US-Präsident Barack Obama hat die Sorgen der Golfstaaten vor einem Atomdeal mit dem Iran mit Sicherheitsgarantien zu zerstreuen versucht. Mit „eisernem“ Rückhalt werde sein Land dafür sorgen, dass seine arabischen Verbündeten durch eine Vereinbarung mit Teheran nicht gefährdet würden, erklärte Obama am Donnerstag bei einem Gipfeltreffen mit dem Golfkooperationsrat in Camp David. Auch militärische Gewalt schloss er zu diesem Zweck nicht aus. In einer n Erklärung kündigten die Teilnehmer zudem neue Kooperationen bei Anti-Terror-Maßnahmen, Sicherheit im Seeverkehr, Cybersicherheit und Raketenabwehrsystemen an.
Zwölf Jahre Streit um das iranische Atomprogramm
Der Iran erklärt sich bereit, die Urananreicherung und die Wiederaufbereitung von Brennstäben auszusetzen. Teheran unterzeichnet das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das Inspekteuren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) uneingeschränkten Zugang zu allen Atomanlagen des Landes erlaubt.
Teheran sagt zu, für die Dauer von Gesprächen mit der EU über ein politisches und wirtschaftliches Abkommen sein Programm zur Urananreicherung auszusetzen.
Der Iran nimmt die Urananreicherung wieder auf und wendet das Zusatzprotokoll nicht mehr an. Der UN-Sicherheitsrat verhängt erste Sanktionen gegen Teheran. Später folgen weitere Strafmaßnahmen.
EU-Chefdiplomat Javier Solana macht im Namen der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China) sowie Deutschlands (5+1) Teheran ein neues Angebot zur Kooperation. Der Iran lehnt einen Verzicht auf Urananreicherung aber weiterhin ab.
Bei neuen 5+1-Gesprächen stimmt der Iran grundsätzlich der Möglichkeit zu, Uran im Ausland anzureichern. Teheran spielt jedoch auf Zeit und lässt auch eine Frist der IAEA dafür verstreichen.
In Istanbul wird eine weitere Runde der Gespräche des Irans mit der 5+1-Gruppe auf unbestimmte Zeit vertagt. Nach mehr als einem Jahr werden in Istanbul die Gespräche wieder aufgenommen. Weitere Treffen in Moskau und im kasachischen Almaty folgen.
Neue Gespräche in Genf münden in eine Übergangslösung. Der Iran muss sein Atomprogramm zunächst für sechs Monate auf Eis legen; dafür sollen erste Sanktionen gelockert werden.
Teheran ergreift erstmals überprüfbare Maßnahmen, um sein Atomprogramm in wichtigen Teilen zurückzufahren. Im Gegenzug lockern die USA und die EU erste Sanktionen. In Wien treffen sich erneut die 5+1-Gruppe und der Iran.
Am Rande der UN-Vollversammlung in New York, an der auch der iranische Präsident Hassan Ruhani teilnimmt, gibt es neue Verhandlungen des Irans mit der 5+1-Gruppe.
Auch Treffen von USA, EU und Iran in Maskat (Oman) sowie Gespräche der 5+1-Außenminister mit ihrem Kollegen aus Teheran in Wien bleiben ergebnislos.
Die IAEA und Teheran verhandeln wieder, um bis Monatsende eine vorläufige Einigung zu erzielen. Die Gespräche in verschiedenen Formaten von bilateralen Treffen bis zur großen Außenministerrunde im 5+1-Format sind aber bei Fristablauf nicht abgeschlossen.
Nach einer zweitägigen Verlängerung der Verhandlungen verständigen sich die UN-Vetomächte und Deutschland mit dem Iran auf Eckpunkte für eine abschließende Vereinbarung in dem Streit. Ein umfassendes Abkommen in dem Konflikt ist bis Anfang Juli angepeilt.
Die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland streben ein Atomabkommen mit dem Iran an, das bis Ende Juni im Detail ausgehandelt werden soll. Ziel des Westens ist es, Teheran vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Der Iran will die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen erreichen. Die Golfstaaten befürchten jedoch, dass ein erstarktes Teheran die Machtverhältnisse in der Region zu seinen Gunsten verschieben könnte. Verstärkt werden die Animositäten durch konfessionelle Unterschiede - die arabischen Golf-Regime sind durchweg sunnitisch, der Iran schiitisch.
Akteure im Atomkonflikt mit Iran
Der US-Präsident war 2009 mit einer „Politik der ausgestreckten Hand“ angetreten, wollte Kooperation statt Konfrontation mit feindlich gestimmten Ländern. Doch die Strategie hatte kaum Erfolg. Ein Abkommen mit dem Iran wäre ein außenpolitischer Befreiungsschlag, ein historischer Triumph. Doch Obama ist nicht naiv - schließlich wird er sich auch nach dem Ende seiner Präsidentschaft 2017 rechtfertigen müssen, falls ein Abkommen negative Folgen hätte.
Abgeordneten beider US-Parteien drohen offen damit, im Kongress gegen einen Vertrag zu stimmen. Kürzlich griffen sogar 47 republikanische Senatoren zu einem beispiellos drastischen Mittel und schrieben an die Führung in Teheran, jede Vereinbarung mit Obama wäre ohne das „Ja“ des republikanisch beherrschten Kongresses wertlos. Zudem könne der nächste Präsident die Vereinbarung „mit einem Federstrich widerrufen“. Das Weiße Haus tobte, weil die Autorität des Präsidenten untergraben werde; der habe weiterhin die außenpolitische Oberhoheit.
