
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will im Falle eines Sieges bei der Wahl in einer Woche das Jordantal im Westjordanland annektieren. In der Folge wolle er auch andere jüdische Siedlungen in dem Palästinensergebiet unter israelische Souveränität bringen, kündigte Netanjahu am Dienstag an. Arabische Spitzenpolitiker reagierten mit Empörung, UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte ein solcher Schritt wäre „verheerend“ für die gesamte Idee einer Zwei-Staaten-Lösung.
Das Jordantal gilt als Kornkammer eines künftigen palästinensischen Staats, der den Gazastreifen und das Westjordanland umfassen soll, mit Ostjerusalem als Hauptstadt - alles Gebiete, die Israel 1967 eroberte. Würde Netanjahu seine Drohung wahr machen, würden den Palästinensern vom Westjordanland nur noch vereinzelte Enklaven bleiben.
„Es besteht die historische Gelegenheit, eine einmalige Gelegenheit, israelische Souveränität auf unsere Siedlungen in Judäa und Samaria und ebenso auf andere wichtige Regionen für unsere Sicherheit, für unser Erbe und für unsere Zukunft auszudehnen“, sagte Netanjahu und verwendete dabei die biblischen Namen der Gebiete.
Es sei wichtig, jetzt zu agieren, da US-Präsident Donald Trump beabsichtige, nach der israelischen Wahl seinen lange erwarteten Nahostfriedensplan vorzulegen. Netanjahu sagte nicht, ob er auch die Annexionspläne mit Trump abgesprochen habe. Aus US-Regierungskreisen verlautete aber, man habe keine Einwände dagegen.
Netanjahu sagte nichts dazu, was dann mit den Palästinensern im Westjordanland passieren solle. 2,5 Millionen von ihnen leben dort und in Ostjerusalem, dazu kommen noch einmal 700.000 jüdische Siedler. Ostjerusalem hat Israel bereits annektiert, was international allerdings nicht anerkannt wird. Auch die jüdischen Siedlungen dort und im Westjordanland werden vom Großteil der internationalen Gemeinschaft als illegal abgelehnt.
„Eine ernsthafte Eskalation“
Seine politischen Gegner Jair Lapid und Ehud Barak taten Netanjahus Ankündigung als Wahlkampfrhetorik ab, mit der er Stimmen der ultraorthodoxen Siedlerbewegung gewinnen wolle. In Israel wird am 17. September ein neues Parament gewählt, nachdem Netanjahu nach der letzten Wahl im April keine Regierungsmehrheit zusammen bekommen hatte. Auch damals hatte er bereits eine solche Annexionsankündigung gemacht, aber nie umgesetzt.
Sollte Netanjahu seine Pläne tatsächlich vorantreiben, würden die Palästinenser alle Abkommen mit Israel aufkündigen, sagte der palästinensische Präsident Mahmud Abbas. Der jordanische Außenminister Aiman Safadi sagte: „Das ist eine ernsthafte Eskalation, die alle Friedensbemühungen untergräbt“.
Für Israel ist das Jordantal von strategischer Bedeutung, denn es bildet eine Pufferzone gegen mögliche Angriffe aus dem Osten. Auch viele moderate Israels sind der Meinung, dass ihre Regierung bei einem Friedensabkommen eine gewisse Kontrolle über das Gebiet behalten sollte. Für die Palästinenser ist es nicht nur wegen seines fruchtbaren Bodens ein Herzstücks ihres möglichen künftigen Staates, es ist auch eine der einzigen Gegenden, in denen es noch freie Flächen zur Bebauung gibt.
Nach seiner Ankündigung musste Netanjahu wegen zweier aus dem Gazastreifen abgefeuerter Raketen einen Wahlkampfauftritt unterbrechen. Er wurde von seinen Leibwächtern von der Bühne gebracht, als in der südisraelischen Stadt Aschdod ein Raketenalarm ertönte. Bereits wenige Minuten später kehrte er aber wieder zurück und setzte seine Rede fort. Das israelische Militär teilte mit, die beiden Raketen seien abgefangen worden.
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