Islamischer Staat "Die Ideologie des IS wird in jedem Fall überleben"

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Ist der IS gescheitert?

Aktuell läuft die Offensive auf die IS-Hochburg Mossul. Der selbsternannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi hat seine Truppen bereits auf eine Niederlage eingestimmt. Ist das der Anfang vom Ende des Islamischen Staats?

Ein Zusammenbruch des sogenannten Kalifats ist sehr wahrscheinlich, auch wenn es bis dahin noch dauern dürfte. Die Schlacht um Mossul hat aus zwei Gründen eine große Bedeutung im Kampf gegen den IS. Zum einen ist Mossul die größte Stadt im Territorium des IS und hat damit eine wirtschaftliche Bedeutung für die Jihadisten. Zum anderen hat die Stadt einen symbolischen Wert für den IS, da al-Baghdadi dort im Sommer 2014 das Kalifat ausgerufen hat. Eine militärische Niederlage in Mossul hätte eine Signalwirkung für die Anhänger des IS, dass das Projekt einer Staatsbildung gescheitert wäre, was wiederum dazu führen dürfte, dass viele Anhänger die Legitimität des IS in Zweifel ziehen.

Aber nur das Staatsprojekt ist gescheitert, nicht die Organisation selbst?

Genau, der IS wird erst einmal weiterbestehen, sich aber von einer militärischen Macht in eine Aufstandsbewegung zurückverwandeln, die aus dem Untergrund heraus mit terroristischen Taktiken arbeitet. In jedem Fall wird die Ideologie die Organisation überleben. Der IS wird künftig weniger Kraft investieren, um Territorien zu halten. Das heißt aber nicht, dass er dieses Ziel vollkommen aufgibt. Es wird vorerst nur hintenan gestellt.

Frankreichs Antwort auf den Terror

Gibt es eine langfristige Strategie des IS in Europa

Dafür gibt es bis dato keine Belege. Der IS hat gegenwärtig andere Probleme: Es geht jetzt um das eigene Überleben. Eine Machtübernahme in Europa steht da überhaupt nicht zur Debatte. Aussagen in diese Richtung sind reine Propaganda im Sinne des IS.

Aus Deutschland sind 800 Menschen in den Irak und nach Syrien gereist, um sich jihadistischen Gruppen anzuschließen. 300 von ihnen sind bereits zurückgekehrt. Aktuell gehen Behörden von 520 Gefährdern  hierzulande aus. Was bedeutet es, wenn mehr Menschen von dort wieder zurückkehren?

Es ist anzunehmen, dass Kämpfer versuchen werden, nach Europa zurückzukehren. Das dürfte in vielen Fällen jedoch nicht ganz einfach sein. Die Sicherheitsbehörden sind jetzt stärker sensibilisiert als noch vor zwei Jahren und haben einiges dazu gelernt. Hinzu kommt, dass viele dieser Jihadisten bekannt und leicht zu identifizieren sind. Darunter dürften natürlich solche mit militärischer Ausbildung und Kampferfahrung sein. Das heißt aber nur bedingt, dass diese Personen auch in der Lage sind, hierzulande Terroranschläge zu planen und zu verüben. Dafür sind wiederum andere, spezialisierte Kenntnisse vonnöten.

Was aus den Pariser Attentätern wurde

In Deutschland hat es bisher nur Kleinstattentate gegeben. Sie schreiben in Ihrem Buch "Terrorismus - Wie wir uns schützen können", die Kleinstattentate sollten die Sicherheitsbehörden beschäftigen und von größeren Plänen ablenken. In Frankreich und Belgien habe der IS eine ähnliche Strategie vor den großen Attentaten verfolgt.

Das ist eine Möglichkeit. Der IS instrumentalisiert Einzeltäter, die durch Propaganda motiviert werden, Anschläge auf eigene Faust verüben. Diese Täter haben - wenn überhaupt - nur eine lose Verbindung zum IS, die in vielen Fällen rein virtueller Natur ist. Diese Variante bündelt die Aufmerksamkeit der Behörden und könnte der Ablenkung von größeren Planungen dienen. Die große Bedrohung geht von der Organisation IS aus. Diese plant, organisiert und führt große Anschläge durch, diese Absicht ist nach wie vor vorhanden.

Terror in Paris - Was wann geschah

In Ihrem Buch geben Sie konkrete Ratschläge, wie sich jeder Einzelne gegen den Terror wehren kann. Unter anderem fordern Sie den Leser auf, auf seine Umgebung zu achten.

In dem Buch mache ich Vorschläge, was jeder Einzelne gegen die Bedrohung durch den Terrorismus tun kann. Die Möglichkeiten liegen vor allem im präventiven Bereich, also bei der Verhinderung von Anschlägen. Ein Vorschlag ist, der eigenen Umgebung und das eigene Umfeld mit Wachsamkeit zu begegnen. Es geht darum, potentiell verdächtige Handlungen zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren. Diese erhöhte Wachsamkeit darf und soll jedoch nicht dazu führen, jeden Bartträger für einen möglichen Terroristen zu halten. Genau das Gegenteil ist das Ziel. Es geht schlicht darum, dass wir die Werte der Freiheit leben, aber trotzdem ein wachsames Auge auf das haben, was in unserer Umgebung passiert.

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