Aktuell läuft die Offensive auf die IS-Hochburg Mossul. Der selbsternannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi hat seine Truppen bereits auf eine Niederlage eingestimmt. Ist das der Anfang vom Ende des Islamischen Staats?
Ein Zusammenbruch des sogenannten Kalifats ist sehr wahrscheinlich, auch wenn es bis dahin noch dauern dürfte. Die Schlacht um Mossul hat aus zwei Gründen eine große Bedeutung im Kampf gegen den IS. Zum einen ist Mossul die größte Stadt im Territorium des IS und hat damit eine wirtschaftliche Bedeutung für die Jihadisten. Zum anderen hat die Stadt einen symbolischen Wert für den IS, da al-Baghdadi dort im Sommer 2014 das Kalifat ausgerufen hat. Eine militärische Niederlage in Mossul hätte eine Signalwirkung für die Anhänger des IS, dass das Projekt einer Staatsbildung gescheitert wäre, was wiederum dazu führen dürfte, dass viele Anhänger die Legitimität des IS in Zweifel ziehen.
Aber nur das Staatsprojekt ist gescheitert, nicht die Organisation selbst?
Genau, der IS wird erst einmal weiterbestehen, sich aber von einer militärischen Macht in eine Aufstandsbewegung zurückverwandeln, die aus dem Untergrund heraus mit terroristischen Taktiken arbeitet. In jedem Fall wird die Ideologie die Organisation überleben. Der IS wird künftig weniger Kraft investieren, um Territorien zu halten. Das heißt aber nicht, dass er dieses Ziel vollkommen aufgibt. Es wird vorerst nur hintenan gestellt.
Frankreichs Antwort auf den Terror
Der Ausnahmezustand wurde in der Pariser Terrornacht vom 13. November verhängt und im Sommer bis Anfang 2017 verlängert. Er gibt den Sicherheitsbehörden teils umstrittene Sonderrechte. So wurden bereits mehr als 4000 Hausdurchsuchungen ohne Richterbeschluss durchgeführt. Der Innenminister kann auch Hausarreste anordnen.
Die bereits im September 2014 begonnenen Luftangriffe gegen IS-Stellungen erst im Irak, dann auch in Syrien wurden ausgeweitet. Mehr als 1600 Bomben und Raketen haben französische Kampfjets bereits abgefeuert. Die Armee berät zudem irakische Kräfte und hat auch Artillerie geschickt.
Gleich mehrfach haben die Pariser Abgeordneten die Anti-Terror-Gesetze verschärft. Rückkehrer aus Kampfgebieten von Terrorgruppen können einen Monat unter Hausarrest gestellt werden, Ermittler leichter Abhörmaßnahmen nutzen, der regelmäßige Besuch terroristischer Webseiten ist strafbar. Menschen können bei Identitätskontrollen bis zu vier Stunden festgehalten werden, wenn ihr Verhalten einen Terrorverdacht nahelegt.
Die Regierung hat 5000 neue Stellen bei der Polizei zugesagt. Die Anti-Terror-Spezialeinheiten wurden neu aufgestellt. Eigentlich auf Kriminalitätsbekämpfung ausgerichtete Einheiten erhielten schwerere Waffen - auch deutsche G36-Sturmgewehre -, um bei Terror abseits der großen Zentren schneller eingreifen zu können.
Als Teil des Anti-Terror-Plans Vigipirate patrouillieren bis zu 10.000 Soldaten an gefährdeten Orten, etwa Pariser Touristenattraktionen und Bahnhöfen. Um die Sicherheitskräfte zu entlasten, wird eine Nationalgarde aufgebaut.
Für Großveranstaltungen gibt es oft strengere Auflagen etwa zu Taschenkontrollen.
Gibt es eine langfristige Strategie des IS in Europa
Dafür gibt es bis dato keine Belege. Der IS hat gegenwärtig andere Probleme: Es geht jetzt um das eigene Überleben. Eine Machtübernahme in Europa steht da überhaupt nicht zur Debatte. Aussagen in diese Richtung sind reine Propaganda im Sinne des IS.
Aus Deutschland sind 800 Menschen in den Irak und nach Syrien gereist, um sich jihadistischen Gruppen anzuschließen. 300 von ihnen sind bereits zurückgekehrt. Aktuell gehen Behörden von 520 Gefährdern hierzulande aus. Was bedeutet es, wenn mehr Menschen von dort wieder zurückkehren?
Es ist anzunehmen, dass Kämpfer versuchen werden, nach Europa zurückzukehren. Das dürfte in vielen Fällen jedoch nicht ganz einfach sein. Die Sicherheitsbehörden sind jetzt stärker sensibilisiert als noch vor zwei Jahren und haben einiges dazu gelernt. Hinzu kommt, dass viele dieser Jihadisten bekannt und leicht zu identifizieren sind. Darunter dürften natürlich solche mit militärischer Ausbildung und Kampferfahrung sein. Das heißt aber nur bedingt, dass diese Personen auch in der Lage sind, hierzulande Terroranschläge zu planen und zu verüben. Dafür sind wiederum andere, spezialisierte Kenntnisse vonnöten.
Was aus den Pariser Attentätern wurde
Identifiziert aus dieser Gruppe ist bisher nur Bilal Hadfi (20). Der Franzose wohnte in Belgien und sprengte sich vor dem Stadion in die Luft. Zwei weitere der drei Selbstmordattentäter waren als Flüchtlinge getarnt mit gefälschten syrischen Pässen über Griechenland nach Frankreich gekommen - ausgestellt auf die Namen Ahmed al-Mohammed und Mohammad al-Mahmod.
