Initiative der USA und Russland Neuer Anlauf bei Waffenruhe lässt Syrien hoffen

Formell gilt in Syrien bereits seit Februar eine vereinbarte Waffenruhe. Doch die erwies sich in den vergangenen Tagen als zunehmend brüchig. Nun wollen die USA und Russland einen neuen Versuch starten.

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In Syrien kommt es wieder zu neuen Eskalationen. Quelle: AFP

Beirut/Moskau Eine neue Waffenruhe lässt auf eine Atempause für die Menschen in Syrien von den eskalierenden Kämpfen hoffen. In der Nacht zum Samstag werde ab 01.00 Uhr Ortszeit ein „Regime der Ruhe“ in einigen Landesteilen in Kraft treten, kündigte das syrische Militär am Freitag an. In der Hauptstadt Damaskus und in einer Region östlich davon werde es 24 Stunden gelten, nördlich der Hafenstadt Latakia 72 Stunden. Ein Vertreter der Opposition sprach von einem „Regime der Stille“, auf das sich die USA und Russland verständigt hätten. Dieses werde auch in Aleppo greifen, zitierten ihn russische Medien. Das syrische Militär erwähnte Aleppo nicht. Die Lage in der teils von Rebellen und teils von der Regierung kontrollierten Großstadt ist besonders prekär. Mehr als 200 Zivilisten wurden dort nach Angaben aus dem Umfeld der Opposition in den vergangenen sieben Tagen getötet. Am Freitag seien erneut Luftangriffe geflogen worden. Mindestens ein Kind sei getötet worden.

Formell gilt bereits seit Februar eine auf Initiative der USA und Russland vereinbarte Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien. Lediglich besonders radikale Gruppen wie die Miliz Islamischer Staat (IS) oder der Al-Kaida-Ableger Nusra Front sind davon ausgenommen, sie dürfen weiter bekämpft werden. Doch in den vergangenen Tagen erwies sich diese Waffenruhe als zunehmend brüchig. Das wiederum gefährdet die internationalen Bemühungen zur politischen Lösung des Syrien-Konflikts in Genf. Ob sie effektiv fortgesetzt werden können, ist angesichts der Lage derzeit völlig ungewiss. UN-Menschenrechtskommissar Seid Ra'ad al-Hussein sagte, er wage es gar nicht, sich vorzustellen, "welchen Horror wir in Syrien erleben werden", sollten die Bemühungen um ein Ende der Gewalt gänzlich aufgegeben werden.

Allein bei einem Angriff auf ein Krankenhaus in Aleppo sollen in der Nacht zum Donnerstag etwa 30 Menschen getötet worden sein. Die Bundesregierung sprach von einem „eklatanten Verstoß“ gegen das Völkerrecht und „Mord an einer großen Zahl von Zivilisten“. Die Eskalation gefährde den politischen Prozess, erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Er forderte alle Konfliktparteien auf, die geltende Waffenruhe einzuhalten. Vor allem von Regierungsseite werde dagegen verstoßen. „Die syrische Regierung muss sich entscheiden: Will sie sich ernsthaft an Verhandlungen beteiligen oder will sie weiter ihr eigenes Land in Schutt und Asche legen?“

Wer genau für den Angriff auf die Klinik verantwortlich ist, war weiter unklar. Die syrische Führung und Russland hatten noch am Donnerstag erklärt, nichts damit zu tun zu haben. Das russische Verteidigungsministerium verwies vielmehr darauf, nach seinen Informationen habe sich am Abend des 27. April ein Flugzeug der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition über Aleppo befunden. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte dagegen, es gebe Hinweise, dass syrische Regierungstruppen die Klinik bombardiert hätten. „Vorliegende Informationen weisen daraufhin hin, dass dieser Angriff mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Truppen des Assad-Regimes zurückgehe“, sagte auch der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert.

Russland ist im Syrien-Konflikt der wichtigste Verbündete von Präsident Baschar al-Assad. Die USA und ihre Militärallianz unterstützen dagegen gemäßigtere Aufständische im Kampf gegen die IS-Miliz, die große Gebiete in Syrien und im benachbarten Irak beherrscht.

UN-Menschenrechtskommissar Seid sagte, die Gewalt in Syrien steige auf ein Niveau wie vor der im Februar in Kraft getretenen Waffenruhe. Es gebe „verstörende Berichte“ über militärische Vorkehrungen, die darauf hindeuteten, dass „eine tödliche Eskalation“ vorbereitet werde. Alle Konfliktparteien zeigten eine „monströse Missachtung“ zivilen Lebens. Aus vielen Städten, darunter Aleppo, Homs und Damaskus, würden immer mehr zivile Opfer gemeldet. Vor dem Hintergrund einer „solch entsetzlichen Lage“ sei das Versagen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, den Internationalen Strafgerichtshof einzuschalten, eine der „beschämendsten Formen von Realpolitik“. Nach Ansicht vieler seien „die Weltmächte de facto Komplizen“ geworden bei dem Konflikt, in dem Hunderttausende Menschen getötet und Millionen vertrieben worden seien.

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