Israel und Palästina Friedenskonferenz soll Explosion in Nahost verhindern

Seit Monaten kocht die Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis immer wieder hoch, die Situation erscheint verfahrener denn je. Kann eine französische Friedensinitiative neue Bewegung in die Krise bringen?

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Beerdigung eines 17-jährigen Palästinensers im Westjordanland, der von israelischen Soldaten getötet worden ist. Quelle: AP

Jerusalem/Kairo Im Hafen des Tel Aviver Vororts Jaffa weht ein lauer Wind. Israelis und Touristen flanieren vor der malerischen Mittelmeerkulisse. Plötzlich sticht ein palästinensischer Attentäter mit einem Messer wahllos auf Passanten ein. Dann rennt der 22-Jährige weiter, hunderte von Metern, und greift unterwegs immer wieder Spaziergänger an. Bei seinem Amoklauf tötet er einen US-Touristen und verletzt zehn weitere Menschen. Erst nach etwa 20 Minuten wird er am Dienstagabend in der Nähe eines Restaurants weiter nördlich auf der Strandpromenade von Polizisten erschossen.

Die Gewalt ist wieder Alltag in Nahost. 29 Israelis und mehr als 190 Palästinenser sind seit Anfang Oktober getötet worden; nach der blutigen Anschlagsserie von Palästinensern will Israel neue Sperranlagen bauen. „Die Situation im Moment ist katastrophal, eine Explosion ist sehr gut möglich“, warnt ein französischer Diplomat.

Doch zwischen Terroranschlägen, Syrienkrieg und Flüchtlingskrise ist die verfahrene Lage in Nahost in den Hintergrund gerückt. Zu viele haben sich dort die Zähne ausgebissen. Seit dem Scheitern der Initiative von US-Außenminister John Kerry vor fast zwei Jahren herrscht Stillstand. Nun will Frankreich neue Bewegung in die Sache bringen: Paris trommelt für eine Friedenskonferenz.

Außenminister Jean-Marc Ayrault wirbt derzeit in Kairo um Unterstützung arabischer Länder, am Montag will er dies bei seinen EU-Kollegen in Brüssel tun. Ob sein Vorstoß mehr Erfolg hat als frühere Anläufe, ist aber höchst fraglich – aus Israel ist Skepsis zu hören, zumal frühere französische Initiativen ins Leere liefen.

„Der Status quo ist nicht haltbar“, sagte der vor wenigen Wochen ins Amt gekommene französische Chefdiplomat in seinem ersten Interview. „Alle stellen das fest, niemand macht etwas“, heißt es in Pariser Diplomatenkreisen. Dort wird auch das Argument genannt, dass die Fortdauer des Konflikts Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat (IS auch Daesch genannt) in die Hände spielt: „Es gibt eine Verbindung zwischen dem Phänomen Daesch und der Radikalisierung, auch in Frankreich, und dem israelisch-palästinensischen Konflikt.“ In Israel stoßen solche Vergleiche allerdings auf große Empörung.

Der Plan der Franzosen hat zwei Stufen: Ein erstes Treffen ohne die Konfliktparteien soll im Frühjahr klären, wie man Israelis und Palästinenser wieder an einen Tisch bekommen kann. Paris will dabei neben dem Nahost-Quartett (USA, Russland, EU und Vereinte Nationen) auch arabische Staaten einbinden. Der zweite Schritt wäre dann die eigentliche Friedenskonferenz, als Termin ist der Sommer im Gespräch.


„Das macht im Voraus klar, dass die Konferenz scheitern wird.“

Die Voraussetzungen sind allerdings nicht die Besten – nicht nur wegen der Gewalt. Frankreich zerschlug Anfang des Jahres Porzellan in Israel, als es ankündigte, im Fall eines Scheiterns Palästina als Staat anzuerkennen. Als „verwirrend“ rüffelte Premierminister Benjamin Netanjahu diese Drohung, die allerdings auch nicht ganz neu war. „Das macht im Voraus klar, dass die Konferenz scheitern wird.“ Der kurz danach ernannte neue französische Außenminister Ayrault wiederholte die klare Ansage seines Vorgängers bislang nicht.

Positiver fiel die Reaktion auf palästinensischer Seite aus. Präsident Mahmud Abbas äußerte die Hoffnung, dass eine internationale Konferenz zu dem Nahost-Konflikt ähnlich wie die Gespräche im Atomstreit mit dem Iran zu einer Lösung führen könnten. In manchen EU-Staaten gab es allerdings in der Vergangenheit auch Bedenken, ob ein neues Format neben dem Nahost-Quartett wirklich sinnvoll ist.

Entscheidend dürfte letztlich die Haltung der USA sein, des wichtigsten Verbündeten Israels – wobei die Beziehung derzeit unter dem schlechten Klima zwischen Netanjahu und US-Präsident Barack Obama leidet. Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hat gerade erst gezeigt, dass die Israelis am ehesten die USA in der Rolle eines ehrlichen Maklers sehen, während die Palästinenser die Europäische Union bevorzugen. US-Vizepräsident Joe Biden traf sich gerade mit dem israelischen Ex-Präsidenten Schimon Peres, als am Dienstagabend ganz in der Nähe der US-Tourist getötet wurde.

Ingrid Ross, die Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ost-Jerusalem, schrieb schon vor einigen Monaten auf „Zeit Online“: „Um zu einer dauerhaften Beruhigung der Lage zu kommen, führt wohl kein Weg daran vorbei, einen neuen Anlauf zur Beendigung der Besatzung und der Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung zu nehmen.“ In Paris heißt es nüchtern: „Wir werden den Konflikt nicht in drei Monaten lösen. Aber wir müssen wieder einen Prozess anstoßen.“

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