IfW-Präsident Felbermayr „Der Machtkampf zwischen den USA und China dauert mindestens 20 Jahre“

Gabriel Felbermayr Quelle: dpa

Der Handelsstreit zwischen den USA und China eskaliert erneut – und auch an anderer Stelle lauern Risiken. Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), über die unsichere Zukunft des Welthandels.

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WirtschaftsWoche: Professor Felbermayr, Donald Trump setzt seine Zoll-Attacken auf China fort, allerdings haben die USA und China jüngst auch wieder Verhandlungen aufgenommen. Wie geht es weiter im Handelskonflikt?
Was die Handelskonflikte angeht, bin ich absolut beunruhigt. Der Burgfrieden von EU und China mit den USA ist brüchig. Es liegt in der Handelspolitik noch jede Menge Munition herum, die jederzeit explodieren kann. Vor allem besteht die große Gefahr, dass bald auch Indien zum Schauplatz eines Handelskriegs wird. Da geht es weniger um physische Güter als um Software. Die USA sind der größte Nettoexporteur von digitalen Dienstleistungen, da haben sie einen gigantischen Überschuss. Die einzige aufstrebende Macht, die in diesem Bereich dagegenhalten kann – nicht heute, aber in ein paar Jahren – ist Indien. Donald Trump hat Indien daher auf dem Radarschirm. Das verheißt nichts Gutes für die Weltwirtschaft.

Aber vielleicht ist Donald Trump schon bald Geschichte. Nehmen wir an, er verliert 2020 die Präsidentschaftswahl: Wird die Architektur des Welthandels dann wieder so sein wie früher? 
Nein. Die zentralen Treiber des Handelsstreits sind geostrategischer Natur, sie verschwinden nicht von heute auf morgen. Ich bin sicher: Der Machtkampf zwischen den USA und China wird uns in den kommenden 20 Jahren begleiten. Auch die derzeitige Protektionismuswelle ist kein temporäres Phänomen. Sie markiert eine strukturelle Verschiebung im Welthandel, die über viele Jahre anhalten dürfte. Ökonomen-Kollegen wie Dani Rodrik führen das unter anderem auf die Hyper-Globalisierung zwischen 1990 bis 2008 zurück, in der sich die Welt rasend schnell vernetzt und dabei viele Verlierer produziert hat. Der Appetit auf weitere Liberalisierungen ist daher sehr gering. Der Welt steht eine längere Globalisierungspause bevor. In den kommenden Jahren wird der Globalisierungsprozess bestenfalls seitwärts verlaufen.

Wie sollte die deutsche Wirtschaft darauf reagieren, für die das Exportgeschäft überlebensnotwendig ist?
Klar, die Exportwirtschaft muss reagieren. Das derzeitige deutsche Exportmodell ist riskant, wenn es neue Zölle gibt. Wenn die Zollkonflikte eskalieren, führt kein Weg daran vorbei, Kapazitäten im Inland abzubauen und vermehrt Produktion hinter die Zollmauern zu verlagern – also stärker dort zu produzieren, wo Zölle erhoben werden. Anders kann man sich gegen Zollrisiken nicht schützen.

Welche Rolle kann die Welthandelsorganisation WTO künftig noch spielen, die ebenso verzweifelt wie erfolglos eine multilaterale Handelsordnung propagiert?
Insgesamt kann man nicht sehr optimistisch sein, was die Zukunft der WTO angeht. Die Organisation ist in einem sehr schlechten Zustand und hat politisch in den vergangenen 25 Jahren nicht viel auf die Reihe bekommen. Ende des Jahres wird dann auch noch die Berufungsinstanz der WTO-Schiedsgerichte wegen einer Blockade der USA nicht mehr funktionsfähig sein. Es ist nicht abzusehen, ob und wie dieses Problem gelöst werden kann.

Und was ist der weiteren Liberalisierung des Welthandels, der so genannten Doha-Runde?
Die Doha-Runde lässt sich nicht reanimieren. Sie ist mausetot. Die Frontstellung zwischen reichen und ärmeren Ländern, die auf eine Sonderbehandlung pochen, ist kaum aufzuweichen.

Welche Reformen wären nötig, um die WTO wieder schlagkräftiger zu machen?  
Sinnvoll wären eigene Initiativ- und Sanktionsrechte der WTO-Spitze, die bisher ja nur als Verwalterin und Sprachrohr von 168 Mitgliedstaaten agiert. Ich fürchte aber, dass es dafür keine Mehrheit gibt. Die einzig realistische Reformoption für die WTO ist daher der Plurilateralismus. Wir brauchen eine WTO der zwei Geschwindigkeiten, die möglichst viele Staaten einbindet, aber auch Flexibilität erlaubt. Eine Kern-WTO könnte notfalls auch ohne die Amerikaner funktionieren. Wer einen solchen Plan B hat, kann mit Donald Trump glaubwürdiger verhandeln.

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