Indien Indiens erstaunliches Wachstum

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Mumbai Stock Exchange: Das aufstrebende Indien blieb von der Weltkrise verschont Quelle: rtr

Eine wichtige Quelle des Übels ist oft beschrieben und nie besiegt worden: die ausufernde Bürokratie. Schon zu Zeiten der britischen Kolonialherrschaft vor 1948 galt die Verwaltung Indiens als „effizient“ – womit ironisch die Fähigkeit umschrieben wurde, sie könne jede Initiative im Keim ersticken. Danach blühte die Bürokratie weiter unter einem lähmenden Staatssozialismus. Der ist zwar inzwischen abgeschafft, doch im Alltag treibt die Quasi-Kaste der Bürokraten weiter ihr Unwesen. Nicht nur der Staat, auch zahlreiche bürokratisch deformierte Unternehmen quälen Bürger, Kunden und Geschäftspartner mit einer Vielzahl überflüssiger Verwaltungsakte, Kontrollen und Verzögerungen. Wer in Indien so etwas Simples wie ein Girokonto eröffnen oder ein Handy in Betrieb nehmen will, sollte sich besser für ein paar Arbeitstage nicht viel anderes vornehmen.

Indien ist Rechtsstaat ohne Richter

Entsprechend fiel im September der Doing-Business-Bericht der Weltbank über das Klima für Unternehmen aus. In diesem weltweiten Vergleich landete Indien unter 183 Staaten auf Platz 133, gleich hinter Malawi. Einziger Trost: Bei den Chancen für Unternehmen, an Kredite zu kommen, erreichte das Riesenland einen achtbaren 30. Platz. Doch ganz schlecht, auf Platz 169, rangiert Indien bei der Frage, wie leicht Unternehmensgründungen sind: „Es hat sich gezeigt, das hohe Gründungshürden keineswegs die Produkte besser, die Arbeit sicherer oder die Herstellung umweltverträglicher machen“, kritisieren die Weltbanker, „vielmehr schränken sie private Investitionen ein, drängen mehr Menschen in den informellen Sektor, erhöhen Preise und füttern die Korruption.“ Zwar gelingt es vielen von Spitzenpolitikern hofierten ausländischen Investoren leichter als einheimischen Jungunternehmern, die entsprechenden Hürden zu überwinden – doch dann fehlen ihnen oft die passenden Geschäftspartner im Land.

Und wenn es welche gibt, sollte es nach Möglichkeiten nicht zu Konflikten kommen. Denn in der Frage, wie leicht sich Vertragserfüllung durchsetzen lässt, rangiert Indien der Weltbankstudie zufolge auf dem vorletzten Platz aller Länder – noch schlechter geht es nur im bettelarmen und von Kriegswirren zerstörten Osttimor zu. In Relation zur Einwohnerzahl amtieren in Deutschland zum Beispiel neun Mal mehr Richter als in Indien. Die größte Demokratie der Welt ist in der Realität ein Rechtsstaat ohne Richter – das kann nicht funktionieren.

Kaufkraft der Mittelschicht wächst stetig

Umso erstaunlicher ist es, dass viele ausländische und einheimische Unternehmen in diesem schwer erträglichen Wirtschaftsklima dennoch irgendwie gedeihen. Viele verleiten die Zukunftsaussichten des riesigen Landes mit seinen mehr als 1,1 Milliarden Menschen und einem jährlichen Bevölkerungswachstum von etwa 1,5 Prozent dazu, das schwierige Umfeld zu ignorieren. In nahezu sämtlichen Branchen berichten Investoren von 20 oder gar 30 Prozent Wachstum pro Jahr – bei ähnlich exorbitant steigenden Profiten. Während die Märkte der USA oder Europas längst gesättigt sind und nennenswertes Wachstum allenfalls in Nischen zu erzielen ist oder ungewöhnlicher Innovationen bedarf, boomen in Indien selbst Hersteller von Allerweltsprodukten – unmittelbare Folge eines gewaltigen Nachholbedarfs und der wachsenden Bevölkerung, in der auch die Ober- und Mittelschichten Hunderte Millionen Menschen zählen – und deren Kaufkraft stetig wächst.

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