Der israelische Ministerpräsident, dessen konservative Likud-Partei gerade wieder die Wahlen gewonnen hat, gilt als Hauptfeind jeder Vereinbarung im Atomstreit mit dem Iran. Der 1949 in Tel Aviv geborene Sohn eines Historikers vergleicht Teheran oft mit biblischen Erzfeinden des jüdischen Volkes und sogar mit den Nationalsozialisten. In der Vergangenheit hatte der Regierungschef, der vor seiner vierten Amtszeit steht, mehrmals indirekt mit einem Militärschlag auf die iranischen Atomanlagen gedroht. Israel versucht vor allem über die USA, Einfluss auf den Ausgang der Gespräche zu nehmen. Weil Netanjahus Verhältnis zu Präsident Obama schlecht ist, versucht er es über den US-Kongress.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius wie auch Präsident François Hollande gelten als Hardliner in den Gesprächen und haben 2014 bereits eine Vereinbarung ausgebremst. Sie betonen die Notwendigkeit effizienter Kontrollen der Abmachungen und technischer Details wie der Anzahl der Uran-Zentrifugen und der Forschungskapazitäten des Irans. Frankreich sieht den Iran, der einst an der Urananreicherung in Frankreich beteiligt war, kritisch wegen dessen militärischer Rolle in den Krisenstaaten Irak, Syrien und Libanon, die früher wichtige Rollen in Frankreichs Arabienpolitik spielten.
Präsident Hassan Ruhani hat viel in die Atomverhandlungen investiert. Eine umfassende Lösung wäre für den moderaten Kleriker und den gemäßigten Flügel in Teheran wichtig für das politische Überleben. Ein Scheitern könnte das Ende seiner prowestlichen Politik und eine Rückkehr der harten Islamisten bedeuten. Um die akute Wirtschaftskrise im Land zu beenden, braucht Ruhani außerdem eine schnelle Aufhebung der Sanktionen. Ein Ende des Atomstreits würde auch das Ende der Isolierung der Islamischen Republik bedeuten.
Ajatollah Ali Chamenei steht als höchste religiöse Instanz der Islamischen Republik über dem demokratisch gewählten Präsidenten. Er hat damit auch das letzte Wort im Atomkonflikt mit dem Westen. Der Kleriker war schon am Anfang der islamischen Revolution 1979 ein Vertrauter des Revolutionsführers Ruhollah Khomeini. 1989 wurde er zu dessen Nachfolger ernannt. Chamenei steht dem konservativen Flügel näher als den Reformern, hat aber eine gute Beziehung zu Präsident Hassan Ruhani. Im Atomstreit hat er dessen Kurs unterstützt.
Deutschland hat bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm gerade am Anfang eine maßgebliche Rolle gespielt. Auch auf deutsche Initiative hin gab es bis 2005 mit Teheran rund 15 Treffen auf verschiedenen Ebenen. 2005 schien eine Einigung nahe, bis mit der Wahl des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad zum iranischen Präsidenten 2006 die Lage eskalierte und fortan die UN-Vetomächte USA, Russland und China ins Boot kamen. Deutschland betont, dass ein diplomatischer Erfolg sehr wichtig für den von Konflikten erschütterten Mittleren Osten wäre, fordert aber klar nachprüfbare Ergebnisse der Gespräche.
Obama zeigte Verständnis für die Bedenken der arabischen Verbündeten. Zugleich vertrat er die Einschätzung, dass der Iran sich im Falle eines Deals auf die Stärkung seiner Wirtschaft konzentrieren werde, die unter den Sanktionen gelitten habe. Im Ernstfall könne sich der Golfkooperationsrat im Übrigen darauf verlassen, dass die USA „einer externen Bedrohung der territorialen Integrität der Mitgliedsstaaten entgegentreten“ und diese abwehren werde, versprach Obama. In persönlichen Gesprächen legten der US-Präsident und dessen Berater den Teilnehmern Details zu den laufenden Verhandlungen mit Teheran dar. Zwar seien die Golfstaaten nicht gebeten worden, den noch unfertigen Deal zu „unterschreiben.“ Doch seien sie sich darüber einig, dass „eine umfassende, überprüfbare Lösung zu regionalen und internationalen Bedenken über Irans Nuklearprogramm auch im Sicherheitsinteresse“ des Golfkooperationsrats sei.
Zu dessen Mitgliedern gehören Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate. Zu dem ungewöhnlichen Treffen in Obamas Feriendomizil reisten aber nur zwei Staatschefs - die Emire von Katar und Kuwait. Riad wurde von Kronprinz Mohammed bin Najef und dessen Stellvertreter Mohammed bin Salman vertreten. König Salman kam nicht wie angekündigt nach Camp David. Das Weiße Haus und saudiarabische Regierungsvertreter spielten dessen Absage herunter.
Saudi-Arabiens Außenminister Adel Al-Dschubeir zeigte sich nach dem Gipfel verhalten zufrieden. Den arabischen Vertretern sei versichert worden, dass dem Iran sämtliche Wege zu einer Atombombe abgeschnitten würden. Allerdings könne man noch nicht sagen, ob ein endgültiges Nuklearabkommen annehmbar sein werde, schränkte Al-Dschubeir ein. „Wir wissen nicht, ob die Iraner die Bedingungen akzeptieren werden, die sie akzeptieren müssen.“ Große Skepsis über die Verhandlungen mit Teheran herrscht auch im US-Kongress. Er reservierte sich am Donnerstag mit überwältigender Mehrheit ein Mitspracherecht für ein mögliches Atomabkommen. Der Senat hatte bereits in der vergangenen zugestimmt. Obama muss das Gesetz jetzt noch unterschreiben.