Internetzensur Wie Chinas Datenpolitik deutsche Unternehmen belastet

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Verschlüsselung nur mit staatlicher Hintertür

Geht es nach Peking, sollen die kleinen Apps, die auf Handys und Rechnern über normale Internetverbindungen laufen und meist rund zehn Dollar pro Monat kosten, bald gänzlich verschwunden sein. In Zukunft, sagt IT-Expertin Ramsey, könnten ausländische Firmen so nur noch über staatlich zertifizierte Anbieter und Standleitungen ins freie Internet kommen. Will eine Firma eine solche Standleitung nutzen, muss ein Kabel im Büro des Unternehmens an das staatliche Netz angeschlossen werden, durch das die Daten über Hongkong in die freie Welt gelangen. „Die Standleitung ist eine extrem teure Lösung, die Unternehmen mehrere tausend Dollar pro Monat kosten kann“, kritisiert Ramsey.

Der deutsche Botschafter Michael Clauss in Peking rechnet sogar mit Kosten von bis zu 20.000 Euro pro Monat „für die erzwungene Anschaffung von lizenzierten Leitungen“. Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen wäre das eine gewaltige finanzielle Belastung, die viele aus dem Markt treiben könnte. „Die Abschaltung von VPN-Tunneln droht den Freiraum für unternehmerisches Handeln zu verengen“, sagt auch Hubert Lienhard, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses. „Trotz guter Konjunktur machen sich ausländische Unternehmen vor Ort Sorge über diese Tatsache.“ Aktuell nutzen neun von zehn deutschen Firmen in China einen VPN-Tunnel oder andere Lösungen, um die chinesische Internetzensur zu umgehen, so das Ergebnis der AHK-Umfrage. Die meisten von ihnen, um den sicheren Datenaustausch mit der Firmenzentrale und firmenintern zu gewährleisten oder Zugang zu firmeninternen Organisationstools zu erhalten. 83 Prozent der befragten Unternehmen halten dies für „unbedingt notwendig“.

Die neue Gesetzeslage hat auch Einfluss auf Verschlüsselungstechnologien, die Firmen noch nutzen können. Ramley geht zwar davon aus, dass Verschlüsselung weiterhin erlaubt sein wird. Allerdings nur, wenn die Unternehmen den Schlüssel der Regierung zur Verfügung stellen. Auch der deutsche Botschafter Michael Clauss stellte in einem Gastbeitrag der britischen Tageszeitung Financial Times im März die Frage, inwiefern nach den Neuregelungen der Schutz von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen gewährleistet werden könne. „Wie kann sichergestellt werden, dass Sicherheitsüberprüfungen transparent gemacht und nicht für einen ungewollten Knowhow-Transfer missbraucht werden?“, fragte Clauss skeptisch. Bei Daten, die zentral auf Servern gespeichert werden müssten, sei das Risiko jedenfalls größer, dass sie abgegriffen werden oder verloren gehen als bei einer dezentralen Speicherung in der Cloud.

US-Präsident Donald Trump hat 1300 Produktlinien ausgewählt, die nun mit Zöllen belegt werden könnten. Das wird nicht nur China wehtun, sondern auch den USA. Die Chinesen antworten mit eigenen Strafzöllen.
von Lea Deuber, Tim Rahmann

Ähnlich sehen das auch die deutschen Firmen. Über 40 Prozent sorgten sich laut AHK über den möglichen Zugang Dritter zu sensiblen firmeninternen Daten. 37 Prozent erwarteten zudem, dass sich die Betriebskosten in China durch das Gesetz wesentlich erhöhen werden. Zwei Drittel der befragten AHK-Mitglieder haben so in ihren Geschäftszentralen in Deutschland um mehr Geld für die IT gebeten. Immerhin knapp ein Drittel der Firmen hat seinen Server bereits vom Ausland nach China verlegt. 30 Prozent haben zusätzliche digitale Sicherheitssysteme installiert.

Die langfristigen Folgen für deutsche Unternehmen sind schwer absehbar. Die Hälfte der befragten Unternehmen würde zwar an ihrem Chinageschäft festhalten. Allerdings würden die Folgen des neuen Gesetzes die tägliche Arbeit im Unternehmen und zwischen deren internationalen Partnern und Kunden derart erschweren, dass Neuinvestitionen von den Firmen in Frage gestellt würden. Vor allem im Bereich von Forschung und Entwicklung wolle man sich nun zurücknehmen. Immerhin 15 Prozent erwägen sogar eine Verlagerung ihrer Aktivitäten ins Ausland.

Für viele Firmen ist Chang in diesen Tagen die letzte Hoffnung. Er hat an einer der Topuniversitäten in den USA studiert. Seit ein paar Jahren lebt er wieder mit seiner Familie in Shanghai. Der IT-Ingenieur könnte bei einem Techunternehmen wie Google und Apple viel Geld verdienen. Ihm gefällt aber die Freiheit bei seiner Arbeit. „Viele Firmen haben Schwierigkeiten, weil sie nicht wissen, wie es in den kommenden Monaten weitergeht“, sagt Chang, der auch viele deutsche Kunden berät. Sie seien dankbar für seine Hilfe. Und noch fände er kleine Lücken in der chinesischen Internetblockade. Wie lange noch, weiß er nicht. An einen Kurswechsel Pekings glaubt Chang nicht. „Politische Kontrolle steht für die chinesische Regierung an erster Stelle.“

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