Historische Entscheidung Trump und der gordische Knoten von Jerusalem

Donald Trump will seinem Ruf als Macher gerecht werden. Kurz vor Weihnachten bricht er das fragile Gleichgewicht der Kräfte im Nahen Osten auf und erkauft sich so einen politischen Sieg in der Heimat. Ob der auch Frieden bringt, ist mehr als fraglich.

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San Francisco Mike Pence wird die Kartoffeln aus dem Feuer holen müssen. Wortlos stand der US-Vize-Präsident am Mittwoch in Washington halb verdeckt hinter US-Präsident Donald Trump, als der wie erwartet Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte und eine entsprechende Anordnung unterzeichnete. In den nächsten Tagen, so Trump, werde Pence in die Region reisen.

Trump hat versprochen und gehalten. Das hebt er an diesem historischen Tag im Weißen Haus hervor. Andere US-Präsidenten vor ihm hatten schon versprochen, die Jerusalemfrage zu lösen, aber dann nichts unternommen. Schon Präsident Truman hatte vor 70 Jahren Jerusalem anerkannt. Ein 1995 vom Kongress verabschiedetes Papier, Jerusalem zur Hauptstadt zu erklären, wie die israelische Regierung es immer verlangt hat, wurde niemals umgesetzt. Trump macht es jetzt einfach und demonstriert damit vor allem seiner konservativen und evangelischen Kernwählerschaft, dass er seine Versprechen einhält. Daran gab es zuletzt auch unter treuesten Trump-Fans immer mehr Zweifel.

Die Grundlinie von Trumps Vorstoß ist schnell erklärt: Er sieht es einfach als Anerkennung „der Realität“ an und der Tatsache geschuldet, dass Jahrzehnte der immer gleichen Politik die Region einem Frieden nicht einen Schritt nähergebracht hätten. Trump verlangte jetzt „offene Augen und frische Ansätze“. Den gordischen Knoten von Jerusalem hat er einfach zerschlagen und sieht den Schritt als nötigen Neuanfang. Zum Abschluss der „Aktion Jerusalem“ werden 86 Staaten ihre Botschaft in Tel Aviv haben und nur die USA ihre in Jerusalem. Zahlreiche Staaten, darunter Deutschland, hatten große Sorgen wegen des amerikanischen Alleingangs geäußert – zuletzt auch der Papst.

Die Friedensbemühungen in der Region bringt das erst einmal nicht weiter. Deshalb muss Pence jetzt die Position vermitteln. Er wird vom 17. bis zum 19. Dezember nach Israel reisen und auch vor dem Parlament Knesset reden. Doch kann er noch vermitteln oder würde er nur noch mehr Öl ins Feuer gießen? Viele Beobachter in Washington zweifeln an der Vermittlungsfähigkeit der US-Regierung. Mit dieser einseitigen Stellungnahme für die israelische Seite würden die USA als Vermittler immer unglaubwürdiger.

Dabei versuchte Trump in seiner Elf-Minuten-Rede die Einseitigkeit der Entscheidung abzumildern: „Die USA werden weiter eine Zweistaatenlösung unterstützen“, versprach er, und „wir nehmen keinen Einfluss auf die Grenzen von Jerusalem oder Israel. Das ist Aufgabe der betroffenen Seiten.“ Damit bleibt zumindest theoretisch die Tür offen für eine Teilung der Stadt und ein Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines legitimen palästinensischen Staates.

Umgehend forderte das US-Konsulat in Israel US-Staatsbürger und Diplomaten auf, in den nächsten Tagen das Westjordanland und den Gazastreifen zu meiden, sowie die Altstadt von Jerusalem. Es wird mit mehrtägigen Unruhen gerechnet. Das Vorhaben Trumps ist zwar seit Tagen bekannt. Aber alle hatten auf seine tatsächlichen Worte und ihre Interpretationen gewartet. Es dürfte eine lange Nacht in Israel werden.

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