Iran-Konflikt Machen die Revolutionsgarden auch Geschäfte in Deutschland?

Irans religiöses Staatsoberhaupt und oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei. Quelle: imago images

Die USA wollen Irans Wirtschaft ausbluten. Doch die steht in weiten Teilen unter Kontrolle der Revolutionsgarden. Sanktionen treffen diese Paramilitärs offenbar nicht - und ihre Spur könnte sogar nach Deutschland führen.

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Autofahren im Iran ist eigentlich eine saubere Angelegenheit. Die importierten Pkw dürfen meist nicht älter als zwei Jahre sein und müssen allen aktuellen Umweltstandards entsprechen. Und doch liegt auf diesem so sauberen Geschäft ein dunkler Schatten. „Seit dem Iran-Irak-Krieg kontrollieren die Revolutionsgarden den Import von Autos“, sagt Majid K., ein Kenner der iranischen Wirtschaft, gegenüber der WirtschaftsWoche. Weil er selbst aus dem Iran stammt und Probleme bei der Einreise fürchtet, soll sein richtiger Name hier nicht genannt werden.

Die iranischen Revolutionsgarden sind eine paramilitärische Organisation. Sie wird auch „Sepah“ oder inoffiziell verkürzt „Pasdaran“ genannt, was übersetzt „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“ bedeutet. Unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad besetzten Kommandanten der Revolutionsgarden einen Großteil der Ministerposten, Ahmadinedschad selbst hat ebenfalls den Rang eines Kommandanten. Die Revolutionsgarden sind dem religiösen Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber über die Streitkräfte Ali Chamenei unterstellt.

Der Einfluss der iranischen Revolutionsgarden auf die Wirtschaft des Landes ist auch in Fachkreisen derzeit ein brisantes Thema. Im April stuften die USA die Revolutionsgarden als terroristische Organisation ein. Doch nach wie vor werden weite Teile der iranischen Wirtschaft von dieser parallel zum Militär aufgebauten Armee mit rund 125.000 Männern kontrolliert. Zum Einflussbereich der Revolutionsgarden zählen neben dem Geschäft mit Erdöl und Erdgas etwa die Baubranche und auch manche Bankgeschäfte. Zumindest indirekt könnte die Spur des Einflusses der Revolutionsgarden auch nach Deutschland führen.

Gerade in den staatlich regulierten Bereichen von Irans Wirtschaft sind die Revolutionsgarden nach Angaben aus mehreren Quellen fest verankert. „Durch den Iran-Irak-Krieg hat die iranische Wirtschaft sehr gelitten. Deshalb wurde das Mandat der Revolutionsgarden damals auf wirtschaftliche Bereiche erweitert“, sagt Majid K.

Was privaten Unternehmen im Iran erlaubt und was ihnen verboten ist, regelt die iranische Verfassung von 1979. „Die Verfassung schreibt vor, dass alles, was aus dem Boden kommt und mit Naturschätzen zu tun hat, dem iranischen Volk gehört und nicht privatisiert werden darf. Entsprechend wurden nach der Revolution von 1979 Bereiche wie Erdöl, Erdgas, Agrar und Mining verstaatlicht“, sagt Alireza Siadat, Anwalt bei der Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons, der zuvor bei einer der „Big Four"-Unternehmensberatungen Firmen bei ihren Irangeschäften beriet. Für alles, was nicht mit Grund und Boden und Naturschätzen zu tun hat, gelten laut Siadat die Regeln der freien Marktwirtschaft.

So sollen die Revolutionsgarden ursprünglich in zwei Bereichen tätig gewesen sein: beim Export von Erdöl und Erdgas und bei der Errichtung von Infrastrukturen wie Straßen, Zuglinien oder Krankenhäusern. „Teilweise waren die Revolutionsgarden auch am Import von Metallen beteiligt, die im Iran benötigt wurden, aber im Land selbst nicht hergestellt werden konnten“, sagt Majid K. Dazu seien etwa Firmen gegründet worden, die unter dem Einfluss der Paramilitärs standen, aber von Strohleuten geleitet wurden. Diese Strategie ist laut Majid K. nach dem Krieg fortgesetzt worden.

Wie Majid K. wollen auch viele andere Iran-Experten, mit denen die WirtschaftsWoche gesprochen hat, lieber unerkannt bleiben. Statt per Telefon soll man sie über verschlüsselte Messenger-Dienste anschreiben. Auf viele Fragen bekommt man keine Antworten. Und viele, die antworten, machen das nur unter Zusage von absoluter Anonymität.

Interesse an deutscher Wirtschaft

Einer dieser anonymen Insider etwa ist sich sicher, dass heute ganze Industrien unter Kontrolle der Revolutionsgarden stehen. Dazu zählt auch die Baubranche. Bekannt ist etwa der Baukonzern Khatam Al-Anbiya, der auch bei großen Infrastrukturprojekte im Erdöl- und Erdgasbereich mitmischt.  

Ein wesentliches Kontrollinstrument der Revolutionsgarden seien zudem Stiftungen. Über diese fließen laut Majid K. finanzielle Mittel der Revolutionsgarden in bestimmte Industriebereiche. „Die Stiftungen investieren in Firmen, die wiederum staatlichen Unternehmen gehören“, sagt Majid K. Als Beispiel führt er eine iranische Bank an, die über eine Holding zu einer Stiftung der Revolutionsgarden gehört. „Diese Bank wollte auch in Deutschland um die Lizenz für eine Niederlassung ansuchen“, so Majid K.

von Volker ter Haseborg, Andreas Macho, Christian Schlesiger

Der deutsch-iranische Unternehmensberater Dawood Nazirizadeh, der zugleich die offizielle Kontaktstelle für die rheinland-pfälzische Wirtschaft in Iran ist, sieht zwar keinen direkten Einfluss der Revolutionsgarden auf iranische Unternehmen. Dennoch sei deren Einfluss auf die Wirtschaft enorm. „Die Revolutionsgarden haben Anteil an den staatlichen Einnahmen und sind entsprechend wirtschaftlich aktiv, um ihre Einnahmen zu verwalten“, so Nazirizadeh. Entscheidend sei vor allem ihr Netzwerk, das tief in die Wirtschaft reiche.

Devisen ermöglichen Importe

Weitreichend sei deren Einfluss laut Nazirizadeh aufgrund ihrer Kontrolle über den Import und Export bestimmter strategischer Güter. Zudem hätten die Revolutionsgarden einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Privatwirtschaft. „Die Revolutionsgarden haben Zugang zu Devisen. Das ist ein enormer strategischer Vorteil, den die Revolutionsgarden nutzen, um Schlüsselbranchen im Iran zu schützen“, so Nazirizadeh.

Die Strategie der USA, den Iran durch Wirtschaftssanktionen ökonomisch „ausbluten“ zu lassen, habe die Revolutionsgarden laut Nazirizadeh nicht getroffen. „Unter den Sanktionen leidet hauptsächlich die Privatwirtschaft. Die Revolutionsgarden haben weiterhin Zugang zu Devisen.“

Konkrete Erkenntnisse zu Holdings oder Treuhandgesellschaften der Revolutionsgarden in Deutschland hat Nazirizadeh jedoch nicht. Ausschließen will er sie aber nicht. „Ich fände es naiv zu glauben, dass die Revolutionsgarden in einem wirtschaftlich so wichtigen Land wie Deutschland keine aktive Treuhandgesellschaft hätten“, sagt Nazirizadeh.

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