
Ideen hat Anil Khaitan viele. „Das Rückgrat einer Volkswirtschaft der Größe Indiens muss das produzierende Gewerbe sein“, sagt er, denn nur so ließen sich auch Jobs für die jungen Leute schaffen, die jährlich neu auf den Arbeitsmarkt strömen. Wenn Indiens Wirtschaft um acht Prozent wachsen solle, müsse die Industrie rund doppelt so viel produzieren wie derzeit. Geschieht dies nicht, sieht er für die Zukunft schwarz: „Wenn jeder zweite junge Inder keine ökonomische Perspektive hat, wird er im schlimmsten Fall ein Terrorist.“
Dies zu verhindern, glaubt Anil Khaitan, setzt eine bessere Bildung, eine funktionierende Infrastruktur und eine liberalere Wirtschaftspolitik voraus. „Wir müssen aufhören, den Leuten Fische zu schenken“, sagt er, „gebt ihnen lieber eine Angel, damit sie selber fischen können.“
Khaitan redet wie ein Politiker, ist aber Unternehmer – durch und durch. Als Juniorchef von Shalimar Industries führt er einen Mischkonzern mit Unternehmen in der Stahl-, Pharma-, Papier- und Rohstoffbranche. Alle zusammen setzen sie pro Jahr eine halbe Milliarde Dollar um.
In der indischen Parlamentswahl hat er seine ganz Hoffnung auf Narenda Modi gesetzt - wie die absolute Mehrheit der Wähler. Indiens Hindu-Nationalisten steuern bei der Parlamentswahl auf eine absolute Mehrheit zu. Der Wahlkommission lagen am Freitag zunächst Teilergebnisse aus 543 Wahlkreisen vor. Die BJP lag in 276 davon vorne. Für eine absolute Mehrheit sind 272 Mandaten nötig.
Der 63-jährigen Spitzenkandidat der BJP hat als Regierungschef der Provinz Gujarat seinen Landstrich in ein westindisches Musterländle verwandelt. Nun, so hoffen viele in der indischen Wirtschaft, soll er die Wandlung im Großen vollbringen.
Modi „führt Indien dorthin, wo China heute ist“, hofft Anil Khaitan, er werde dieses riesige Land wie ein CEO führen – und die lähmende Korruption mit starker Hand bekämpfen.
Indien produziert zu wenig Nahrung

Nötig wäre es, denn die aktuelle Regierung unter Führung der vom Gandhi-Klan dominierten Kongresspartei hinterlässt das Land als Sanierungsfall. Mit Protektionismus und einer inkonsistenten Wirtschaftspolitik hat sie die Wirtschaft des Landes gelähmt. Direkte Hilfen für Arme und Festpreise für Agrarprodukte sollten bei der Armutsbekämpfung helfen – dabei liegt der Mangel eher darin, dass das Land zu wenig Nahrungsmittel produziert.
Die Notenbank musste unlängst mit drastisch erhöhten Leitzinsen massive Kapitalabflüsse und den Absturz der Landeswährung Rupie stoppen. Letztlich hat die Regierung weder die Armut noch die Inflation gestoppt, wohl aber die Investitionen abgewürgt. Im vergangenen Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur mehr um 4,6 Prozent – das schwächste Wachstum seit fünf Jahren (siehe Grafik).
Soll sich der Trend wenden, muss die neue Regierung vor allem die Infrastruktur entwickeln. Dafür gibt es zwar gigantische Pläne – aber die stehen bislang nur auf Papier. Im Alltag fällt selbst in der Industriehochburg Pune wöchentlich mindestens einmal der Strom aus. Die neue Regierung muss auch am Investitionsklima feilen, damit ausländische Investoren ihr Geld nicht länger lieber nach China tragen.
Der ewige Rivale Indiens ist zwar härter umkämpft, hat höhere Löhne und schärferen Wettbewerb auf den Märkten, zieht aber noch immer das Gros gerade der deutschen Asien-Investitionen an. Um hier aufzuholen, müsste Indien auch einen radikalen Kampf gegen Korruption und bürokratische Ineffizienz führen. „Ohne Schmiergeld geht in diesem Land nichts“, sagt ein deutscher Investor.