Hilfsgelder für Griechenland Heikle Finanzspritze für Tsipras

Die Euro-Finanzminister wollen an diesem Montag eine neue Finanzspritze für Athen bewilligen. Aber auch Schuldenerleichterungen und damit neuer Druck der Geldgeber stehen an – für Premier Tsipras ein heikles Manöver.

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Der griechische Ministerpräsident hat der Bevölkerung versprochen, sein Land vom Druck der Gläubiger zu lösen. Quelle: dpa

Athen Lange galt Griechenland als größtes Sorgenkind der Euro-Zone. Athen sträubte sich gegen die geforderten Reformen, das Land kam trotz immer neuer Milliardeninfusionen nicht auf die Beine. Aber jetzt sind die Geldgeber voll des Lobes. Die griechische Wirtschaft wächst wieder, wenn auch nur auf niedrigem Niveau.

Doch ausgerechnet Premierminister Alexis Tsipras, der einstige Rebell, setzt inzwischen die Vorgaben der Gläubiger folgsamer um als alle seine Vorgänger. Mit Tsipras und seinem Finanzminister Euklid Tsakalotos sei „fast alles viel leichter geworden“, lobt Jeroen Dijsselbloem, der frühere Chef der Euro-Gruppe.

Dass die Athener Regierung jetzt mitspielt, ist kein Wunder. Schließlich kann Tsipras in Kürze die Früchte der jahrelangen Sparpolitik ernten: Ende August lockt endlich der Ausstieg aus den mehr als acht Jahre zuvor auf den Weg gebrachten Anpassungsprogrammen. Mit der Verabschiedung eines weiteren Reform- und Sparpakets hat Griechenland vor einer Woche eine weitere Hürde genommen. Damit kann die Euro-Gruppe an diesem Montag eine weitere Kreditrate bewilligen.

Es geht um 6,7 Milliarden Euro. Davon sollen 5,7 Milliarden in der zweiten Februarhälfte fließen. Die restliche Milliarde wollen die Finanzminister bis Mitte April zurückhalten. Bis dahin muss Athen weitere Reformschritte umsetzen. Von den jetzt bereitgestellten 5,7 Milliarden sind 3,3 Milliarden für die Refinanzierung fälliger Anleihen, für Zinsen und die Tilgung von Krediten bestimmt. 500 Millionen soll Athen dafür verwenden, offene Rechnungen bei Lieferanten und Dienstleistern zu begleichen, vor allem im staatlichen Gesundheitswesen.

Die restlichen 1,9 Milliarden der Februar-Rate fließen in den Aufbau eines Liquiditätspuffers. Athen will in den nächsten Monaten eine Cash-Reserve von 18 bis 19 Milliarden Euro aufbauen. Diese Rücklage wird teils mit noch ausstehenden Kreditraten aus dem laufenden Rettungspaket, teils mit eigenen Mitteln gebildet. Gut sechs Milliarden hat Finanzminister Tsakalotos bereits auf die hohe Kante gelegt. Mit zwei oder drei Gängen an den Kapitalmarkt will er in den kommenden Monaten das Liquiditätskissen weiter aufpolstern.

Die erste Emission könnte bereits in den nächsten Tagen erfolgen. Im Gespräch ist eine siebenjährige Anleihe im Volumen von rund drei Milliarden Euro. Die Voraussetzungen sind günstig, nachdem die Rendite des zehnjährigen Hellas-Bonds im Januar auf den niedrigsten Stand seit zwölf Jahren fiel. Die Ratingagentur Standard & Poor’s setzte Griechenlands Kreditwürdigkeit am vergangenen Freitag um eine Stufe von B- auf B herauf. Damit bewertet die Agentur staatliche griechische Schuldpapiere zwar immer noch als Ramsch, aber der auf „positiv“ gesetzte Ausblick lässt in den nächsten Monaten eine weitere Heraufstufung erwarten.

Die geplanten Emissionen und der Aufbau des Liquiditätspolsters sollen Griechenlands Rückkehr an den Markt flankieren. Nach dem Ende des Anpassungsprogramms am 20. August will sich das Land vom Tropf der Hilfskredite lösen und wieder selbst am Kapitalmarkt refinanzieren. Eine Rücklage von 18 bis 19 Milliarden Euro würde den Finanzbedarf des Landes für 18 bis 24 Monate nach dem Programmende decken und somit den Druck verringern.

Ein gutes Vorzeichen ist auch, dass Griechenland die zur Verfügung stehenden Hilfsgelder gar nicht in vollem Umfang benötigen wird. Das dritte, im Sommer 2015 geschnürte Rettungspaket sah Darlehen von bis zu 86 Milliarden Euro vor. Davon wurden bisher erst 40,2 Milliarden ausgezahlt. Einschließlich der an diesem Montag bewilligten und weiterer Kreditraten wird Athen bis zum Programmende voraussichtlich weniger als 60 Milliarden abrufen.

Was mit dem überschüssigen Geld geschehen könnte, ist noch nicht entschieden. Es gibt Überlegungen, mit einem Teil der Mittel Griechenland-Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf den Euro-Stabilitätsmechanismus ESM zu übertragen. Das würde Athen beim Schuldendienst entlasten. Die IWF-Kredite sind mit bis zu fünf Prozent Zinsen deutlich teurer als die ESM-Darlehen und müssen bereits in den nächsten Jahren zurückgezahlt werden. Aus diesem Grund dürfte Athen auch kein Interesse daran haben, dass sich der IWF doch noch finanziell an dem laufenden Programm beteiligt. Denn inzwischen kann sich Finanzminister Tsakalotos Geld sogar auf dem Kapitalmarkt günstiger besorgen.

Ob eine Umschuldung von IWF-Krediten auf den ESM allein ausreicht, ist aber strittig. Griechenlands Staatsschulden werden nach Berechnungen des Athener Finanzministeriums von 318,3 Milliarden Euro Ende 2017 bis zum Ende dieses Jahres auf 332 Milliarden Euro wachsen. Die Schuldenquote wird von 178,6 auf 184,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Viele Volkswirte halten Schulden in dieser Größenordnung für nicht tragbar.

Schuldenerleichterungen wie nochmals verlängerte Laufzeiten, zusätzliche tilgungsfreie Jahre und dauerhaft niedrige Zinsen würden zwar die Rückkehr des Landes an den Kapitalmarkt erleichtern. Sie sind aber politisch heikel. In den meisten Euro-Staaten dürften weitere Zugeständnisse an Griechenland innenpolitisch kaum durchsetzbar sein.

Auch Tsipras steckt in einem Dilemma: Einerseits fordert er seit Jahren Schuldenerleichterungen. Andererseits weiß er, dass die zwangsläufig mit neuen fiskalischen Vorgaben und Reformauflagen einhergehen werden. Tsipras dürfte Schwierigkeiten haben, das seinen Landsleuten zu erklären. Schließlich erzählt er ihnen seit Monaten, dass sich Griechenland im August für immer aus der Vormundschaft der Gläubiger befreien wird.

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