Historisches Treffen Das koreanische Gipfeltreffen setzt Trump unter Zugzwang

Das Treffen zwischen Moon und Kim nährt die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden in Korea. Allerdings hat deren Vereinbarung eine große Schwäche.

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Nach dem Treffen der koreanischen Machthaber könnten Trumps Maximalforderungen im Atomkonflikt wanken. Quelle: AP

Goyang Erst die Unterschriften, dann ein Händedruck – und auf einmal war der innerkoreanische Gipfel um eine weitere Überraschung reicher. Wie lange getrennte Brüder umarmten sich Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Nordkoreas Führer Kim Jong Un und tauschten Wangenküsse aus, nachdem sie die mit Spannung erwartete „Panmunjom-Deklaration für Frieden, Wohlstand und Vereinigung der koreanischen Halbinsel“ unterzeichnet hatten.

Die Botschaft der beiden koreanischen Landesführer war so klar wie die Präambel der gemeinsamen Erklärung, die Moon kurz darauf dem Volk live im Fernsehen referierte: „Die beiden Führer erklären feierlich vor 80 Millionen Koreanern und der ganzen Welt, dass es keinen Krieg mehr auf der koreanischen Halbinsel geben wird und das damit eine neue Ära des Friedens begonnen hat.“

Natürlich rief die zur Schau gestellte Verbrüderung des demokratischen Südens und der Diktatur im Norden auch Proteste extrem rechter Kreise hervor. Aber die meisten Südkoreaner scheinen die Gesten und Worte in der gemeinsamen Sicherheitszone Panmunjom 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt tief bewegt zu haben.

Selbst im der Redaktion der Moon-kritischen konservativen Tageszeitung Chosun Ilbo hätten einige Redakteure applaudiert, berichtet ein Journalist. In anderen Büros sollen sogar Tränen der Rührung geflossen sein.

Sogar Trump gratulierte – auf seine Art. „DER KOREA-KRIEG GEHT ZU ENDE!“, twitterte er in Großbuchstaben. „Die Vereinigten Staaten und alle ihre GROSSARTIGEN Menschen sollten sehr stolz auf das sein, was jetzt in Korea passiert!“ Dieses Mal reklamierte er das Ergebnis nicht für sich. Dabei könnte er dieses Mal zu recht beanspruchen, mit seiner Politik wirtschaftlicher Sanktionen und militärischen Drucks einen großen Anteil am Gipfelerfolg zu haben.

Kühle Analytiker der geopolitischen Lage können die Rührung und das präsidiale Lob allerdings verstehen. „Die Deklaration geht definitiv weit darüber hinaus, was die viele Experten vorhergesagt haben“, meint Lee Seong-hyon, Sicherheitsexperte am Sejong Institute, einem renommierten südkoreanischen Thinktank. „Dies ist ein Meilenstein, der den Weg für einen Gipfel zwischen Trump und Kim ebnet.“

Tatsächlich hatte auch der Initiator Moon den Gipfel nur als Vorbereitung für den eigentlichen entscheidenden Gipfel geplant. Bis Anfang Juni wollen Trump und Kim an einem noch unbekannten Ort über die Zukunft von Nordkoreas Atomwaffenprogramm verhandeln.

Der Einsatz ist dabei hoch: Einigen sie sich auf einen Deal, wächst die Aussicht auf dauerhaften Frieden. Scheitert ihr Gipfel, droht wie im vorigen Jahr die Krise wieder zu eskalieren. Das Risiko eines bewaffneten Konflikts könnte dann wieder rasch steigen, warnen viele Experten.

Das Problem: Noch liegen die öffentlichen Verhandlungspositionen weit auseinander. Trump fordert einen kompletten, überprüfbaren, unwiderruflichen und vor allem schnellen Abbau von Kims Atomwaffen- und dessen Raketenprogramm. Die Sanktionen will er erst erleichtern, wenn Kim abgerüstet hat.

Kim hingegen wird nach Meinung von vielen Experten lediglich eine langsame, schrittweise Abrüstung vorschlagen und handfeste Sicherheitsgarantien und Wirtschaftshilfe verlangen. Einige argwöhnen sogar, dass er nur Zeit kaufen will, bis Trump nicht mehr Präsident ist, um sein militärische Aufrüstung dann fortzusetzen.

In dieser kritischen Lage setze der innerkoreanische Gipfel nun einen „positiven Ton“ für die eigentlichen Verhandlungen zwischen Kim und Trump über eine Denuklearisierung, meint Sicherheitsexperte Lee.

Man könnte es allerdings auch anders sagen: Kim und Moon setzten mit ihrem minutiös durchchoreografierten Versöhnungsgipfel Trump unter Zugzwang.

Der US-Präsident hat nämlich außer Maximalforderungen noch nicht verraten, welche Gegenleistung er Kim bei einem Einstieg in die nukleare Abrüstung geben soll. Doch nach dieser öffentlichen Schau guten Willens wird es für Trump schwer werden, den geplanten Gipfel wie angedroht platzen zu lassen oder den Verhandlungstisch einfach zu verlassen, wenn ihm das Ergebnis nicht hundertprozentig passt.

Erstens würde er damit den Rückhalt der Militärallianz mit Südkorea in der dortigen Bevölkerung gefährden. Zweitens wäre es fraglich, ob China und andere Staaten wie Russland noch Trumps Politik des maximalen Drucks wie bisher mittragen würde. Und ohne Chinas Mithilfe sind Sanktionen wenig wert.

Chinas Außenministerium formulierte seine Position bereits so: Das positive Ergebnis des Gipfels sei hilfreich für die Aussöhnung und Zusammenarbeit zwischen den koreanischen Staaten, für Frieden und Stabilität auf der Halbinsel und die politische Lösung von Problemen. Die Betonung liegt wohl auf dem Wort „politische“ Lösung.

