Investitionsabkommen Merkel forciert den EU-China-Deal – doch zu welchem Preis?

Noch vor zwei Wochen gingen die Verantwortlichen in Brüssel davon aus, dass keine Bewegung in die Gespräche zwischen der EU und China kommt. Quelle: imago images

Schon am Montag könnte ein Durchbruch bei den lange blockierten Verhandlungen verkündet werden. Der Berliner Ansatz zieht Kritik auf sich – weil er China große Konzessionen macht. Das EU-Parlament dürfte sich verweigern.

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An diesem Wochenende kommen die Unterhändler erneut zusammen, um über das umfassende Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) zu verhandeln. „Schon am Montag könnte ein Durchbruch verkündet werden“, heißt es aus EU-Kreisen. Die EU-Botschafter haben am Freitagvormittag weitgehende Unterstützung für ein durchaus heikles Projekt zum Ausdruck gebracht .

Der Fortschritt in den Verhandlungen, die seit 2014 laufen, kommt überraschend. Noch vor zwei Wochen gingen die Verantwortlichen in Brüssel davon aus, dass keine Bewegung in die Gespräche kommt. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Thema zur Chefsache gemacht und ist jetzt fest entschlossen, den Deal zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft einzufahren.

Für Merkel, die von Anfang an die Beziehung zu China zum Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft gemacht hat, wäre das Abkommen ein sichtbarer Erfolg.

Nachdem China im November mit asiatischen Staaten einen der bisher größten Handelsdeals (RCEP) überhaupt abgeschlossen hat, der annähernd 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung umfasst, sah es so aus, als ob sich Europa beim Thema Handel selbst ins Abseits gestellt hätte. Ein Deal mit China würde nun beweisen, dass mit Europa doch noch zu Rechnen ist beim Thema Handel.

In Brüssel ist zu hören, Merkel habe Mitgliedsstaaten unter Druck gesetzt, dem Deal zuzustimmen. Zahlreiche Länder stören sich an den Zugeständnissen zugunsten Chinas, die vorgesehen sind – und denen zu wenig Entgegenkommen von chinesischer Seite gegenübersteht. So wollen die Chinesen auf dem Endkundenmarkt für Energie aktiv werden. „Wir können uns darauf einstellen, dass China die gesamten Zapfsäulen für E-Mobilitiät in Europa betreiben wird“, kritisiert ein Insider.

Dort, wo China sich bewegt hat, könnte der Preis für die Europäer hoch sein, etwa bei der Marktöffnung. Europa hat seine Märkte für chinesische Unternehmen bereits weitgehend geöffnet und kann auf diesem Gebiet nur wenig Neues liefern. „Der chinesische Präsident wird das Abkommen aber nur unterzeichnen, wenn Deutschland und Europa im Gegenzug etwas anbieten, sagt Hosuk Lee Makyiama, Direktor der Brüsseler Denkfabrik Ecipe. „China hat bei den meisten Zukunftsbranchen bereits aufgeholt, mit der Ausnahme von Weltraumtechnologie und Life Sciences.“ In Brüssel herrscht die Sorge, dass Merkel in diesem Bereich Konzessionen macht. Joint Ventures bei Raumfahrt stehen offenbar auf der chinesischen Wunschliste.

Kritiker monieren auch, dass europäische Unternehmen trotz des Abkommens schlechte Konditionen in China hätten. „Es gibt keine Reziprozität“, bemängeln Kritiker wie der grüne Europa-Abgeordnete Reinhard Bütikofer. China lege ausländischen Investoren ein anderes Recht auf und diskriminiere so Unternehmen nach ihrer Herkunft. Besonders bedenklich findet Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation des Europäischen Parlaments, dass China Zwangsarbeit zulasse und nicht die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) übernehme. Beim Investitionsschutz verharrt das Abkommen bei den bisherigen umstrittenen Streitschlichtungsverfahren. Europäische Unternehmen können in China auch weiterhin von öffentlichen Aufträgen ausgenommen werden.

„Es wird kein perfekter Deal“, gesteht man in der EU-Kommission ein. In Brüssel wurde aber die Berliner Argumentation übernommen, wonach China auf absehbare Zeit Europa kein besseres Angebot machen werde.

Praktisch laufen die Verhandlungen ohnehin zwischen Berlin und Beijing, wie Insider übereinstimmend betonen. Der für Handel zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, spiele keine wichtige Rolle, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen genauso wenig.

China drückt aufs Tempo und will einen Deal, bevor in den USA Joe Biden das Präsidentenamt antritt. Europa würde damit Fakten schaffen, die das transatlantische Verhältnis beschädigen könnten. Ein erfahrener EU-Diplomat sieht darin jedoch kein Problem: „Die USA haben ihren China-Deal auch nicht mit Europa abgestimmt.“

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Erfahrene China-Experten halten Merkels Timing für fatal, nicht nur wegen des Personalwechsels in den USA. Sie weisen darauf hin, dass China mit dem Deal belohnt würde, nachdem es in Hongkong Völkerrecht breche und sich mit Indien, Taiwan und Australien angelegt habe. „Wenn die EU nach diesen Ereignissen das Investitionsabkommen unterzeichnet, dann wirkt das aus der Perspektive Chinas wie eine Billigung seines politischen Kurses – und möglicherweise wie eine Ermunterung, selbstbewusster aufzutreten“, schreiben 13 führende Chinaexperten in einem gemeinsamen Namenbeitrag, darunter Mikko Huotari (Merics) und Janka Oertel (ECFR).

Scheitern könnte der Deal am Europäischen Parlament. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 89 Prozent hatten die Europaabgeordneten in dieser Woche Zwangsarbeit in China verurteilt, die Uiguren, ethnische Kasachen, Kirgisen und andere muslimische Minderheiten besonders treffe. „Es wird zu massivem Widerstand zu dem Abkommen in dieser Form kommen“, kündigt der Europaabgeordnete Bütikofer an.

Mehr zum Thema: Laut Umfrage der Deutschen Handelskammer spüren deutsche Firmen in China deutlich den Aufschwung. Sie jammern dennoch auf hohem Niveau.

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