Indien Indiens erstaunliches Wachstum

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Zerikampf in Fernost: BIP in China und Indien

Paradoxerweise finden internationale Investoren Indien derzeit auch deshalb so attraktiv, weil es noch relativ wenig mit der Weltwirtschaft verflochten ist. Während der benachbarte Rivale China im vergangenen Jahr Güter im Wert von 35,8 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts exportierte, lag der entsprechende Wert für Indien nur bei 24 Prozent. So waren die Erschütterungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Land nur sehr gedämpft zu spüren. Das Centre for Monitoring Indian Economy in Mumbai prognostiziert deswegen für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von insgesamt sechs Prozent, der Industrieverband CII rechnet sogar mit bis zu sieben Prozent. „Während die meisten entwickelten Volkswirtschaften 2009 stagnieren oder schrumpfen werden, ist Indien in der Lage, ausländische Investoren zu gewinnen“, sagt Finanzminister Pranab Mukherjee.

Allein im laufenden Jahr werden die Ausländer insgesamt 3,5 Milliarden Dollar ins Land bringen. Allerdings hoffen viele von ihnen, dass sich die traditionell starke Binnenorientierung der indischen Volkswirtschaft – trotz ihre aktuellen Vorzüge – in Zukunft lockert. Danach sieht es aber nicht unbedingt aus. Nur vereinzelt gibt es Tendenzen zur außenwirtschaftlichen Liberalisierung: So wirbt Energieminister Sushil Shinde für Gemeinschaftsunternehmen des indischen Staates mit ausländischen Privatinvestoren etwa für Gaspipelines und Überlandleitungen.

Und auch Verkehrsminister Kamal Nath setzt beim überfälligen Aufbau einer modernen Infrastruktur auf Private Public Partnership (PPP). Doch wenn es in der Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) in den vergangenen Jahren um die Liberalisierung des Welthandels ging, führte Indien fast immer die Riege der Blockierer an. Dhruv Sawhney, der frühere Präsident des Industrieverbands CII, findet dafür sogar einen guten Grund: „Wie könnten wir Waren aus einer industriell produzierenden Landwirtschaft nach Indien lassen, in der Brüssel pro Kuh täglich fast zwei Euro Subvention zahlt?“ Kein indischer Kleinbauer könne mit den Europäern oder Amerikanern konkurrieren.

Landwirtschaft leidet an furchtbarer Dürre

So ist Indien auch fast zwei Jahrzehnte nach der großen Liberalisierung der Neunzigerjahre von einem freien Waren- und Kapitalverkehr noch weit entfernt. Selbst Venu Srinivasan, der derzeitige Präsident des CII, bezeichnet sein Land als "überreguliert und überadministriert".

Und daran wird sich so schnell nichts ändern. Denn bei aller marktwirtschaftlichen Überzeugung kann die Regierung Singh gerade jetzt die Abermillionen armer Kleinbauern nicht hängen lassen. Die leiden unter einer furchtbaren Dürre: Im Monsun des Sommers 2009 war die Regenmenge 23 Prozent geringer als im langjährigen Durchschnitt. Wegen der Ernteausfälle in vielen nördlichen und östlichen Distrikten droht eine schlimme Hungersnot. Da sind Subventionen gefragt – für weitere Liberalisierungen ist das im wahrsten Sinn das falsche Klima. 

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