INF-Vertrag Trump will Abrüstungsabkommen mit Russland aufkündigen

Donald Trump: USA werden Abrüstungsvertrag mit Russland aufkündigen Quelle: AP

Der US-Präsident will aus einem wichtigen Raketenvertrag aussteigen. Aus Deutschland und Russland kommt harsche Kritik. Folgt nun ein neues Wettrüsten der beiden Länder?

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Die US-Regierung will aus einem wichtigen Abrüstungsvertrag mit Russland aussteigen. Man werde den INF-Vertrag aufkündigen, sagte Trump am Samstag vor Journalisten in Nevada. Er warf Moskau vor, gegen das Abkommen verstoßen zu haben.

Der INF-Vertrag ist eine Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und der damaligen Sowjetunion aus dem Jahr 1987. Er verbietet beiden unter anderem den Bau und den Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern. Trump sagte, seine Regierung werde solche Waffen bauen, sollten Russland und auch China nicht einem neuen Abkommen dazu zustimmen.

Die USA und Russland werfen sich seit längerem gegenseitig Verstöße gegen den INF-Vertrag vor. Die US-Regierung bezieht ihre Anschuldigungen auf neue russische Marschflugkörper mit dem Nato-Code SS-C-8 (Russisch: 9M729), die eine Reichweite von 2600 Kilometern haben sollen. Anfang des Monats machten die 28 Mitgliedsstaaten der Nato deswegen Druck auf Moskau und forderten Putins Regierung auf, glaubwürdige Angaben zu dem Raketensystem vorzulegen.

Die Zahl der Atomsprengköpfe auf der Welt ist leicht gesunken. Doch das, meinen Friedensforscher, ist noch lange kein Zeichen für Abrüstung.

Der russische Präsident Wladimir Putin behauptet im Gegenzug, von den Abschussrampen des Nato-Raketenschutzschirms in Rumänien könnten jederzeit auch atomar bestückte US-Marschflugkörper gestartet werden.

Trumps Ankündigung dürfte für neue Spannungen zwischen den beiden Ländern sorgen. Trump gilt zwar als russlandfreundlich und hat Putin wiederholt gelobt. Seine Regierung verfolgt aber einen scharfen Kurs gegenüber dem Kreml und hat etwa wiederholt Sanktionen gegen Moskau verhängt.

Die Abrüstungsverträge sind eines der Streitpunkte zwischen den beiden Militärmächten. Das ausgeklügelte System ist in die Jahre gekommen und braucht eine Erneuerung. Das jüngste und weitreichendste Abkommen, der New START-Vertrag von 2010, läuft 2020 aus. Den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen haben die USA schon 2002 gekündigt.

Ranghohe russische Politiker haben den angekündigten Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag als gefährlichen Alleingang kritisiert. „Wir verurteilen diese ständigen Erpressungsversuche der USA“, sagte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow der Agentur Tass am Sonntag. Damit wolle man von Russland nur Zugeständnisse abverlangen. „Die Unfähigkeit und die Abneigung mit uns auf vernünftiger Grundlage zu verhandeln, drängt Washington nun zu dem Schritt.“ Dies Vorgehen müsse eine ernsthafte Verurteilung der internationalen Gemeinschaft nach sich ziehen, sagte Rjabkow. Der Außenpolitiker Konstantin Kossatschow betonte, ein einseitiger Ausstieg würde alle Abrüstungsbemühungen zunichte machen. „Der Menschheit droht ein totales Chaos im Bereich der Atomwaffen“, schrieb der Vorsitzende des Außenausschusses im Föderationsrat auf Facebook.

Es gebe auch keine Beweise, dass Moskau gegen die Vereinbarungen verstoßen habe, betonte Leonid Sluzki, der Vorsitzende des Außenausschusses im russischen Parlament. „Das ganze dient lediglich dazu, das eigene Vorgehen zu rechtfertigen.“

Die Bundesregierung hat sich entsetzt darüber gezeigt, dass US-Präsident Donald Trump aus einem wichtigen Abrüstungsvertrag mit Russland aussteigen will. Es sei eine „verheerende Entscheidung von Präsident Trump, den INF-Vertrag aufzugeben“, schrieb der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter. „Wir werden weiter für nukleare Abrüstung arbeiten.“ Auch Russland sei gefordert, sich an seine Verpflichtungen zu halten. „Europa muss jetzt eine neue Aufrüstung mit Mittelstreckenraketen verhindern“, betonte Annen. Bundesaußenminister Heiko Maas hat mit Unverständnis auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump reagiert. Trumps Pläne seien „bedauerlich“, erklärte der SPD-Politiker am Sonntag. „Wir werben auch gegenüber den USA dafür, mögliche Konsequenzen zu bedenken.“ Der INF-Vertrag sei seit 30 Jahren „eine wichtige Säule unserer europäischen Sicherheitsarchitektur“. Ein US-Ausstieg aus dem Abkommen stelle Deutschland und Europa vor „schwierige Fragen“, da dem Vertrag eine „herausragender Bedeutung“ beikomme.

Scharfe Kritik kam auch aus der Opposition in Deutschland. Der Linke-Verteidigungspolitiker Alexander Neu betonte, die Aufkündigung des INF-Vertrages erhöhe die Gefahr eines Nuklearkrieges immens „aufgrund massiv verkürzter Vorwarnzeiten, wenn landgestützte Mittelstreckenraketen wieder in Europa stationiert würden.“ Seine Partei fordere die Bundesregierung auf, auf keinen Fall einer Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland zuzustimmen.

Die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger sagte zu Trumps Plänen: „Dem US-Präsidenten scheint gleichgültig zu sein, welchen immensen Scherbenhaufen er mit allen seinen nationalen Alleingängen hinterlässt.“ Die EU müsse nun klare Signale der Abrüstung senden. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff forderte von der US-Regierung, die Nato-Verbündeten in ihre Planungen einzubeziehen. Die europäischen Alliierten sollten einen Nato-Sondergipfel verlangen, schrieb er auf Twitter. Zudem müsse sich Russland den Vorwürfen stellen.

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