den Rang eines Grundrechts, heißt es in einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages. Jedoch trage es „in erster Linie verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung“, insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Dieses Recht ist Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das durch das Grundgesetz geschützt wird“, so die Wissenschaftler. Weiter kommen die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zu dem Schluss: „Eine Abschaffung des Steuergeheimnisses wäre mithin aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig.“ Durch die Studie gerät die mutmaßliche Praxis, in einigen Fällen prominente Steuerbürger mit Indiskretionen unter Druck zu setzen, weiter ins Zwielicht. 

Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages haben sich auch mit dem Steuergeheimnis und ihren  rechtlichen Grundlagen in anderen Ländern beschäftigt. Dazu zählen Österreich, Schweden, die Schweiz und die USA. Nachfolgend eine Darstellung der wesentlichen Ergebnisse:

In Österreich ist das Steuergeheimnis mit vergleichbarem Inhalt wie in Deutschland in § 48a Bundesabgabenordnung (BAO) als „Verpflichtung zur abgabenrechtlichen Geheimhaltung“ verankert. Eine strafbare Verletzung dieses Steuergeheimnisses begeht, wer als (ehemaliger) Beamter der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen, die ihm ausschließlich durch seine Beamtenstellung bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet. Wie auch in Deutschland stellt das Steuergeheimnis in Österreich das Gegenstück zu den uneingeschränkten Offenlegungs- und Wahrheitspflichten des Steuerpflichtigen gegenüber den Steuerbehörden dar. Das Steuergeheimnis gilt auch für andere Personen (z.B. Sachverständige), die durch ihre Tätigkeiten Einblick in Steuerakten bekommen.

Auskunft an Krankenkassen

Vom grundsätzlich geltenden Steuergeheimnis sind jedoch Ausnahmen geregelt. So gilt in Österreich das Steuergeheimnis beispielsweise nicht, wenn die Verwertung der Information der Durchführung eines Steuerverfahrens dient, wenn sie aufgrund einer gesetzlichen Anzeigepflicht oder im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist oder wenn ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen nicht vorliegt bzw. dieser ausdrücklich zustimmt (vgl. § 48a Abs. 4 BAO). Ferner bestehen Auskunftspflichten der Finanzbehörden gegenüber anderen Behörden. Nach § 48b BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, den Gebietskrankenkassen bestimmte Informationen über versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (insbesondere im Zusammenhang mit der Sozialversicherungspflicht von freien Dienstverträgen), die ihnen im Zuge ihrer Prüfungstätigkeit bekannt werden, mitzuteilen. Darüber hinaus sind die Finanzbehörden berechtigt, die zuständigen Behörden von Übertretungen arbeitsrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher, gewerberechtlicher und berufsrechtlicher Vorschriften zu verständigen.

Schwedischer Steuerkalender

Steuerhinterziehung: Vom Kavaliersdelikt zum Verbrechen
Die schweizer Flagge vor einer Bank Quelle: dpa
Ein Bild vom 11. September 2001 Quelle: REUTERS
Hans Eichel Quelle: REUTERS
Schweizer Käse Quelle: AP
Klaus Zumwinkel Quelle: dpa
Das Logo der UBS Quelle: dapd
Schweizer Fahne auf einer CD Quelle: dpa