Chakib Akrouh (25), Abdelhamid Abaaoud (28) und Brahim Abdeslam (31) bildeten das zweite Kommando, das wahllos auf Gäste und Passanten feuerte. Abdeslam, in Belgien lebender Franzose, zündete seinen Sprengstoffgürtel. Akrouh und Abaaoud, Belgier marokkanischer Abstammung, konnten zunächst fliehen und starben am 18. November bei einem Polizeieinsatz im Vorort Saint-Denis.
Ein Massaker richteten Omar Ismaïl Mostefaï (29), Samy Amimour (28) und Foued Mohamed-Aggad (23) an. Mit ihren Sturmgewehren und Sprengstoffgürteln ermordeten die drei Franzosen 90 Menschen. Die drei Männer starben beim Zugriff der Polizei, zwei von ihnen zündeten ihre Bomben.
In Verbindung mit den Anschlägen wurden zahlreiche Verdächtige festgenommen, zwei mutmaßliche Beteiligte starben auch bei den Anschlägen von Brüssel. Die meisten von ihnen sollen bei der Vorbereitung geholfen, Bomben gebaut oder Autos gemietet haben. Als eine Schlüsselfigur gilt der Franzose Salah Abdeslam, Bruder von Brahim. Er wurde im März 2016 in Belgien festgenommen und sitzt in französischer Untersuchungshaft. Er soll das Killerkommando zum Stade de France gefahren, seinen eigenen Sprengstoffgürtel dann aber abgelegt haben. Warum, ist noch ungeklärt - zu den Fragen der Ermittler schweigt er.
In Deutschland hat es bisher nur Kleinstattentate gegeben. Sie schreiben in Ihrem Buch "Terrorismus - Wie wir uns schützen können", die Kleinstattentate sollten die Sicherheitsbehörden beschäftigen und von größeren Plänen ablenken. In Frankreich und Belgien habe der IS eine ähnliche Strategie vor den großen Attentaten verfolgt.
Das ist eine Möglichkeit. Der IS instrumentalisiert Einzeltäter, die durch Propaganda motiviert werden, Anschläge auf eigene Faust verüben. Diese Täter haben - wenn überhaupt - nur eine lose Verbindung zum IS, die in vielen Fällen rein virtueller Natur ist. Diese Variante bündelt die Aufmerksamkeit der Behörden und könnte der Ablenkung von größeren Planungen dienen. Die große Bedrohung geht von der Organisation IS aus. Diese plant, organisiert und führt große Anschläge durch, diese Absicht ist nach wie vor vorhanden.
Terror in Paris - Was wann geschah
Es gibt eine erste Explosion vor dem Stade de France im Pariser Vorort Saint-Denis. Dort spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft vor 80.000 Zuschauern gegen Frankreich.
Eine zweite Explosion ereignet sich nahe dem Stadion.
Im 10. Pariser Stadtbezirk, im Osten der Hauptstadt, schießen Täter auf Gäste der Bar „Le Carillon“ und des Restaurants „Le Petit Cambodge“. Die Staatsanwaltschaft spricht von 15 Toten - der Bericht der Nationalversammlung nur von 13. Verletzt wurden 22 Menschen.
Es fallen erneut Schüsse, diesmal vor der Bar „Café Bonne Bière“ und dem Restaurant „Casa Nostra“ im 11. Arrondissement, nicht weit entfernt vom Ort des ersten Anschlags. Bilanz: 5 Tote, 19 Verletzte.
Im Restaurant „Comptoir Voltaire“ sprengt sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. 16 Gäste werden verletzt.
In der Nähe des Stade de France gibt es eine dritte Explosion. Am Stadion sterben insgesamt vier Menschen - darunter die drei Attentäter.
Zwei Polizisten sind ins „Bataclan“ eingedrungen und schießen auf einen der Terroristen. Er kann jedoch seinen Sprengstoffgürtel zünden. Unter Feuer vom oberen Balkon des Saals müssen die Beamten sich wieder zurückziehen.
Das Freundschaftsspiel Frankreich gegen Deutschland endet mit einem 2:0-Sieg der Franzosen. Ein Sprecher kündigt an, wegen „Vorfällen im Umfeld des Stadions“ müssten die Zuschauer die Arena nach und nach verlassen. Dies gelingt reibungslos.
Die Polizei stürmt den Musikclub „Bataclan“. Die Operation dauert eine halbe Stunde. Die beiden verbliebenen Terroristen sterben, einer kann seinen Sprengstoffgürtel zünden. Es gibt 90 Anschlagsopfer. Dutzende werden verletzt.
In Ihrem Buch geben Sie konkrete Ratschläge, wie sich jeder Einzelne gegen den Terror wehren kann. Unter anderem fordern Sie den Leser auf, auf seine Umgebung zu achten.
In dem Buch mache ich Vorschläge, was jeder Einzelne gegen die Bedrohung durch den Terrorismus tun kann. Die Möglichkeiten liegen vor allem im präventiven Bereich, also bei der Verhinderung von Anschlägen. Ein Vorschlag ist, der eigenen Umgebung und das eigene Umfeld mit Wachsamkeit zu begegnen. Es geht darum, potentiell verdächtige Handlungen zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren. Diese erhöhte Wachsamkeit darf und soll jedoch nicht dazu führen, jeden Bartträger für einen möglichen Terroristen zu halten. Genau das Gegenteil ist das Ziel. Es geht schlicht darum, dass wir die Werte der Freiheit leben, aber trotzdem ein wachsames Auge auf das haben, was in unserer Umgebung passiert.