Iran Wirtschaftliche Not überstrahlt die Angst vor Trump

Eine Kreuzung in Teheran. Quelle: AP

US-Präsident Trump warnt Iran auf Twitter mit deutlichen Worten vor einer Eskalation. So richtig will in den Straßen von Teheran keiner an einen Krieg glauben. Die Menschen leiden, viele suchen ihr Auskommen notgedrungen im Ausland.

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Sorgen um die Zukunft sind ein wiederkehrendes Gesprächsthema unter den Bewohnern Teherans. Die 80 Millionen Einwohner Irans leiden unter US-Sanktionen und einem Verfall der Währung, des Rials. Viele können sich Fleisch, Medikamente und Dinge des alltäglichen Bedarfs kaum noch leisten. Nun rätseln sie laut darüber, was die USA mit der Entsendung eines Flugzeugträgers und anderer Einsatzkräfte in die Region bezwecken. Als Grund nannte Washington eine bislang nicht näher erläuterte Bedrohung, die von Iran ausgehe.

Die Nachrichtenagentur AP sprach in jüngster Zeit auf den Straßen Teherans mit einer ganzen Reihe von Menschen: jungen wie alten, Frauen im Tschador, der den gesamten Körper verhüllt, und solchen, die ihr Haar nur lose bedecken. Die meisten sagen, sie glaubten nicht, dass ein Krieg in der Region bevorstehe. Dennoch sind sie bereit, ihr Land zu verteidigen. Sie sprechen sich für Gespräche mit den USA aus, um der Wirtschaft zu helfen, wenngleich sie US-Präsident Donald Trump als unberechenbaren und nicht vertrauenswürdigen Gegner betrachten.

„Trump ist überhaupt nicht berechenbar, und man weiß nicht, wie man auf ihn reagieren soll und was man richtigerweise gegen ihn tun sollte“, sagt Afra Hamedsadeh, eine 20-jährige Angestellte im öffentlichen Dienst und Studentin. „Da er die globale Wirtschaft kontrolliert, haben wir irgendwie kaum Optionen.“

Doch die Meinungen sind je nach Gesprächspartner unterschiedlich: Wer gerade vom Freitagsgebet kommt, äußert sich anders als Mitfahrer in einem Gemeinschaftstaxi oder Kunden der Kaffeestuben, die bei jungen Menschen beliebt sind. „Wenn Amerika etwas tun könnte, hätte es inzwischen schon vieles getan“, sagt die in einen Tschador gehüllte Soherh Sadeghi. Die 51-jährige Hausfrau kommt gerade vom Gebet. „Es kann nichts machen. Es kann rein gar nichts machen.“

Diese Ansicht teilt die 35-jährige Büroangestellte Massumeh Isadpanah. „Wenn jemand ständig versucht, dir Angst einzujagen, bedeutet das, dass er glaubt, noch nicht bereit für einen Krieg zu sein. Wenn jemand wirklich Krieg will, fängt er den Krieg direkt an. Als uns zum Beispiel der Irak angegriffen hat, fielen ganz plötzlich Bomben“, sagt sie. „Aber im Moment sagt Amerika nur: „Ich komme“, um dem Iran Angst zu machen.“

Der damalige irakische Machthaber Saddam Hussein ließ 1980 Truppen im Iran einmarschieren, der blutige Krieg dauerte acht Jahre. Dabei setzte Saddam Hussein Chemiewaffen ein, der Iran verlustreiche Wellenangriffe seiner Truppen. Insgesamt verloren bis zu eine Million Menschen ihr Leben. Seit Trump die USA im vergangenen Jahr aus dem internationalen Atomabkommen von 2015 zurückzog, berichtet das staatliche iranische Fernsehen zunehmend über die Verwundeten des damaligen Ersten Golfkriegs.

Im Stadtviertel Dschawadieh im Süden Teherans erklärt der Veteran Mohammed Ali Moghaddam, er sei bereit, erneut zu kämpfen. „Ich würde meine drei Söhne und Enkel ermuntern, den Iran ebenfalls zu verteidigen“, sagt der 58-jährige Schweißer. Die zweifache Mutter Aresu Mirsaei hat stärkere Bedenken. „Ich finde, die Regierung sollte etwas tun, um Krieg zu vermeiden“, sagt die 37-Jährige aus dem Zentrum der Hauptstadt. „Wenn Krieg gut wäre, dann wären Afghanistan und der Irak nicht in dem Schlamassel, den wir im Fernsehen mitbekommen.“ Taxifahrer Dschafar Hadawand stimmt ihr zu. „Ich glaube, beide Seiten werden verlieren, wenn sie einander bekämpfen“, sagt der 34-Jährige. „Ich glaube, es gibt auf beiden Seiten kluge Leute, die für Frieden eintreten, nicht für Krieg.“

Dennoch halten viele Menschen die Wirtschaft und nicht einen möglichen Krieg für das größte Problem des Irans. Als das Atomabkommen 2015 abgeschlossen wurde, wurden 32.000 Rial zu einem Dollar gehandelt. Inzwischen steht der Dollar bei 148.000 Rial, viele Menschen haben ihre gesamten Ersparnisse verloren. Die Arbeitslosenquote liegt bei zwölf Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit laut dem iranischen Statistikzentrum sogar bei einem Viertel.

„Die wirtschaftliche Lage ist sehr schlecht. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, und wer eine Arbeitsstelle hatte, hat sie verloren“, sagt die Hausfrau Sadeghi. „Junge Leute finden keine guten Jobs, sie können nicht heiraten oder auf eigenen Füßen stehen.“ Der Rentner Sores Maleki erklärt, Gespräche mit den USA über eine Lockerung der Sanktionen könnten der iranischen Wirtschaft Auftrieb geben. „Wir sollten mit Mut und Stärke mit Amerika sprechen“, sagt der 62-jährige frühere Buchhalter. „Wir können das machen, andere haben es bereits gemacht. Wir können Zugeständnisse machen und Zugeständnisse erhalten. Wir haben keine andere Wahl.“

Doch solche Verhandlungen seien schwierig, meint Resa Forghani, ein 51 Jahre alter Angestellter im öffentlichen Dienst. Iran müsse die USA dazu kriegen, „einen sehr festen Vertrag zu unterzeichnen, aus dem sie nicht entweichen können und den sie einhalten müssen“. Anderenfalls sollte der Iran aus dem Atomabkommen ausscheiden. „Wenn sich jemand weigert, Versprechen und Verpflichtungen einzuhalten, kann man das ein paar Mal tolerieren, aber dann kann man ganz sicher nicht dauerhaft daran gebunden bleiben. Man wird reagieren“, sagt Forghani.

Doch für junge Leute in Iran, von denen viele den Abschluss des Atomabkommens 2015 auf den Straßen feierten, fühlt sich die aktuelle Lage eher nach einem Begräbnis an. Viele sprechen ganz offen über die Möglichkeit, ein Visum - irgendein Visum - fürs Ausland zu erhalten. „Junge Leute haben viel Stress, und die Zukunft ist unbekannt“, sagt die 20-jährige Studentin Hamedsadeh. „Die Zukunft ist so ungewiss, dass man nicht planen kann. Das einzige, was man tun kann, ist, Iran irgendwie zu verlassen und sich im Ausland ein Leben aufzubauen.“

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