Historisches Treffen Südkorea entdeckt die freundlichen Seiten von Kim Jong Un

Die Südkoreaner kennen den nördlichen Machthaber fast nur von Fotos. Viele dürften beim historischen Gipfel erstmals seine Stimme gehört haben.

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Seoul Gebannt haben viele Südkoreaner vor dem Fernseher jeden Schritt und Tritt des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un beim Gipfeltreffen in Panmunjom verfolgt. Es gab auch nichts anderes zu sehen – alle Fernsehsender änderten an diesem historischen Freitag ihr Programm und berichteten in Sondersendungen live vom Treffen Kims mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In.

In sozialen Medien kommentierten viele ihre Eindrücke von dem Mann, der ihnen bislang als eine Inkarnation des Bösen präsentiert wurde.

„Ich kann kaum glauben, dass ich die Stimme von Kim Jong Un gehört habe“, schrieb etwa Lee Yeon Su auf Twitter. Sie habe Kim bislang nur als JPG, das ist ein digitales Bildformat, zu sehen bekommen. Das liegt daran, dass die staatlichen nordkoreanischen Medien, die viel Propagandamaterial über Kim verbreiten, in Südkorea blockiert werden.

Nach dem Nationalen Sicherheitsgesetz ist es verboten, sich Zugang zu nordkoreanischen oder Pjöngjang unterstützenden Medien zu verschaffen. Wer es dennoch versucht, muss mit Haftstrafen rechnen.

Nun versuchten viele, sich von den Live-Übertragungen des erst dritten innerkoreanischen Gipfeltreffens seit dem 1953 mit einem Waffenstillstand beendeten Koreakrieg einen detaillierteren Eindruck vom Kim zu verschaffen. Jede Geste, jede Regung des untersetzten Mannes wurde analysiert und kommentiert.

So fiel auf, dass Kim schwer zu atmen schien, als er sich nach dem Erklimmen der Stufen zum Friedenshaus ins Gästebuch eintrug.

„Er geht wohl nicht viel zu Fuß und es schien ihm schwer zu fallen“, beobachtete Cho Jin Joo. Ein solch gewöhnliches Detail helfe ihr, Kim als reale Person wahrzunehmen. „Davor fand ich ihn furchterregend in den Nachrichten, aber heute habe ich ihn menschlicher empfunden.“

„Viele Südkoreaner haben vermutlich zum ersten Mal seine Stimme gehört“, sagte der Journalist Ryu Seok Yu. „Ich fand seine Art zu sprechen freundlich, wie einer, der nebenan wohnt.“

Andere fanden seine Art im offiziellen Teil zu sprechen eintönig, wie jemand, der es gewohnt ist, niemals unterbrochen zu werden. Als Kim offenbar eine Bemerkung aus dem Stegreif über eine nordkoreanische Nudelspezialität – Naengmyeon – beim bevorstehenden Essen mit Moon machte, horchten viele auf.

„Pjöngjang Naengmyeon kommen von weit her“, sagte Kim. „Oh, ich hätte nicht sagen sollen, dass sie von weit her kommen“, fügte er hinzu.

Diese beiden Sätze wurden zum viralen Thema in den südkoreanischen sozialen Medien. Sie wurden als locker und scherzhaft kommentiert, einige bescheinigten ihm sogar komödiantisches Talent. „Ich dachte, er hat Sinn für Humor“, kommentierte Lee Seung Won. „Ich dachte, ich würde in meinem Leben nie eine solche Szene sehen.“

Und seine offenkundige Kurzatmigkeit nach dem Treppensteigen machte ihn in den Augen mancher fast sogar liebenswürdig. „Er war anders als das, was ich in der Vergangenheit in den Nachrichten gesehen habe“, befand die Büroangestellte Yang Hae Ra. „Er wirkte freundlich. Ich dachte, er sieht aus wie ein Teddybär.“

Diese menschelnden Kommentare blieben nicht ohne Widerspruch. Etliche Nutzer sagten, man sollte nicht von der Tatsache ablenken, dass Kim ein autoritärer Führer sei.

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