Covid-19-Impfung Den USA droht die Politik-Schlacht um den Impfnachweis

So sehen die einfachen Karten aus, die jeder Geimpfte in den USA derzeit nach der Verabreichung des Covid-19-Vakzins ausgehändigt bekommt. Quelle: AP

Die Politisierung der Pandemie macht auch vor den Impfnachweisen nicht halt. Vor allem Konservative lehnen „Impfpässe“ ab. Fast die Hälfte aller Trump-Anhänger will mit verpflichtenden Belegen nichts zu tun haben. Unter Biden-Unterstützern liegt die Zahl nur bei zehn Prozent. Nach Monaten, in denen sich die Amerikaner über Masken, Abstände und zuletzt Impfungen gestritten haben, wird nun der Impfnachweis die nächste Schlacht im Kulturkrieg um Covid-19.

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Die lebensrettende Information finden sich auf einem kleinen Pappviereck. Drei auf vier Zoll heller Karton, in der rechten oberen Ecke prangt das Logo der Seuchenschutzbehörde CDC. So sehen die einfachen Karten aus, die jeder Geimpfte in den USA derzeit nach der Verabreichung des Covid-19-Vakzins ausgehändigt bekommt. Der Name des Patienten, Impfstoff und Verabreichungsort- und Datum werden im Zweifel mit einfachem Kugelschreiber eingetragen. Stempel, Siegel, Wasserzeichen: All das fehlt. Das macht die Karte alles andere als fälschungssicher. Längst sind Imitationen im Umlauf – auch wenn sogar die Bundespolizei FBI vor Missbrauch warnt. Und doch sind die Kärtchen der einzige Nachweis, den die allermeisten Amerikaner über ihre Immunisierung bekommen. Und das wird in den USA zunehmend zu einem Problem.

Denn Nachweise sind wichtig. Schließlich fahren immer mehr Bundesstaaten und Geschäfte ihre Corona-Schutzauflagen zurück. Selbst die Empfehlung, Masken zu tragen, nahm die CDC kürzlich zurück – allerdings nur für Geimpfte. Doch ob jemand immunisiert worden ist, lässt sich derzeit kaum überprüfen. Und wenn, dann vielerorts nur Anhand des besagten Papprechtecks mit allen seinen Schwächen. Längst tobt deshalb ein Streit über weitere Hilfsmittel, mit denen sich die Impfung nachweisen lässt. Und er fällt heftig aus.

Die Politisierung der Pandemie macht auch vor den Impfnachweisen nicht halt. Vor allem Konservative lehnen „Impfpässe“ ab. Fast die Hälfte aller Trump-Anhänger will mit verpflichtenden Belegen nichts zu tun haben. Unter Biden-Unterstützern liegt die Zahl nur bei zehn Prozent. Nach Monaten, in denen sich die Amerikaner über Masken, Abstände und zuletzt Impfungen gestritten haben, wird nun der Impfnachweis die nächste Schlacht um Kulturkrieg um Covid-19.



Vor allem in republikanisch dominierten Bundesstaaten wächst der. „Impfpässe teilen Bürger in unterschiedliche Klassen ein“, so Brad Little, der Gouverneur des tiefroten Idaho. „Die Bewohner unseres Staates sollten nicht verpflichtet werden, ihre medizinischen Daten mit der Regierung zu teilen“, sagt auch Doug Doucey, der Regierungschef von Arizona.

Insgesamt acht Bundesstaaten haben verpflichtende Nachweise bislang vollständig verboten. Weitere könnten folgen. Andere Staaten wollen zumindest auf die eigenen staatliche Nachweissysteme verzichten und verlagern die Verantwortung damit auf die Privatwirtschaft und Institutionen. Gleichzeitig bemühen sich demokratische Hochburgen wie Hawaii und Kalifornien um freiwillige Lösungen, die es ihren Bewohnern ermöglichen sollen, ihren Impfstatus einfach und sicher mit Unternehmen, Universitäten und anderen Einrichtungen zu teilen.