Für alle Regionen in Schweden werden Steuerkalender („taxeringskalender“) veröffentlicht. Die Listen beinhalten neben Name und Adresse der Steuerbürger das Erwerbseinkommen, die Kapitaleinkünfte und Angaben über das Vermögen. Angaben über Kapitaleinkünfte und Vermögen werden allerdings nur dann veröffentlicht, wenn diese eine gewisse Höhe übersteigen. Für Kapitaleinkünfte betrug die zur Veröffentlichung notwendige Mindesthöhe nach den „Taxeringsoch förmögenhetskalender för Östergötlands län 2008“ bei Frauen 125.000, bei Männern 175.000 Schwedische Kronen (SEK). Daraus ergeben sich bei Zugrundelegung eines Wechselkurses von 1 Euro zu 8,6 SEK Werte in der Größenordnung von 15.000 bzw. 20.000 Euro. Die für eine Veröffentlichung notwendige Mindesthöhe des Vermögens betrug nach den „Taxerings – och förmögenhetskalender för Östergötlands län 2008“ bei Alleinstehenden 1.500.000 SEK, bei Eheleuten mit Kindern 3.000.000 SEK. Auch die schwedischen Kapitalgesellschaften („Aktiebolag“) werden in den Steuerkalendern aufgeführt. 

Abgleich zwischen den Behörden

Dennoch werden auch in Schweden die Steuerangelegenheiten grundsätzlich durch ein Steuergeheimnis von genereller Offenbarung geschützt. Regelungen hierzu finden sich im Geheimhaltungsgesetz („Sekretesslag“) von 1980. Danach gilt generelle Geheimhaltung für diejenigen Angaben, die die wirtschaftliche und persönliche Situation einer Person betreffen (Kapitel 9 § 1 Abs. 1 Geheimhaltungsgesetz). Dabei müssen diese Angaben innerhalb eines behördlichen Prozesses, der auf die Ermittlung von Steuern bzw. die Veranlagung oder auch die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abzielt, verwendet werden. Trotz grundsätzlichem Steuergeheimnis gibt es zahlreiche Durchbrechungen. So sind beispielsweise ausdrückliche Durchbrechungsmöglichkeiten des Steuergeheimnisses zum Zwecke der Strafverfolgung geregelt. Von besonderer Bedeutung für eine Durchbrechung des schwedischen Steuergeheimnisses ist ferner, dass alle Behörden Zugang zu den Angaben in den behördlichen Personenregistern haben. Auf diese Weise könne überprüft werden, ob Bürger bei verschiedenen Behörden unterschiedliche Angaben gemacht haben. Die Behörden haben auch Zugriff auf private Datensammlungen, etwa die der Arbeitgeber. Hierzu schrieb der Steuerrechtswissenschaftler Klaus Tipke, dass das Interesse der Allgemeinheit im „Rechtsstaat Schweden“ vor dem Persönlichkeitsschutz, insbesondere vor dem Schutz der „kriminellen Persönlichkeit“ rangiere. Dieses Informationsrecht der Allgemeinheit führt ebenfalls dazu, dass jeder Bürger Dokumente der öffentlichen Körperschaften etwa zur Überprüfung einsehen darf und außerdem Steuerlisten veröffentlicht werden (s.o.).

Eidgenössische Verschwiegenheit

Das Steuergeheimnis genießt in der Schweiz einen besonders hohen Stellenwert. Es wird daher in diesem Sinne als „qualifiziertes Amtsgeheimnis“ bezeichnet. Die Geheimhaltungspflicht ist im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) unter Art. 110 geregelt. Danach sind alle diejenigen, die „mit dem Vollzug des Gesetzes betraut [...] oder dazu beigezogen“ werden, zur Geheimhaltung von Tatsachen verpflichtet, die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt werden. Darüber hinaus gilt für denselben Personenkreis eine Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf Verhandlungen innerhalb der Behörde. Dritten darf in diesem Zusammenhang keine Einsicht in amtliche Akten gewährt werden. Eine Auskunft kann aber dennoch zulässig sein, sofern sich dies aus einem Bundesgesetz ergibt (vgl. Art. 110 Abs. 2 DBG). Daneben findet sich im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) eine ähnliche gesetzliche Regelung, wonach alle mit dem „Vollzug der Steuergesetze betrauten Personen“ Geheimhaltung zu wahren haben (Art. 39 Abs. 1 StHG).

