Immobilienboom in Florida „Die Deutschen wollen ihre deutschen Toiletten“

Quelle: imago images

In Florida wird wassernahes Wohnen deutlich teurer. Grund ist eine neue Berechnung der Flutversicherung. Können sich jetzt nur noch Reiche die begehrten Lagen leisten? Maklerin Nadja Brunner über den Boom am Bootssteg und den Geschmack deutscher Kunden.

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Nadja Brunner ist in Würzburg geboren, nach dem Studium arbeitete sie zunächst als Immobilienmaklerin in Deutschland, seit zwölf Jahren ist sie als Maklerin und Brokerin in Cape Coral tätig, einer Wasserstadt an der Westküste von Florida.

WirtschaftsWoche: Frau Brunner, zu Ihren Kunden gehören viele Deutsche und Schweizer. Herrschte wegen des pandemiebedingten Einreisestopps bei Ihnen zuletzt eine große Flaute?
Nadja Brunner: Wir waren anfangs sehr in Sorge, dass es durch Corona zu einem Einbruch bei den Verkäufen kommt. Aber genau das Gegenteil ist passiert, der Markt boomt. Im Juni 2020 war ein Objekt noch 54 Tage auf dem Markt, jetzt ist es innerhalb von sieben Tagen unter Vertrag.

Warum entwickelt sich der Markt trotz Corona so gut?
In Florida regieren die Republikaner. Während anderswo Lockdown war, lief das Leben hier normal weiter, deshalb kamen noch mehr Käufer aus anderen amerikanischen Bundestaaten zu uns als sonst. Gerade betreue ich 25 Baustellen parallel, weil auch die deutschen Kunden jetzt wieder einreisen dürfen, sind die Tage gerade ausgebucht.

Die gebürtige Würzburgerin Nadja Brunner arbeitet seit zwölf Jahren als Maklerin und Brokerin in Cape Coral an der Westküste Floridas. Quelle: Privat

Cape Coral liegt am Golf von Mexiko, es gibt zahlreiche Kanäle, insgesamt rund 640 Kilometer Wasserstraßen – ein potenzielles Überflutungsgebiet. Seit dem ersten Oktober ist die staatliche Flutversicherung für wassernahe Häuser teurer geworden, die Kosten sollen so gerechter verteilt werden. Wie wirkt sich das auf den Markt aus? 

Die neuen Preise sind sehr deutlich angestiegen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Kostete eine Police für eine 200-Quadratmeter-Villa am Wasser bisher jährlich 1500 Dollar, sind es jetzt 3000 Dollar und mehr. Für Käufer mit großen Budgets machen ein paar tausend Dollar mehr keinen Unterschied, aber wer aufs Geld achten muss, den können die neuen Tarife empfindlich treffen. Viele Kunden überlegen deshalb, ob sie sich überhaupt noch versichern sollen oder ob sie das Geld lieber zur Seite legen, vor allem, weil im Schadensfall ohnehin nur maximal 200.000 Dollar gezahlt werden.

In Deutschland wird nach der Flutkatastrophe im Ahrtal über die Pflicht einer Elementarschadenversicherung diskutiert, auch in den USA ist sie dann also kein Muss?  
Nein, nicht grundsätzlich. Wer seinen Immobilienkauf mit einer Bank finanziert, der muss eine Flutversicherung abschließen, weil die Bank natürlich die Sicherheit fordert. Wer seinen Hauskauf allerdings ohne Finanzierung abwickelt, der hat die freie Wahl.

Aber ganz ohne Versicherung geht es sicher auch nicht?
Gegen Hurrikans lassen sich hier alle versichern, aber Flut war trotz der vielen Tropenstürme bisher noch kein großes Thema, obwohl wir theoretisch ein ganz großes Flutzonengebiet sind. Entsprechend sind aber auch die Bauvorschriften in den vergangenen Jahren angepasst worden, Häuser müssen heute deutlich höher gebaut werden, ebenso die Uferbefestigung, wenn das Grundstück direkt am Wasser liegt.

Die Deutschen gelten oft als überversichert. Entscheiden sich Ihre deutschen Kunden also eher für die Versicherung als die Amerikaner?
Die Kunden aus dem deutschsprachigen Raum tendieren zwar durchaus häufiger zur Versicherung als die Amerikaner. Aber entscheidend ist eher, ob jemand ohne Finanzierung kauft und dann frei entscheiden kann. Das sind bei uns zwei Drittel der Kunden, auch, weil der Marktdruck so groß ist und sich ein Verkäufer eher für einen Käufer entscheidet, der den Deal schnell abschließen kann.