Ein erster Großversuch läuft bereits. In New York ging eine entsprechende App, der Excelsior Pass, mittlerweile online. Nutzer müssen persönliche Daten eingeben, die dann mit der Impfdatenbank des Staats abgeglichen werden. Dann generiert das Programm einen QQR-Code, der als staatlicher Immunisierungsnachweis gilt. Bislang ermöglicht er geimpften nur den Zugang zu einigen Sportstadien und Veranstaltungszentren, doch das könnte sich ändern. Schließlich sollen in dieser Woche die meisten Covid-Auflagen im Empire State wegfallen. Dann könnte der Pass an zahlreichen Türen über den Einlass entscheiden. Trotzdem bleibt die Nutzung freiwillig.

Damit droht den USA langfristig ein Flickenteppich unterschiedlicher Regeln und Auflagen, die gerade für Unternehmen schwer zu navigieren sein dürfte. Doch leicht zu lösen ist das Problem nicht. Eine zentrale Stelle, in der sämtliche Impfdaten des Landes gespeichert würden, gibt es nicht. Die Informationen liegen bei den 50 Bundesstaaten. Auch lehnt US-Präsident Joe Biden es rundheraus ab, eine einheitlich-verpflichtende Impfnachweislösung zu entwickeln, wie es sie beispielsweise in Israel gibt. Das Weiße Haus vertraut stattdessen darauf, dass die Privatwirtschaft das Problem lösen wird.

Für Biden gibt es gute Gründe, sich von dem Thema fernzuhalten. Zum einen ist der politische Widerstand aus den Bundesstaaten enorm. In Florida etwa verbietet die Executive Order von Gouverneur Ron DeSantis Geschäften, Schulen und Regierungseinrichtungen explizit, von ihren Kunden Nachweise über deren Impfstatus einzuholen. Ausgenommen ist lediglich die Gesundheitsbranche. Bei Verstößen werden Strafzahlungen von 5000 Dollar fällig. DeSantis gilt als aussichtsreicher Bewerber um die Präsidentschaftsnominierung der Republikaner für das Jahr 2024. Da lohnt es sich nicht, einen großen Teil der potenziellen Wählerschaft zu vergrätzen.

Zudem würde sich ein landesweites System auch nicht mit der politischen Tradition der USA vertragen. Eine Ausweispflicht wie in Deutschland gibt es genauso wenig wie Personalausweise. Abgesehen von Reisepässen werden nur Führerscheine überall im Land als Identitätsnachweis akzeptiert – und diese werden von den Bundesstaaten ausgegeben und gegenseitig anerkannt. Damit fehlt der Bundesregierung schlicht die Kompetenz, jetzt schnell ein einheitliches System aufzubauen, das einheitlich den Impfstatus der Bürger nachweisen könnte. Zumal sie auf die Kooperation der Bundesstaaten angewiesen wäre, bei denen ja die entsprechenden Daten liegen.

Damit dürfte die Situation in den USA auf absehbare Zeit unübersichtlich bleiben. Zumal auch in der Wirtschaft keine einheitliche Position absehbar ist. Gerade viele kleinere Unternehmen haben kein Interesse daran, von ihren Kunden den Impfstatus zu erfragen – auch wenn etwa in New York Geschäfte, die das tun, künftig geringere Abstandsregeln und Hygieneauflagen einhalten müssen. Größere Konzerne sind hingegen zumindest offen für das Thema. So teilte der Business Roundtable mit, für einige seiner Mitglieder könnten Impfnachweise ein nützliches Instrument sein. Der Zusammenschluss gilt in Washington als Sprachrohr des Big Business.

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Ohne eine einheitliche Regelung wie diese Nachweise aussehen können, wird es indes schwer sein, ein solches Instrument tatsächlich anzuwenden. Am Ende könnte zum Navigieren im Impflabyrinth tatsächlich nur die kleine CDC-Karte bleiben.

Mehr zum Thema: Weltweit geht das Impfen nur schleppend voran. Vor allem in Entwicklungsländern verzögern Impfstopps, Lieferpannen und Exportverbote das Ende der Pandemie – und damit auch den Konjunkturaufschwung in Europa.

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