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Interview mit Meryl Streep "Weiße Greisinnen spielen für die Wirtschaft keine Rolle"

Auch nach ihrer Hauptrolle als Maggie Thatcher mag die Schauspielerin immer noch nicht die Politik der ehemaligen britischen Premierministerin. Streep spürt jedoch Ehrfurcht vor der Eisernen Lady.

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Streep als britische Premierministerin im britischen Unterhaus

WirtschaftsWoche: Mrs. Streep, Sie haben für Ihre Darstellung von Margaret Thatcher in "The Iron Lady" einen Oscar gewonnen. Dabei waren Sie in den Achtzigerjahren keine große Unterstützerin von Margaret Thatcher...
Streep: Drücken wir es vorsichtig aus: In den Zirkeln, in denen ich mich bewegte, war ihre Politik alles andere als populär...

Aber was halten Sie von der Premierministerin, nachdem Sie sie gespielt haben?
Mit dem Gros ihrer Entscheidungen gehe ich auch heute noch nicht konform. Aber ich muss ihre Leistungen bewundern, stehe regelrecht in Ehrfurcht davor. Man muss sich vor Augen halten: Die Tochter eines Gemüsehändlers schafft es in einer so ausgeprägten männerorientierten Klassengesellschaft wie dem England der Achtziger, nicht nur ein Oxford-Studium zu absolvieren, was ungewöhnlich genug ist, sondern zur Regierungschefin gewählt zu werden. Und das dreimal hintereinander. Sie hat keine einzige Wahl verloren, sondern wurde von ihren Parteigenossen hinausgedrängt. Abgesehen davon ist ihr Konservatismus aus amerikanischer Sicht eher harmlos.

Was meinen Sie damit?
Ich kann mich noch erinnern, als Sarah Palin nach England kam und Margaret Thatcher treffen wollte. Dass sie es wagte, sich mit ihr zu vergleichen, war ohnehin anmaßend. Aber ich fand es besonders amüsant, weil Thatchers Politik die heutigen Republikaner vor den Kopf gestoßen hätte. Sie hatte viel mehr mit den Clintons gemein. Es wäre ihr nicht im Traum eingefallen, die nationale Krankenversicherung aufzulösen. Sie beschäftigte sich schon 1990 mit den Gefahren der globalen Erwärmung. Sie vertrat das Recht auf Abtreibung. In ihrem Kabinett saßen Schwule, und sie weigerte sich, sie zu entlassen. In ihrem klassenlosen Denken kam es nur darauf an, ob jemand seinen Job gut machte. Für Republikaner wäre sie unwählbar.

Wie erklären Sie sich den damaligen Siegeszug Thatchers - trotz aller massiven Widerstände?
Schauen Sie sich die Situation im England der Achtzier an. Damals gab es noch keine Globalisierung im heutigen Sinne, kein Internet, keine Handys. England war gefangen in seinem Inseldasein, man machte Politik, wie man sie schon immer betrieben hatte. Die Auffassung war, dass der Staat alles kontrollieren sollte. Das Resultat waren Chaos und Armut. Die Menschen waren verzweifelt.
Und für diese eingegrenzte Welt schien Margaret Thatcher eine ebenso radikale wie praktikable Lösung zu bieten. Und sie war auch extrem gut vorbereitet. Es ist schockierend, wie unqualifiziert viele Politiker von heute sind. Sie dagegen war nicht der Typ, der elegant vor die Kameras schwebte und so tat, als könnte er alles mit links meistern.

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