Iran Die Gefahren des Iran-Geschäfts

Mit dem Ende der EU-Sanktionen hoffen deutsche Unternehmen auf gute Geschäfte im Wachstumsmarkt Iran. Die wird es aber vorerst kaum geben. Die Banken halten sich mit Krediten zurück, weil sie hohe Risiken sehen.

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Nach der Aufhebung der Sanktionen: Iraner wollen die Wirtschaft wieder zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit führen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Linienflieger nach Teheran sind dieser Tage gut gebucht. Voller Euphorie pilgern Vertreter deutscher Mittelständler neuerdings in den Iran. Mit dem Fall der EU-Sanktionen gegen das Land mit rund 80 Millionen Einwohnern öffnet sich für sie ein Markt mit einem gewaltigen Modernisierungsbedarf.

Es fehlt an allem: Ölfelder liegen brach, weil die Nachfrage nach iranischem Öl wegen der Sanktionen eingebrochen ist. Es bedarf neuer Pumpen und Kompressoren, um die Förderung wieder hochzufahren. Fabriken verlieren an Wettbewerbsfähigkeit, allein weil man für die vielfach deutschen Maschinen darin keine Ersatzteile bekommt. Krankenhäusern fehlt die Ausstattung mit Medizintechnik, den Autoverkehr dominieren uralte Dreckschleudern.

Logisch, die Deutschen sind voller Erwartungen ob des großartigen Neugeschäfts. Vor Ort treffen sie auf Iraner, die sehr genau wissen, was sie wollen und deutschen Exporteuren und erst Recht Investoren große Wertschätzung entgegenbringen.

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„Ideale Bedingungen mit weitgehender Steuerfreiheit oder Visa-freier Einreise in die Sonderwirtschaftszonen“ gelobt ihnen etwa Mohammed Khazaee, der Vize-Minister für Wirtschaft und Finanzen. Nader Maleki, ein auf das Land spezialisierter Berater aus Frankfurt, sagt aber: „Der Iran wird sicherlich 100 Milliarden Dollar aufwärts investieren müssen, um die Wirtschaft wieder zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu führen.“

Offen bleibt indes die Frage: Wer soll das bezahlen? Zwar ist der Iran reich an Öl und Gas, doch der Export der Rohstoffe ist beim aktuell niedrigen Ölpreis keinesfalls profitabel. Zwar werden mit der Lockerung der Sanktionen rund 100 Milliarden Dollar eingefrorenen iranischen Staatskapitals verfügbar. Doch es wird rasch im hoch defizitären Staatshaushalt verschwinden. Unternehmen müssen zudem Verbindlichkeiten gegenüber asiatischen Lieferanten begleichen.

Kurzum: Im Land fehlt bis auf weiteres das Geld für große Einkäufe. Aber was ist mit Kapital von den internationalen Märkten? Theoretisch wird es einfacher für (westliche) Investoren, in den Iran zu liefern. Praktisch halten sich alle Financiers bis auf weiteres zurück.

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Der Iran feiert die Einigung im Atomstreit und das Ende der Sanktionen. Quelle: AP
Gasfeld "South Pars" Quelle: AP
Siemens Quelle: dpa
Shell Quelle: AP
Energiekonzern Eni Quelle: REUTERS
Flugzeugbauer Airbus und Boeing Quelle: AP
Baubranche Quelle: REUTERS

Die USA haben die Sanktionen nur abgespeckt, nicht aufgehoben, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt des Pariser Exportkreditversicherers Euler Hermes. Für jedes Geschäft müsse man also weiter „umfassend prüfen“, ob etwa einer der Anteilseigner der Spedition vor Ort mit den Revolutionswächtern in Zusammenhang steht – was als Verstoß gegen das US-Sanktionsregime teuer werden könnte. Subran registriert ein großes Interesse mittelständischer Kunden am Iran-Geschäft, warnt aber: „Vorläufig bleibt der Iran ein Markt mit hohen Risiken.“

