Iran-Abkommen Trump, der Dealbreaker

Die US-Regierung macht den Weg für neue Sanktionen gegen den Iran frei. Der Atomkompromiss mit Teheran ist akut gefährdet. Die USA stehen nicht mehr für eine verlässliche Außenpolitik. Und Iran droht dem „großen Satan“.

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Sollten die Parlamentarier tatsächlich weitere Wirtschaftsstrafen beschließen, würde Iran das Abkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufkündigen. Quelle: AP

Berlin Es ist eine klare Botschaft, die das Weiße Haus an diesem Freitag in die Welt setzt. Sie besagt: Die Zeiten, in denen die USA für eine verlässliche Außenpolitik standen, sind endgültig vorbei. Mit seiner Weigerung, das Atomabkommen mit Iran zu bestätigen, unterminiert Präsident Donald Trump die globalen Bemühungen gegen die Verbreitung von Kernwaffen.

Trump hat am Freitag endgültig einen härteren Kurs gegenüber Iran einschlagen, indem er die laut amerikanischem Recht regelmäßig nötige Bestätigung des mit Teheran geschlossenen internationalen Atomabkommens verweigert. Zudem kündigte der US-Präsident neue Sanktionen gegen die Revolutionsgarden des Iran an und sagte, sie unterstützten Terrorismus.

Grund für seine Weigerung, Iran die Einhaltung des Atomabkommens zu bescheinigen – was die internationale Atombehörde gerade getan hatte - sei unter anderem, dass die Islamische Republik mehrfach gegen das Abkommen verstoßen und ihre aggressive Politik seit der Unterzeichnung der Vereinbarung 2015 weiter verschärft habe, sagte Trump in einer Rede am Freitag. „Die Geschichte hat gezeigt: Je länger wir eine Bedrohung ignorieren, umso größer wird diese Bedrohung“, sagte Trump. Das Abkommen werde beendet, wenn es dazu keine Einigung mit dem US-Kongress und den Verbündeten gebe. Iran kündigte bereits im Vorfeld der Rede eine scharfe Reaktion an, sollte Trump neue Sanktionen verhängen.

Das 2015 vereinbarte Abkommen Irans mit den fünf UN-Sicherheitsratsmächten sowie Deutschlands gilt als eine der wichtigsten diplomatischen Errungenschaften der vergangenen Jahre. Teheran verzichtet auf die Anreicherung von Uran und die Entwicklung militärisch nutzbarer Nukleartechnologie ¬ im Gegenzug lockert die internationale Staatengemeinschaft die Sanktionen, die die iranische Wirtschaft gelähmt haben. Was zwölf Jahre lang ausgehandelt wurde, stellt Trump in seinem ersten Amtsjahr infrage. Richard Haass, Chef des Council on Foreign Relations, bilanziert: „Trumps Außenpolitik hat ihr Thema gefunden: Die Doktrin des Ausstiegs.“

Während Trump am Freitag das Atomabkommen erneut als „einen der schlimmsten Deals“ bezeichnete, den die USA je eingegangen seien, sehen Amerikas Bündnispartner das anders: Deutschland, die EU, Russland und alle anderen beteiligten Länder hatten im Vorfeld unisono betont, Iran halte sich an die Abmachung und ein Ausstieg der USA aus dieser diplomatischen Lösung werde verheerende Folgen für die gesamte Region und weitere diplomatische Krisenlösungsversuche etwa in Nordkorea haben. Trump hingegen argumentierte, die Kontrollen iranischer Anlagen seien zu schwach, Iran könne währenddessen weiter an Atomwaffen arbeiten.

Trump versucht zwei Dinge zu erreichen: Einerseits, ein Wahlversprechen zu erfüllen – er hatte den Atomvertrag als „schlechtesten Deal aller Zeiten“ verflucht. Andererseits will das Weiße Haus den diplomatischen Schaden in Grenzen halten. Trump ließ sich von seinen Beratern davon überzeugen, den Vertrag nicht einseitig aufzukündigen. Der Präsident begnügt sich damit, das Abkommen nicht zu „zertifizieren“. Die Entscheidung über neue Sanktionen überlässt er dem Kongress. Der Kongress hat nun 60 Tage Zeit, über die Wiederaufnahme von Sanktionen gegen den Iran zu entscheiden, die nach dem Abschluss der Vereinbarung ausgesetzt worden waren.

