Islamismus Ein Terroranschlag für unter 10.000 Dollar

Der islamistische Terror hat seine Strategie geändert: Eine Studie zeigt, dass der IS seine Anschläge mit Mini-Budgets plant. Dabei ziehen die Dschihadisten auch Konsequenzen aus der Überwachung der Finanzmärkte.

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Attentate kosten in der Regel weniger als 10.000 Dollar. Quelle: AP

Tel Aviv Die mutmaßliche Schläferzelle, die von deutschen Sicherheitsbehörden in der vergangenen Woche ausgehoben wurde, arbeitete kostengünstig. Für die geplanten schweren Anschlägen an mehreren Orten in Düsseldorf hätte sie nur wenig Geld benötigt. Wenn Terroristen in Europa Attentate planen, ist Geld für sie oft das kleinste Problem. Die Mehrheit der Anschläge hat in den vergangenen Jahren jeweils weniger als 10.000 Dollar gekostet. Das zeigt eine Untersuchung des norwegischen Militärforschungsinstituts FFI zeigt.

Dschihadisten verlassen sich demnach bei der Finanzierung von Attentaten in aller Regel auf Mitglieder der Terrorzellen, auf ihre eigenen Einkünfte oder Ersparnisse. Nur ein Viertel der Anschläge der letzten Jahre erhielt ökonomische Unterstützung von internationalen Terror-Organisationen.

Im Laufe der letzten Jahren konnten die norwegischen Forscher zudem einen neuen Trend feststellen: Der Anteil der Terroristen, die ihre Anschläge selber finanzieren, hat zugenommen. Externe Finanzierung „ist kein entscheidender Faktor“, heißt es in der norwegischen Studie.

Die Forschungsarbeit stützt sich auf die Analyse von 40 europäischen Terror-Zellen in den Jahren 1994 bis 2013. Daraus geht auch hervor, dass bei der Terrorfinanzierung in Europa Diebstahl oder Drogenhandel relativ selten sind. Offen ist allerdings, wie sich die Kooperation mit internationalen Terrororganisationen beim Training und bei der Vorbereitung auf die Finanzströme auswirken. In vielen Fällen ließ sich aber trotz Zusammenarbeit kein entsprechender Geldfluss nachweisen.

Dass der Terror relativ kostengünstig ist, erschwert das Aufdecken der Attentäter. Sie sind nicht auf Finanztransaktionen angewiesen, es fließen ihnen keine auffallend großen Beträge aus suspekten Quellen zu, die den Behörden auffallen könnten.

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft sollten sich zwei Attentäter im Auftrag der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in der Düsseldorfer Altstadt in die Luft sprengen, weitere dann mit Schusswaffen und Sprengsätzen so viele Menschen wie möglich töten. Konkrete Vorbereitungen gab es nach Erkenntnissen der Ermittler noch nicht.


Islamische Stiftungen im Fokus der Ermittler

Die Düsseldorfer Terror-Planer flogen denn auch nur deshalb auf, weil ein mutmaßliches IS-Mitglied der Polizei in Paris laut AFP-Meldung die Anschlagpläne verraten hatte. Er habe „Informationen über eine Schläferzelle“, die in Deutschland zuschlagen wolle, soll der 28-jährige Syrer Saleh A. bereits im Februar verraten haben.

Der Islamische Staat, der wiederholt in Europa zugeschlagen hat, setzt selbst bei koordinierten Angriffen auf den kostengünstigen Terrorismus. So sollen im letzten Jahr die Anschläge von Paris nicht mehr als 10.000 Dollar gekostet haben. Obwohl sie koordiniert waren, benutzten die Attentäter im wesentlichen Bomben und Gewehre, lässt sich ein französischer Anti-Terror-Spezialist zitieren. Das koste kaum mehr als eine Handtasche von Hermès. Die Palästinenser machen es noch billiger: Ihnen reicht ein scharfes Küchenmesser oder ein Schraubenzieher.

Die Erkenntnis der norwegischen Anti-Terror-Forscher hat Konsequenzen für die Ermittler. Deren Aufmerksamkeit richtet sich oft auf islamische Wohlfahrts-Stiftungen, weil sie im Verdacht stehen, im großen Stil Terroraktionen zu unterstützen. Auf dem Radar haben die Behörden auch die informellen Finanzströme, die über das Hawala-System abgewickelt werden.

Weder islamische Stiftungen noch das informelle Bankensystem waren aber bei den untersuchten Terroranschlägen involviert, so die Studie. Indem sie Anschläge zunehmend aus eigenen Mitteln finanzieren, ziehen Terrorzellen die Konsequenzen aus der internationalen Kontrolle der Finanzmärkte und den verschärften Regulierungen, die nach den Angriffen auf Amerika von 2001 erlassen wurden. Europas Terroristen weichen diesem Regelwerk aus und erschweren damit das frühzeitige Auffliegen ihrer Terror-Pläne durch verräterische Finanztransaktionen,

Die Attacken vom 9. September waren im Vergleich teuer; Al-Kaida soll dafür mehrere Hunderttausend Dollar bezahlt haben. Doch das war die Ausnahme, die die Regel bestätigt: Terror kostet die Attentäter nicht viel Geld. Für die Attentate auf die US-Botschaften in Kenia und in Tansania im Jahre 1998 mussten die Terroristen lediglich 10.000 Dollar aufwenden und töteten damit mehr als 200 Menschen.

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