Kantonale Unterschiede

Steuerhinterzieher im Ausland
Noch ist nicht sicher, ob und wie sich die Bedingungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige in Deutschland in den nächsten Monaten verändern werden. Doch in manchen Fällen muss ein Steuersünder nicht nur dem deutschen Fiskus, sondern auch Finanzbehörden im Ausland Rechenschaft ablegen. Welche Regeln dabei zu beachten sind, hat Rechtsanwalt Tom Offerhaus, Partner der Steuerberatungsgesellschaft WTS Group, in einer Studie zusammengefasst. Diese ist im Elitebrief erschienen.Quelle: Elitebrief Quelle: dpa
BelgienSteuerliche und strafrechtliche KonsequenzenDie Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung beträgt sieben Jahre, Steuererhöhungen liegen zwischen 10 und 200 Prozent. Es drohen Geld- und Haftstrafen bis zu fünf Jahren und eine Anklage wegen Geldwäsche unabhängig von der Verjährungsfrist. Banken haben Anzeigepflichten gemäß der 3. EU-Geldwäsche-Richtlinie.Regelungen zur Selbstanzeige Bis zum 31.12.2013 gab es die Möglichkeit zur Selbstanzeige. Es wurden Geldstrafen in Höhe einer zusätzlichen Steuer von 15 Prozent für einen 7-Jahreszeitraum fällig sowie ein pauschaler Steuersatz in Höhe von 35 Prozent auf das steuerlich noch nicht verjährte Vermögen. Seit dem 1. Januar 2014 sind keine Selbstanzeigen mehr möglich. Ab 2014 wird eine vollständige steuer- und strafrechtliche Verfolgung erwartet. Quelle: dpa
ChinaSteuerliche und strafrechtliche KonsequenzenDie Besteuerung wird neu festgesetzt. Es droht eine Geldstrafe – nicht unter 50 Prozent und nicht mehr als der fünffache Betrag der nicht oder zu wenig entrichteten Steuer. Zudem kann es zu einer Haftstrafe kommen, wenn der Steuerzahler aktiv und vorsätzlich mittels bestimmter Maßnahmen Steuern hinterzieht.Regelungen zur Selbstanzeige Bei freiwilliger Nacherklärung ist eine Reduzierung der Strafe möglich, bei geringeren Vergehen auch eine Straffreiheit. Quelle: rtr
DänemarkSteuerliche und strafrechtliche KonsequenzenDas Einkommen wird um das Einkommen, auf das Steuern hinterzogen wurden, erhöht. Es droht eine Geldstrafe – abhängig von der Höhe der hinterzogenen Steuern sowie subjektiven Elementen in Höhe des halben, vollen oder doppelten Steuerhinterziehungsbetrags. Möglich ist auch eine Haftstrafe von bis zu acht Jahren.Regelungen zur Selbstanzeige Steuerhinterziehung verjährt bei einem Betrag von weniger als 500.000 Dänischen Kronen nach fünf Jahren, bei höheren Beträgen nach zehn Jahren. Straffreiheit ist möglich bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz, sofern höchstens 100.000 Dänische Kronen hinterzogen wurden. Ein Vergleich oder eine Haftstrafe ohne oder mit Bewährung ist abhängig von der hinterzogenen Steuer. Quelle: dpa
DeutschlandSteuerliche und strafrechtliche KonsequenzenEs müssen die Steuerbescheide der letzten zehn Jahre verändert werden. Die hinterzogene Summe muss nachgezahlt werden, hinzu kommen sechs Prozent Zinsen pro Jahr. Es droht eine Geldstrafe sowie eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen auch zehn Jahre.Regelungen zur Selbstanzeige Die Zahlung der resultierenden Steuer zuzüglich Zinsen sowie gegebenenfalls einer zusätzlichen Gebühr von fünf Prozent bei hinterzogenen Steuern von mindestens 50.000 Euro für eine strafbare Handlung (zum Beispiel eine falsche Steuererklärung) kann zur vollständigen Straffreiheit führen. Quelle: dpa
EstlandSteuerliche und strafrechtliche KonsequenzenZinserträge von Banken der EWR-Länder sind einkommensteuerfrei. Pro Tag werden 0,06 Prozent Zinsen fällig. Neben einer Geldstrafe droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.Regelungen zur Selbstanzeige Es existieren keine Vorschriften zur Selbstanzeige. Steuerhinterziehung verjährt nach fünf Jahren. Die Selbstanzeige wirkt als strafmildernder Umstand bei Bestimmung der Geldstrafe. Quelle: dpa
FrankreichSteuerliche und strafrechtliche KonsequenzenDie Steuerschuld wird neu festgesetzt. Zusätzlich werden pro Monat Zinsen in Höhe von 0,4 Prozent fällig. Hinzu kommen Strafzahlungen von 40 oder 80 Prozent plus – bei Nichtoffenlegung des ausländischen Kontos - 1.500 beziehungsweise 10.000 Euro oder fünf Prozent, falls der Saldo mehr al 50.000 Euro beträgt. Es droht eine Geldstrafe von 500.000 bis 1.000.000 Euro sowie eine Haftstrafe von fünf bis sieben Jahren.Regelungen zur Selbstanzeige Die Reduzierung der Geldbußen oder -strafen hängt von der Eigenschaft als passiver Steuerzahler (Schenkung, Erbschaft) oder aktiver Steuerzahler ab. Strafzahlungen können sich um 15 oder 30 Prozent reduzieren, Geldstrafen um 1,5 oder drei Prozent. Verjährung: Einkommensteuer 2006, Vermögensteuer 2007,Geldstrafe 2009. Quelle: AP