Sollten die Parlamentarier tatsächlich weitere Wirtschaftsstrafen beschließen, würde Iran das Abkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufkündigen. Die deutsche Wirtschaft, die darauf hofft, an alte Geschäftskontakte mit Iran anknüpfen zu können, warnt bereits: „Die Rückkehr von Sanktionen wäre eine große Gefahr für die Wiedereingliederung des Landes in die Weltgemeinschaft“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf. „Das Atom-Abkommen hat Modellcharakter, weil mit den Mitteln der Diplomatie die militärische Nutzung von Nukleartechnologie gestoppt werden konnte.“

Schon jetzt ist fraglich, ob Teheran das Verhalten Trumps hinnimmt. Denn internationale Kontrolleure können keinen Anhaltspunkt dafür finden, dass Iran gegen das Abkommen verstößt und sein Atomprogramm heimlich weiter vorantreibt. Das bestätigte zuletzt die Internationale Atombehörde in Wien. Sogar Trumps Verteidigungsminister James Mattis bestätigte das kürzlich bei einer Kongressanhörung und betonte, dass es im Interesse der USA sei, das Abkommen zu bewahren. Es gibt also keinen Anlass für die „Nichtzertifizierung“ des Abkommens durch das Weiße Haus, Trump handelt aus innenpolitischen Motiven.

Durch Trumps Politik gerät auch das fragile Gefüge in Teheran durcheinander: Zuletzt hatten die Hardliner um Religions- und Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei bei immer mehr Reformkräften Repressalien wie Hausarrest oder Verhaftung von Verwandten ausgesetzt. Der reform-orientierte Präsident Hassan Rouhani hatte sich bei der Präsidentenwahl im Mai 2017 überraschend klar und im ersten Wahlgang gegen Chameneis Radikal-Kandidaten durchgesetzt. Die Reformer hatten seither Veränderungen zu Lasten der Kleriker durchgesetzt. Das steht nun alles auf dem Spiel.

Irans Parlamentschef Ali Laridschani machte bereits am Freitag deutlich, dass Iran Trumps Ankündigung und neue US-Sanktionen als Ende des Atomdeals betrachte. Teheran würde sich dann auch nicht mehr an das Abkommen gebunden fühlen, sagte Laridschani am Rande eines Treffens im russischen St. Petersburg.

Noch weiter geht der Chef der iranischen Revolutionsgarden, General Mohammad Ali Jafari, der mit einem Raketenschlag droht: „Wenn die USA neue Sanktionen verhängen sollten, sollten sie ihre Militärbasen im Mittleren Osten 2000 Kilometer weit weg von Irans Grenzen postieren.“ Denn Iran würde US-Basen angreifen, wenn Washington Teherans Revolutionsgarden als Terrororganisation einstufen und mit weiteren Sanktionen belegen sollte. Die USA unterhalten in den meisten arabischen Nachbarstaaten am Persischen Golf Militärbasen – besonders große in Katar und Bahrain – nur etwa 800 Kilometer von Iran entfernt und somit in Reichweite iranischer Raketen.

Der führende Kleriker des wichtigen Freitagsgebets in Teheran, Ajatollah Mowahedi Kermani, nannte Trump und die USA einen „großen Satan“. Er geißelte die Reformer in Iran, die auf die von Barack Obama begonnenen Verhandlungen hereingefallen seien und das Land so verraten hätten. Die radikalen Hardliner erhöhen so mächtig den Druck auf Reformer Rouhani, der sich in letzter Zeit wieder einig zeigt mit Chamenei. Rouhani wird nach Einschätzung westlicher Diplomaten in Teheran „die Luft zum Atmen“ genommen, er müsse angesichts der Herausforderungen von außen den „Kleinkrieg mit den Hardlinern im Kampf um Fortschritte bei Reformen“ einstellen und sich hinter den Revolutionsführer stellen, der den USA die Stirn bieten wolle.

Zwar ist unstrittig, dass Iran im Nahen Osten eine destabilisierende Rolle spielt und Terrorgruppen wie die Hisbollah im Libanon unterstützt. Diese Aktivitäten waren allerdings nicht Gegenstand des Abkommens, sondern nur das iranische Atomprogramm. Trumps Entscheidung wird auch Auswirkungen auf die Nuklearkrise mit Nordkorea haben. Die Lektion, die Pjöngjang wahrscheinlich ziehen wird, lautet: Verhandeln lohnt sich nicht.

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