Inflation/Deflation Die Folgen von Euro-Krise und Staatsverschuldung

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Geld im Überfluss

Daher kann es nicht verwundern, dass für die Teilnehmer an den Finanzmärkten Inflation derzeit kein Thema ist. Für die Zeit von 2015 bis 2020 rechnen sie im Schnitt nur mit einer Teuerungsrate von knapp 2,4 Prozent – gerade mal 0,4 Prozent über dem Inflationsziel der EZB.

Für Commerzbank-Chefökonom Krämer ist das jedoch kein Grund, Entwarnung an der Preisfront zu geben. „Die Märkte denken kurzfristig und übersehen die langfristigen Trends“, sagt Krämer. „In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir noch mit der Deflation flirten, doch danach kommt die Inflation“, prophezeit der Commerzbanker.

Entscheidend dafür ist die massive Geldschwemme, mit der die Zentralbanken rund um den Globus die Wirtschaft in den vergangenen Jahren geflutet haben. Im Euro-Raum ist die Geldmenge M3, die neben Bargeld, Sicht-, Termin- und Spareinlagen auch Anteile an Geldmarktfonds umfasst, seit der Einführung des Euro schneller gewachsen als es der Referenzwert der EZB von 4,5 Prozent vorsieht. In der Spitze lag der Geldbestand um 33 Prozent über dem stabilitätsge-rechten Niveau. Durch die schwächere Kreditvergabe infolge der Finanzkrise hat sich die Differenz seit Jahresende 2008 zwar etwas zurückgebildet, doch liegt M3 derzeit noch immer um 24 Prozent über dem Zielwert.

Finanzsektor mit milliardenschweren Geldspritzen versorgt

Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte zeigt: Schwillt die Geldmenge stark an, steigen früher oder später auch die Preise für Güter, Dienstleistungen und Vermögensaktiva.

„Das Geldmengenwachstum ist im Augenblick nahezu null“, sagt EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark. Tatsächlich stagniert M3 seit der Lehman-Pleite. Doch wenn sich der Aufschwung festigt, dürfte auch die Kreditvergabe der Banken wieder anziehen. Erste Zeichen dafür sind bereits vorhanden. Im März vergaben die Banken in der Euro-Zone 2,6 Prozent mehr Kredite an private Haushalte für den Wohnungsbau als im Vorjahr.

Das nötige Zentralbankgeld für eine höhere Kreditvergabe haben die Geschäftsbanken. Denn nach der Lehman-Pleite haben die Notenbanken den Finanzsektor mit milliardenschweren Zentralbankgeldspritzen versorgt. In der Euro-Zone ist die monetäre Basis – die Summe aus Bargeld und Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken – seither um rund 50 Prozent gestiegen.

Die Geschäftsbanken bestimmen

Ein Ende ist nicht absehbar. Seit Anfang Mai kauft die EZB den Banken Staatsanleihen der PIGS-Länder ab. Im Gegenzug schreibt sie ihnen Zentralbankgeld auf ihren EZB-Konten gut. Zwar betonen die Euro-Hüter, dass sie das Geld durch umgekehrte Leihgeschäfte wieder absaugen. DekaBank-Ökonom Junius hält das jedoch für einen plumpen „Marketingtrick“. Tatsächlich saugt die EZB das Zentralbankgeld nicht ab, sondern bietet den Geschäftsbanken an, dieses verzinslich für eine Woche bei ihr anzulegen. Nach Ablauf der sieben Tage können die Banken dann entscheiden, ob sie das Geld erneut bei der EZB anlegen oder lieber Kredite damit vergeben.

Hinzu kommt: Wegen der Schuldenkrise bietet die EZB den Geschäftsbanken im Rahmen ihrer Refinanzierungsgeschäfte an, sich so viel Zentralbankgeld, wie sie benötigen, bei der EZB auszuleihen. Folge: Nicht mehr die EZB, sondern die Geschäftsbanken bestimmen, wie viel Zentralbankgeld ins Finanzsystem fließt.

Dass die EZB und die anderen großen Zentralbanken den Geldhahn wieder zudrehen, bevor die Inflation anspringt, ist zweifelhaft. Denn um die riesigen Schuldenberge in den Staatshaushalten abzutragen, gibt es im Prinzip nur vier Möglichkeiten: Sparen, Wachstum, Staatspleiten – und Inflation. Da die Politiker Staatspleiten fürchten wie der Teufel das Weihwasser, hohe Wachstumsraten nicht in Sicht sind und hartes Sparen die politische Mehrheit kostet, dürfte schon bald „der Druck auf die EZB zunehmen, höhere Inflationsraten zuzulassen“, prophezeit Barclays-Ökonom Polleit.

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