Islamisten an der Macht Erdogan und die AKP begraben die säkulare Türkei

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Die AKP verschleierte ihre Ziele

Die dritte Erkenntnis betrifft die AKP selbst. Bisher haben sich deutsche Wissenschaftler, Politiker und Journalisten gleichermaßen die AKP-Täuschung zu Eigen gemacht, mit der sie sich nach außen als demokratische Partei präsentierte, genauer gesagt: als Parallele zur deutschen CDU. Ich habe dagegen die AKP seit ihrer Gründung 2001 als islamisch-fundamentalistisch erkannt und sie in die oben angeführte Geschichte der fünf islamistischen Parteien eingeordnet. Zu dieser dritten Erkenntnis gehört die Einschätzung des Verhältnisses von Islamismus zu Demokratie. Im Jahr 2000 sagte Erdogan: „Die Demokratie ist ein Zug, in den wir einsteigen, bis wir unser Ziel erreichen.“ Heute erleben Europäer diese Geisteshaltung offen.

Diese dritte Erkenntnis zeigt: Islamismus und Demokratie „do not mix“, wie man im Amerikanischen sagt. Einer der größten außenpolitischen Fehler der Obama-Administration war und bleibt die enge Zusammenarbeit mit friedlichen Islamisten, von den ägyptischen Muslimbrüdern bis hin zur AKP. Dies tat Obama in der Illusion, die friedlichen Islamisten gegen die djihadistischen Islamisten für die eigene Politik zu mobilisieren. Er nahm dafür in Kauf, im Bündnis mit Islamisten gegen die alten Verbündeten, also gegen die Kemalisten, zu operieren.

"Blutvergießen in der Türkei muss ein Ende haben"
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Quelle: AP
Europaparlaments-Präsident Martin Schulz Quelle: dpa
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich „zutiefst beunruhigt“ über den Putschversuch in der Türkei geäußert. „Alle Versuche, die demokratische Grundordnung der Türkei mit Gewalt zu verändern, verurteile ich auf das Schärfste“, sagte Steinmeier in einer ersten offiziellen Reaktion am Samstag in Berlin. Quelle: dpa
Angela Merkel geht in Ulan Bator beim Asien-Europa-Gipfel zusammen mit Regierungssprecher Steffen Seibert zu einer Sitzung. Quelle: dpa
Außenminister Frank-Walter Steinmeier Quelle: dpa
türkische Soldaten am Taksim-Platz in der Nacht zu Samstag Quelle: dpa

Im westlichen Raum gehöre ich zu den Türkei-Experten, die seit mehreren Jahrzehnten vor dem Islamismus gewarnt haben. Ich wurde deshalb aus dem Verkehr gezogen; bekam einen Maulkorb verpasst, weil ich in zwei Büchern – „Aufbruch am Bosporus. Die Türkei zwischen Europa und dem Islamismus“ (1998) sowie „Mit dem Kopftuch nach Europa. Die Türkei auf dem Wege zur Europäischen Union“ (2005) – vor dem türkischen Islamismus gewarnt habe.

Ich tat dies auch in den USA: in meinem Artikel „Turkey’s Islamist Danger. Islamists Approach Europe“, der 2009 in der einflussreichen Zeitschrift „Middle East Quarterly“ erschien. Dieser Artikel veranlasste den von der AKP beherrschten Hochschulrat der Türkei, die Annullierung eines Rufes auf eine türkische Professur zum Aufbau von Middle Eastern Studies an der Bilkent University in Ankara anzuweisen. Dort hatte ich 1995 und 1998 als Visiting Professor gelehrt. Mir wurde von der AKP Islamophobie und Hetzerei vorgeworfen. Der Hochschulrat hat auf Anweisung des Büros von Erdogan gehandelt. Seitdem reise ich nicht mehr in die Türkei, weil ich dort auf der schwarzen Liste stehe.

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