Interview Sedelmayer  „Vergeltungsmaßnahmen von Russland sind fast zwingend“

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Wert des russischen Eigentums im Ausland deckt keine Rekordforderung

 Erfolgreich waren Sie dafür bei Immobilien.

In Köln und im schwedischen Lidingö habe ich die ehemaligen russischen Handelsvertretungen beschlagnahmen, zur Versteigerung aufwerfen und zum Höchstgebot verkaufen lassen. Bei Immobilien haben Sie einen großen Vorteil: das Grundbuch. Da sind die Eigentumsverhältnisse schwarz auf weiß dokumentiert. Hier kommt es nämlich dann nur noch auf die Nutzung an; sprich gewerblich, gemischt oder hoheitlich.

 Was kann man denn überhaupt alles pfänden?

Prinzipiell ist es möglich, alle Forderungen des russischen Staates an Dritte zu pfänden. Wenn BMW etwa der russischen Polizei Autos liefert, können Sie die Lieferung beschlagnahmen bevor sie Deutschland verlässt. Anderes Beispiel: Ein deutsches Unternehmen kauft etwas vom russischen Staat. Dann ist es möglich die Geldforderung pfänden zu lassen. Oder nehmen Sie etwas Greifbares: Wenn der russische Staat in Deutschland Produkte kauft, können Sie die Hand darauf legen, bevor es verschickt oder verschifft wird. Denken Sie etwa an Öl- und Gasförderausrüstung oder Ersatzteile. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

 Wo liegen die Grenzen des Pfändens? Was geht nicht?

Ausgenommen sind alle Belange, die hoheitlichen Zwecken dienen. Das heißt: Botschaften, Konsulate UN-Missionen und Ähnliches mehr sind absolut tabu. Alle hoheitlichen Fahrzeuge, vom Kriegsschiff bis zum Flugzeug können Sie vergessen. Wenn Wladimir Putin auf Staatsbesuch nach Berlin kommt, dürfen Sie ihm weder seine Staatslimousine noch das Flugbenzin aus dem Tank des Staatsfliegers wegpfänden.

 Gibt es denn überhaupt genug russisches Vermögen im Ausland, um die Rekordforderungen der Jukos-Gläubiger von 50 Milliarden US-Dollar abzudecken?

Nein, so viel Vermögen gibt es definitiv nicht. Konservativ überschlagen, von dem was ich kenne, würde ich das potentiell pfändbare Eigentum der Russen im Ausland auf zwei bis drei Milliarden Dollar schätzen. Russland hält aber einen großen Teil dieses Realvermögens meist  in den sozialistischen Bruderstaaten wie Syrien, China oder Kuba. Russland genießt in diesen Ländern absolute Immunität – da können Sie gar nichts vollstrecken. Der einzig realistische Weg, um die ehemaligen Jukos-Aktionäre zu bedienen, sind die Exportfirmen an denen der Staat Russland eine nicht unbeträchtliche  Beteiligung hält. Insbesondere all jene Firmen sind interessant, an denen Russland einen Staatsanteil von über 50 Prozent hält, wie etwa Rosneft oder Aeroflot.

 Wie will ein Gläubiger an Staatsfirmen herankommen?

Jukos kann mit den Gerichtsprozessen zur Zwangsvollstreckung, russische Firmen über Jahre hinweg lahmlegen. Etwa in dem man bei den verschiedenen Vollstreckungsgerichten entsprechend umfassende Sicherungsmaßnahmen beantragt und so Vermögenswerte und Geld blockiert.

Welchen Staaten der niedrige Ölpreis besonders schadet
Erdölförderung Quelle: dpa
Ölförderung in Saudi-Arabien Quelle: REUTERS
Ölförderung in Russland Quelle: REUTERS
Oman Ölpreis Quelle: Richard Bartz - eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons
Öl-Leitung im Niger-Delta Quelle: dpa
Ölförderpumpe in Bahrain Quelle: AP
Venezuela Ölförderung Quelle: REUTERS

 Das müssen Sie näher erklären.

Ich muss ja nicht auf Rosneft und Co. am Hauptsitz zugreifen. Es gibt auch einige russische Firmen, die etwa an der Börse in New York notiert sind. Konkret: Die Flugzeuge von Aeroflot könnten Sie beschlagnahmen lassen. Das einfachste Mittel, um Schulden über Firmen einzutreiben, ist aber, die Zahlungen von  Drittschuldnern zu pfänden. So kommt die Geschäftstätigkeit der Firma mit Staatsbeteiligung de facto zum Erliegen, weil Sie Ihnen das gesamte Einkommen aus Exporten  zumindest auf lange Zeit blockieren, wenn nicht sogar auf Dauer ganz wegnehmen können. Die Firmen sind aber trotzdem gezwungen ihr Exportgeschäft fortzuführen. Und die Liste der Folterinstrumente ist hier lang.

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