Auch Russland kündigte prompt an, die beiden Koreas nach Kräften bei Infrastrukturprojekten wie dem Bau von Eisenbahnlinien oder Gas- und Stromleitungen durch Nordkorea zu unterstützen. So viel Unterstützung von wichtigen Mächten für Korea dürfte den Strategen im Weißen Haus zu denken geben.


Die vollmundigen Ziele der Erklärung

Wie geschickt die beiden Koreaner bei ihrer diplomatischen Gratwanderung vorgingen, zeigten erst der Gipfel und dann die Deklaration. Erst überraschte Kim seinen Gastgeber Moon, auch einen Schritt auf nordkoreanischen Boden zu setzen. Dann zogen sich die beiden Landesführer zu einem langen persönlichen Dialog in die wuchernde Natur der entmilitarisierten Zone zurück, die beide Teile seit dem Ende des blutigen Korea-Krieg im Jahr 1953 hermetisch voneinander trennt.

Als weitere Geste der Freundschaft reiste Abends auch noch Kims Frau Ri Sol Ju an, um gemeinsam mit Moon und Südkoreas First Lady zu dinieren. Zum Ausklang des heiteren Abends sahen sich die Paare und geladene Gäste noch ein kurzes Kulturprogramm auf der südkoreanischen Seite von Panmunjom an.

Passenderweise wurde dabei der Versammlungsort, das klotzige Haus des Friedens, in eine Projektionsfläche für die Wiedervereinigungsträume der Koreaner umgewandelt. Erst flackerte eine farbenfrohe Lichtschau über die Fassade, beim Abschied dann noch Bilder des Tages. Anschließend rollte das Ehepaar Kim in seiner schwarzen Mercedes-Stretch-Limousine davon, begleitet von zwölf tapfer mitjoggenden Leibwächtern.

Die Panmunjom-Deklaration wiederum lässt es nicht an vollmundigen Absichtserklärungen fehlen. Beide Landesführer versprechen, die „Blutsbande des Volkes“ wieder zu verbinden und die Zukunft gemeinsamen Wohlstands und einer Vereinigung zu beschleunigen. Die Verbesserung der innerkoreanischen Beziehungen nennen sie die „vorherrschende Sehnsucht des koreanischen Volks und den dringenden Ruf der Zeit, die nicht länger zurückgehalten werden können“.

Dafür wollen sie zuerst Kommunikationskanäle zwischen den Führungen und dem Militärs aufbauen. Sie planen, in der nordkoreanischen Stadt Kaesong ein gemeinsames Verbindungsbüro einzurichten. Außerdem sollen Kontakte auf allen Ebenen erleichtert werden, um den Willen zur nationalen Versöhnung und Einheit zu fördern.

Doch auch an wirtschaftlichen und diplomatischen Versprechen herrscht kein Mangel. Nicht nur erklären sich die beiden Staaten bereit, 2007 vereinbarte, aber nie umgesetzte Infrastrukturprojekte im Norden anzugehen. Sie versprechen sich auch gegenseitig, alle feindlichen Handlungen einzustellen – ohne diese allerdings genauer zu definieren – und alle Punkte der gescheiterten Abkommen künftig zu verwirklichen.

Noch besser lesen sich die Versprechen, die schwer bewachte demilitarisierte Zone in eine Region des Friedens zu verwandeln und ein permanentes Friedensregime aufzubauen. Als einen wichtigen Schritt auf diesem Weg schlagen die beiden Koreas noch in diesem Jahr gemeinsame Gipfeltreffen mit den USA oder gar mit den USA und China vor.

Das wichtigste Problem der USA bleibt ungelöst

Der schwächste Punkt der Vereinbarung ist allerdings ausgerechnet das Problem, das den USA am wichtigsten ist: die Entnuklearisierung. Kim und Moon unterzeichneten lediglich einen Formelkompromiss, der dem Kim-Trump-Gipfel alle Möglichkeiten lässt.

Im letzten Unterpunkt bestätigen beide Seiten „das gemeinsame Ziel, durch eine komplette Denuklearisierung eine atomwaffenfreie koreanischen Halbinsel zu verwirklichen“. Damit verbanden sie Trumps Reizwort der kompletten Denuklearisierung elegant mit Nordkoreas Standardforderung nach einer atomwaffenfreien Zone. Manchmal muss man Diplomaten für ihre Formulierungskünste applaudieren.

Doch bei allen Freudentränen – die lange Geschichte gescheiterter Gipfel und Abkommen sollte die Koreaner daran erinnern, dass auch mit der Panmunjom-Erklärung beileibe noch kein Frieden gewonnen ist. Die gesamte Gipfeldiplomatie kann sich sehr wohl noch als kurze Entspannungsphase in einem schier unendlichen Konflikt entpuppen. Aber Präsident Moon wies auf einen wichtigen Grund für Optimismus hin.

Anders als die früheren Abkommen hat Nordkoreas Führer dieses Mal die Vereinbarung persönlich unterschrieben. Damit kann er nicht einfach sagen, dass ihn das Abkommen, dass seine Untergebenen ausgehandelt haben, nicht bindet. Außerdem können die Unterhändler des Südens nun bei Verhandlungsengpässen ihre Gegenüber darauf hinweisen, dass dies ja der Wille ihres Führers sei.

Das kann zu einem wertvollen Druckmittel in den noch langwierigen und sicherlich frustrierenden Verhandlungen werden. Damit lassen Moon und Kim die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel wieder aufleben. Das ist nach den Kriegsängsten des Vorjahres schon ein großer Erfolg.

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