Mittelständler sollten geduldig und vorsichtig sein, so Subran: „Mit zweistelligen Wachstumsraten ist schon wegen des niedrigen Ölpreises sowieso nicht zu rechnen.“ Euler Hermes plant für dieses Jahr, ein Büro in Teheran zu eröffnen – und 2017 sei dann mit einer Wiederaufnahme des Geschäfts zu rechnen. Im Bundeswirtschaftsministerium heißt es, man „prüfe“ die Wiederaufnahme der Vergabe von Hermes-Bürgschaften. Will heißen: Es wird so rasch keine Garantien geben

Bankern schlottern die Knie

Im Alltag jedes Mittelständlers spielen Bürgschaften und Exportkreditversicherungen eine ganz entscheidende Rolle. Die Versicherer springen ein, wenn ein Abnehmer zahlungsunfähig wird – was bei neuen und komplizierten Märkten durchaus denkbar ist. Kaum ein Mittelständler würde ein Handelsgeschäft ohne Absicherung wagen. Und wenn die Versicherungen am Markt nicht verfügbar sind, gibt es eben keinen Handel.

Kritischer noch als die Versicherer schätzen Großbanken das Iran-Geschäft ein. Bei der Commerzbank will sich niemand auch nur im Hintergrund zum Business in einem der größten Wachstumsmärkte der Welt äußern. Die Frankfurter sind gebrannte Kinder: Wegen Verstößen gegen US-Exportrecht plus anschließender Verschleierung verdonnerte die dortige Justiz die Bank im März 2015 zu einer Strafzahlung über 1,45 Milliarden Dollar – es war ein Vergleich, mit dem man den Einzug der Banklizenz für den US- und Dollar-Markt verhindern konnte.

Glimpflicher kam die Deutsche Bank davon (Vergleichshöhe: 258 Millionen Dollar), noch schlimmer traf es Frankreichs BNP Paribas (8,9 Milliarden Dollar).

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Entsprechend schlottern den Bankern die Knie. Ein Marktteilnehmer sagt, was sie in der Branche offenbar alle denken: „Wir werden nicht gegen die Sanktionen verstoßen, selbst wenn wir kein US-Geschäft haben. Denn wir emittieren in US-Dollar und das soll auch so bleiben.“ Auch nachdem die Amerikaner ihr Sanktionspaket zusammengestrichen haben, hingen die Banken „zwischen Baum und Borke“: Wie rigoros setzen die US-Behörden ihr Sanktionsrecht außerhalb des Landes durch? Das ist die Frage, an der die Finanzierungen im Moment hängen.

Unabhängig davon fällt es gerade den vorsichtigen Deutschen schwer, das Dickicht der iranischen Wirtschaftsstrukturen zu durchschauen. „Es gibt einige Unternehmen, die vor den Sanktionen bereits im Iran im Geschäft waren“, sagt Thomas Wülfing, Chef der auf den Iran spezialisierten Hamburger Unternehmensberatung Germela. „Aber für die meisten Investoren ist der Iran eine Art ‚Black Box‘.“ Wülfing weiß: Wer im Iran Fuß fassen will, muss sich „wohl oder übel auf eine gewisse Staatsnähe seiner Partner einlassen“.

Aber welche Personen stehen auf den US-Sanktionslisten? Mit wem kann man Geschäfte machen? Wülfing sagt, wohl nicht ganz uneigennützig: Es brauche ein regelrechtes Navigationssystem vor Ort, die die Beziehungen zu den unterschiedlichen Machtgruppen Teherans durchschauen.

Manche Unternehmen stehen den Religionswächtern nahe, andere dem Militär, wieder andere stehen unter Kontrolle von Investmentfonds, die das Vermögen des Schahs verwalten. „Mit allen Machtgruppen gleichzeitig kann man keine Geschäfte machen“, sagt Wülfing. Für alle von ihnen gelte aber: „Sie sind so offen für Gemeinschaftsunternehmen wie nie zuvor.“

Und so wagen sich vorher nur wenige aus der Deckung: Daimler will mit früheren Partnern im Iran die Fertigung von Lkw und Motoren wieder aufnehmen. Siemens hofft auf die Lieferung von 500 Zügen. Beide Konzerne sind groß genug, um die damit verbundenen Risiken abzusichern.

Für den deutschen Mittelstand gilt das nicht. Und so werden die meisten hiesigen Unternehmer vom großen Geschäft im Iran vorerst nur träumen dürfen.

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