Auch in der Schweiz existieren sogenannte Steuerregister. Ob auch Dritte die Möglichkeit haben, die Steuerregister einzusehen, ist hierbei von der Rechtsprechung des jeweiligen Kantons abhängig. Einige Kantone veröffentlichen ihre Steuerregister, wobei die Veröffentlichung meist zeitlich begrenzt ist. Dritten gegenüber werden dabei generell nur sogenannte Steuerfaktoren mitgeteilt. Hierbei handelt es sich um das steuerbare Einkommen/Vermögen bei natürlichen Personen bzw. den steuerbaren(-es) Ertrag/Kapital bei juristischen Personen. Daneben dürfen in vielen Kantonen zudem Auskünfte erteilt werden, wenn der Steuerpflichtige der Auskunftserteilung zustimmt. Darüber hinaus ist eine Auskunft zulässig, wenn dies durch ein Gesetz ermöglicht wird oder ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Auskunft besteht. Die Ausnahmetatbestände sind in den einzelnen Kantonen unterschiedlich geregelt.

USA: Ja aber

In den USA wird das Steuergeheimnis durch die Basisvorschrift des Internal Revenue Code (IRC) § 6103 geregelt. Die Regelung basiert auf dem sogenannten Recht auf „privacy“, das im Verlauf der Rechtsgeschichte in den USA aus den Regelungen der „Bill of Rights“ entwickelt wurde. Zwar war eine generelle Stärkung des Schutzes persönlicher Informationen durch die in den Jahren 1975 und 1976 eingeführten Gesetze zum „Privacy Act“ und „Tax Reform Act“ bereits erreicht worden. Dennoch war die Einführung einer Regelung, die speziell den Geheimnisschutz steuerlicher Daten kodifizierte, erforderlich. Dies führte zum genannten IRC § 6103. Nach dieser Regelung sind die Informationen aus den „returns“ vertraulich zu behandeln. Dennoch enthält die Regelung eine Reihe von Durchbrechungsmöglichkeiten, wodurch die Regelung in ihrer Struktur dem deutschen § 30 AO ähnelt. Im Vergleich zu Deutschland lässt sich feststellen, dass auch in den USA das Steuergeheimnis zwar seinen Ursprung im „privacy Recht“ hat, jedoch nur einfachgesetzlich geregelt ist.

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