Der 49-jährige Lapid hat außer als Talkshow-Moderator sein Geld schon als Nachrichtensprecher, Kinderbuchautor, Zeitungskolumnist (da ging es nie um Politik oder Wirtschaft) und Schauspieler verdient, aber niemals mit irgendeiner Tätigkeit, die ökonomische Vorbildung verlangt. Wie Wirtschaftspolitik zu sein hat, hat er aber von engen Freunden gelernt: Zu denen rechnet die Tageszeitung „Haaretz“ den sehr erfolgreichen IT-Unternehmer Dani Tokatly, dessen Familie ursprünglich in der Versicherungswirtschaft reich geworden ist. Tokatly gilt als Multimillionär, Arnon Milchan, ein zweiter enger Freund Lapids, gar als Milliardär: Der Israeli ist in Hollywood engagiert und ist in der Heimat Mitbesitzer des Kanals 10. Dov Lautman, einer der prominentesten israelischen Superreichen, gehört angeblich ebenfalls zu Lapids besten Freunden. Und in seinem politischen Beraterkreis spielt Uri Schani eine wichtige Rolle: Der einstige Bürochef des früheren Ministerpräsidenten Ariel Scharon ist heute Geschäftsführer der Holding des Milliardärs Arkadij Gaydamak, einer der ganz Großen im internationalen Diamantenhandel. Was daran so bemerkenswert ist: Lapids Freunde und Berater sind geradezu ein "Who is who" der Leute, gegen die sich der israelische Massenprotest 2011 gerichtet hat. Und angeblich waren es vor allem diese Protestler – oder ein großer Teil von ihnen - die Lapid und 18 von ihm allein ausgesuchte Mitstreiter jetzt ins Parlament gewählt haben.
Die Paradoxie lässt sich nicht leicht auflösen. Die israelischen Wähler – oder jedenfalls ein großer Teil von ihnen – wollten wohl vor allem neue Gesichter in der Politik, die ihnen Wandel versprechen ohne gefährliche Experimente auf wirtschaftspolitischem oder gar außenpolitischem Terrain. In der Außenpolitik fordert Lapid eine sehr sanfte Korrektur der harten bisherigen Linie, in der Sozialpolitik billigen Wohnraum, wogegen keiner etwas hat, solange keine konkreten Schritte angekündigt werden. Am radikalsten ist Lapid in Fragen, die ausländische Beobachter Israels viel weniger aufregt als die Israelis selber: Das ist die De-facto-Befreiung Hunderttausender ultra-religiöser Juden und Hunderttausender Araber von Wehr- und Zivildienst, und das ist das Privileg der Ultra-Religiösen, ihre Kinder in halbstaatlichen Konfessionsschulen ohne jede praktische Bildung zu potenziellen Arbeitslosen von morgen zu erziehen. „Jesch atid“ will all das abschaffen, zwei bisherige Koalitionspartner Netanjahus mit zusammen 18 Parlamentsabgeordneten all das verteidigen.
Zwischen diesen beiden Gruppen wird in den kommenden Wochen der große Konflikt ausgetragen - mit Netanjahu als Schiedsrichter. Die internationalen Konflikte rund um Israel haben solange abzuwarten, wenn es nach den Politikern in Jerusalem geht.