Islamischer Staat "Die Ideologie des IS wird in jedem Fall überleben"

Sicherheitsberater Florian Peil erklärt, was der Fall der IS-Hochburg Mossul für die Terrorgefahr in Europa und Deutschland bedeutet - und was jeder Einzelne tun kann, um sich vor dem Terrorismus zu schützen.

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Irakische Truppen auf dem Marsch in der Nähe von Mossul.

WirtschaftsWoche: Herr Peil, die Anschlagsserie von Paris jährt sich zum ersten Mal. Bei Angriffen unter anderem auf das Stade de France und das Bataclan-Theater töteten Terroristen 130 Menschen und verletzten mehr als 350. Wie hat dieses Attentat Europa verändert?

Florian Peil: Die Anschläge von Paris stellen eine Zäsur dar. Zum Einen waren sie ein Auftakt: Der IS hat damit deutlich gemacht, dass er in der Lage ist, verheerende Terroranschläge in Europa zu begehen, die ein hohes Maß an Planung und Vorbereitung erfordern. Zum Anderen haben sie die Wahrnehmung der Bedrohung durch den Terrorismus grundlegend verändert.

Inwiefern?

Der Terror der Jihadisten ist seit Paris ein Teil der Lebenswirklichkeit in Europa. Es hat zuvor schon verheerende Anschläge gegeben wie zum Beispiel den auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Januar 2015. Doch erst durch Paris ist vielen Menschen klar geworden, dass heute jeder Einzelne zum Ziel der Terroristen werden kann. 

Florian Peil Quelle: Presse

Wie bewerten Sie die Reaktion Europas?

Von einer einheitlichen Reaktion der Länder Europas kann man nur bedingt sprechen. Jedoch haben viele Staaten ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, zum Beispiel indem sie die Budgets, die Anzahl der Mitarbeiter sowie die Technik und Ausrüstung der Sicherheitsbehörden aufgestockt haben. Besorgniserregend ist indes eine Verschärfung der gesellschaftlichen Spannungen in Frankreich, aber auch in Deutschland. Diese sind zum Teil auf die gestiegene Zahl an Terroranschlägen zurückzuführen, vor allem aber auf die Flüchtlingskrise. Die damit einhergehende Unsicherheit hat rechtspopulistischen Bewegungen in einigen Ländern zum Aufschwung verholfen. Es ist eine Polarisierung der Gesellschaften zu beobachten. Und genau das ist im Interesse des IS, der unsere Gesellschaften destabilisieren und letztlich zerstören will. Wir dürfen nicht in diese Falle tappen. 

Zur Person

Was können wir dagegen tun?

Es hilft, sich vor Augen zu halten, dass es zwei Ebenen der Bedrohung gibt: die physische und eine psychische. Physisch heißt, dass ich das Opfer eines Terroranschlags werden kann. Dieses Risiko wird maßlos überschätzt. Die Bedrohung der Psyche wird indes unterschätzt. Denn die schrecklichen Bilder von Anschlägen können eine starke Belastung für die Psyche jedes Betrachters darstellen - ohne auch nur in der Nähe des Tatorts gewesen zu sein. Die Folge ist eine Verzerrung der Wahrnehmung: Menschen haben plötzlich Angst, öffentliche Plätze zu besuchen, auszugehen, mit der U-Bahn zu fahren. Wenn man sich einschüchtern lässt und aus Angst das eigene Leben ändert, haben die Terroristen ihr Ziel erreicht.

War das Attentat von Paris für den IS ein Wendepunkt?

Nach Paris hat die Anti-IS-Koalition den militärischen Druck auf den IS in Syrien und im Irak erhöht. In der Tat steht der IS militärisch in beiden Ländern massiv unter Druck.

Welche Konsequenzen hat das für Europa?

Der zunehmende Druck trägt dazu bei, die terroristische Bedrohung Europas mittelfristig zu verringern, weil es dem IS zunehmend an Rückzugsräumen fehlt, wo er Kämpfer ausbilden und Anschläge planen kann. Das hat aber auch den Effekt, dass sich der IS auf terroristische Taktiken zurückbesinnt, um seine Feinde zu attackieren und den eigenen Anhängern weiterhin Handlungsfähigkeit und Schlagkräftigkeit zu demonstrieren. Ich rechne daher zunächst mit einer Zunahme von Terroranschlägen, auch in Europa.

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