Immobiliendeal Vatikan soll mit Spendengeldern spekuliert haben

Der Kirchenstaat hat angeblich umstrittene Geschäfte auf dem Londoner Immobilienmarkt gemacht. Auch an der Finanzlage der Kirche gibt es neue Zweifel.

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Für einen Immobilienkauf sollen Gelder aus dem sogenannten Peterspfennig, einer weltweiten Spendensammlung, zweckentfremdet worden sein. Quelle: dpa

Der Chef des kleinsten Staates der Welt ist dafür bekannt, auf Euro und Cent zu schauen. „Wenn wir es nicht verstehen, das Geld zu hüten, das man sieht, wie wollen wir dann die Seelen der Gläubigen hüten, die man nicht sieht?“, sagte Papst Franziskus einmal zu Beginn seines Pontifikats. Doch Ausgaben und Einnahmen im Vatikan in den Griff zu bekommen, gestaltet sich auch nach Jahren schwierig. Jetzt macht ein neuer Finanzskandal Schlagzeilen.

Anfang Oktober durchsuchten Ermittler des Vatikans Büroräume des Staatssekretariats – also der obersten Kurienbehörde – sowie der Vatikanischen Finanzaufsicht AIF. Dokumente und Computer wurden beschlagnahmt. Vom Vatikan selbst gab es dazu nur ein dürres Kommuniqué.

Einen Tag später jedoch veröffentlichte das Magazin „L'Espresso“ ein vertrauliches Schreiben der Vatikan-Gendarmerie, wonach fünf Mitarbeiter der Kurie vom Dienst suspendiert wurden. Unter ihnen waren zwei „dicke Fische“: AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza und der Bürochef im Staatssekretariat Mauro Carlino.

Nach Berichten von „L'Espresso“ und anderen Medien geht es um einen fragwürdigen Immobiliendeal. Demnach erwarb das Staatssekretariat ein teures Gebäude mitten in London mit dem Ziel, es später mit Gewinn weiterzuverkaufen. Die „Financial Times“ bezifferte die Transaktion auf 129 Millionen Pfund (150 Mio Euro), „L'Espresso“ sprach von 200 Millionen Dollar (180 Mio Euro).

Für den Kauf sollen Gelder aus dem sogenannten Peterspfennig, einer weltweiten Spendensammlung, zweckentfremdet worden sein. Die Vatikanjustiz hüllt sich in Schweigen. Aber weil das Schreiben über die Suspendierungen an die Presse gelangte, trat der Chef der Gendarmerie, Domenico Giani, am 14. Oktober zurück.

Eine Woche später sorgte der schon durch mehrere Enthüllungen zu Misswirtschaft im Vatikan bekannte Journalist Gianluigi Nuzzi für Aufregung. Glaubt man seinem neuen Buch, dann steht der Kirchenstaat kurz vor der Pleite. Die Personalausgaben stiegen unkontrolliert, während die Einnahmen zurückgingen, schreibt Nuzzi.

Unklare Finanzlage

Die Apsa, die Güterverwaltung des Heiligen Stuhls, habe 2018 erstmals ein Jahr im Minus beendet. „Der heilige Crash“, titelte die Zeitung „La Repubblica“. Nuzzi sprach von einer ungeregelten Klientelwirtschaft.

Der Präsident der Apsa, Bischof Nunzio Galantino, wies das Schreckensszenario zurück. „Hier gibt es keinen Kollaps und keine Zahlungsunfähigkeit“, sagte er der katholischen Tageszeitung „L'Avvenire“. Nötig sei bloß eine „spending review“, also eine Überprüfung von Einnahmen und Ausgaben. Das Apsa-Minus von 2018 sei ein Einmal-Effekt wegen der Rettung eines katholischen Krankenhauses.

„L'Avvenire“ veröffentlichte auch Bilanzzahlen des Vatikans. Demnach schloss der Heilige Stuhl, also die Summe der Kurienbehörden der Weltkirche, das Jahr 2015 mit einem Minus von 12,4 Millionen Euro ab. Die Staatsverwaltung der Vatikanstadt kam dagegen auf ein Plus von 59,9 Millionen Euro. Neuere Zahlen gibt es nicht.

Der Vatikan mit seinen knapp 1000 Einwohnern ist ein Staat ohne Steuern. Eigene Einnahmen bezieht er aus seinen Museen, sonst lebt er von Zuweisungen der Bistümer oder Spenden wie dem Peterspfennig. Nach Einschätzung des italienischen Vatikan-Experten Iacopo Scaramuzzi schwächelt der Zufluss aus den Bistümern nach Rom, unter anderem auch wegen der Missbrauchskandale, die die Bistümer in den USA zu hohen Entschädigungszahlungen verpflichteten.

„Die Reform der Vatikan-Finanzen, die dieser Papst eingeleitet hat, ist noch lange nicht abgeschlossen“, sagt Scaramuzzi der Nachrichtenagentur dpa. Zu diesen gehörte 2014 auch die Schaffung eines Wirtschaftssekretariats. Dessen erster Chef, Kardinal George Pell, wurde in seiner Heimat Australien wegen Kindesmissbrauchs zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er ist in Berufung gegangen, ein Nachfolger wurde in Rom noch nicht ernannt.

Vatikan-Insider beklagen, dass es hinter den hohen Mauern des Zwergstaats immer noch an „Controlling“ und „Compliance-Richtlinien“ fehle. Scaramuzzi kritisiert, dass jedes der Dikasterien (Ämter) der Kurie eigene Investitionen ohne Kontrolle tätige. Der Immobilienkauf in London, der die Ermittler des Vatikans auf den Plan rief, sei kein gutes Geschäft gewesen, und man habe sich „dubiose Partner“ gesucht.

Der AIF-Aufsichtsrat sprach dem suspendierten Direktor Di Ruzza unterdessen sein Vertrauen aus, doch die Ermittlungen gehen weiter. Die britische Zeitschrift „The Economist“ zog schon Vergleiche zu den früheren großen Skandalen rund um die Vatikanbank IOR (Institut für die religiösen Werke). Gegen diese gab es immer wieder Korruptions- und Geldwäschevorwürfe. Im Fall London war es allerdings das IOR selbst, das die Ermittlungen mit in Gang setzte.

Die einstige Skandalbank hat sich nach Einschätzung von „Vaticanista“ Scaramuzzi nach etlichen Reformen gewandelt. „Wenn ich ein Krimineller wäre, würde ich mein Geld nicht zum IOR bringen“, sagt er.

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