In den USA werden Versicherungen gegen Überschwemmung deutlich teurer. Dadurch sollen die Klimarisiken gerechter verteilt werden. Ein Vorbild fürs Ahrtal?
von Sonja Álvarez, Julian Heißler

Sind Ihre Kunden aus Deutschland Auswanderer oder Investoren?
Auswandern in die USA ist sehr kompliziert, da braucht man ein Business Visum oder eine GreenCard. Die meisten Kunden sind Investoren, die wollen ihr Haus ein paar Wochen im Jahr selbst zum Ferien machen nutzen, den Rest der Zeit gehen die Objekte dann in die Kurzzeitvermietung als Ferienhaus. So werden die mindestens die laufenden Kosten gedeckt, vor allem dienen die Häuser aber als Kapitalanlage.

Wie haben sich die Preise bei Ihnen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Wir sehen eine deutliche Steigerung in Cape Coral, das zeigt auch der Durchschnittspreis, der aus allen verkauften Objekten ermittelt wird, vom Abrissobjekt über das Grundstück bis hin zu Luxus-Immobilien. Im Mai 2020 lag der Schnitt noch bei 260.000 Dollar, jetzt sind wir schon bei 370.000 Dollar angekommen. Wir arbeiten allerdings hauptsächlich im Luxusbereich und liegen deutlich über dem Schnitt.

Und wie viel kostet bei Ihnen der Florida-Traum?
Für eine Bestandsimmobilie mit 220-Quadratmern, drei Schlafzimmern, gehobener Ausstattung, Pool und direktem Zugang zum Kanal, der mit dem Golf von Mexiko verbunden ist, muss man etwa 600.000 bis 700.000 Dollar zahlen. Eine Neubauimmobilie in der Lage kann auch rund eine Million Euro kosten. 

„Immer ein witziges Thema beim Kauf“

Dazu kommt die Provision?
Die Provision wird vom Verkäufer getragen. Manche Leute kaufen hier aber schon das dritte, vierte, fünfte Haus, es ist einfach sehr viel Geld im Markt und im internationalen Vergleich sind die Immobilien vergleichsweise erschwinglich.

Aber womöglich verlieren wassernahe Häuser künftig an Wert, wenn das Risiko einer Überschwemmung wegen des Klimawandels steigt?
Nein, das denke ich nicht. Es wird immer Leute geben, die wassernah wohnen wollen, über  das notwendige Kapital verfügen und deshalb auch die höheren Flutpolicen in Kauf nehmen. Trotz des Klimawandels beschleunigte sich in den USA der Trend, seinen Wohnsitz nach Florida zu verlegen. 

Welche Rolle spielt dabei die Pandemie? 
Auch als Folge der Pandemie verlassen mehr und mehr Menschen die Ballungsräume, Unternehmen siedeln sich hier an und treiben die Immobilienpreise zusätzlich nach oben. Der Trend zum Home Office wird sich auch nach der Pandemie fortsetzen und den Sunshine State nicht nur als Urlaubsort, sondern auch als ständigen Wohnort in den Fokus vieler Menschen rücken.

Sie rechnen also mit weiteren Preissteigerungen?
Ja, all diese Faktoren werden die Preise in Florida kurz- und mittelfristig weiter treiben. Nun kommen auch noch Inflationssorgen hinzu, die das Kapital zusätzlich in Betongold lenken. Der Immobilienmarkt ist leergefegt, ebenso die Bestände der Autohäuser und Luxusgeschäfte hier in Florida.  

Wofür geben Ihre deutschen Kunden denn am liebsten Geld aus. Haben Sie einen anderen Geschmack als die Amerikaner?
Ja, lange Zeit war der amerikanische Stil von schweren Möbeln und dunklen Farben dominiert. Die Europäer beeinflussen den Baustil jetzt mit hellen Farben, klare Linien und viel Glas – und die Deutschen wollen immer gerne ihre deutschen Toiletten haben und ein Bidet. Das ist immer witziges ein Thema beim Kauf.

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Was meinen Sie mit deutschen Toiletten?
Viele Kunden aus Deutschland und der Schweiz mögen bei den Toiletten lieber das Geberit-System, bei dem der Spülkasten hinter der Wand versteckt ist und die Schüssel schwebt. Das gibt’s hier selten, ein Umbau würde deshalb einige tausend Dollar kosten. Ich frag meine Kunden dann immer, wie viel Zeit sie am Tag auf Toilette verbringen – die meisten stecken das Geld dann am Ende lieber in einen schöneren Pool.

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