Istanbul Dutzende Tote bei Anschlag auf Silvesterfeier

In einem der berühmtesten Istanbuler Nachtclubs wurden in der Silvesternacht mindestens 39 Menschen von einem Attentäter getötet. Unter den Toten sind zahlreiche Ausländer. Von dem oder den Angreifern fehlte nach der Tat jede Spur.

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"Es ist schwer, sich ein zynischeres Verbrechen vorzustellen"
Rettungskräfte und Sicherungskräfte sind nach einem Angriff auf einen der größten Nachtclubs im Zentrum Istanbuls am 1. Januar 2017 in Istanbul im Einsatz. Bei einem Angriff sind in der Silvesternacht nach offiziellen Angaben mindestens 39 Menschen getötet und 69 verletzt worden. Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin sagte, es habe sich um einen Terrorangriff gehandelt. Sahin sagte, der Angreifer habe mit einer langläufigen Waffe in einer sehr "grausamen und gnadenlosen Art auf unschuldige Menschen gefeuert, die dort das Neue Jahr feierten und Spaß hatten“. Quelle: dpa
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Quelle: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Quelle: dpa
Der russische Präsident Wladimir Putin Quelle: REUTERS
US-Präsident Barack Obama sprach der Türkei in einer ersten Reaktion sein Beileid aus Quelle: dpa
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Quelle: dpa

Bei einem Terrorangriff auf eine Silvesterparty in einem Club in der türkischen Millionenmetropole Istanbul sind mindestens 39 Menschen getötet worden, darunter zahlreiche Ausländer. Nach Regierungsangaben wurden 65 Menschen verletzt. Mindestens ein bewaffneter Angreifer drang kurz nach Anbruch des neuen Jahres in den bekannten Club Reina am Bosporusufer ein, schoss um sich und richtete ein Blutbad unter den Feiernden an.

Von dem Angreifer oder den Angreifern fehlte nach der Tat jede Spur. Zunächst bekannte sich niemand zu der Bluttat, die international scharf verurteilt wurde. Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin sagte: „Das ist ein Terrorangriff.“ Schon 2016 hatte der Nato-Staat eine ganze Reihe verheerender Anschläge verkraften müssen.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, weiter entschlossen gegen den Terrorismus zu kämpfen. Die Türkei werde alles tun, um „die Sicherheit und den Frieden ihrer Bürger zu gewährleisten“. Ziel der Terroristen sei es, „Chaos“ zu stiften.

Chronologie: Schwere Anschläge in der Türkei

Berichte über Weihnachtsmann-Kostüm dementiert

Innenminister Süleyman Soylu sagte, 20 der 39 Toten seien identifiziert worden. Bei ihnen handele es sich um 15 Ausländer und 5 Türken. Medienberichten und Angaben der jeweiligen Regierungen zufolge sind unter den Opfern Menschen aus Saudi-Arabien, Marokko, dem Libanon, Libyen, Tunesien, Frankreich, Israel und Indien.

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es: „Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht sagen, ob auch Deutsche betroffen sind.“ Das Ministerium bemühe sich mit Hochdruck um Aufklärung und stehe dazu in engem Kontakt mit den türkischen Behörden.

Auch Stunden nach dem Angriff war der Verbleib des Angreifers oder der Angreifer unklar. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die Behörden arbeiteten mit Hochdruck daran, die Identität des Täters festzustellen. Er dementierte Medienberichte, wonach der Angreifer ein Weihnachtsmannkostüm getragen habe. „Das ist nicht wahr.“ Yildirim sagte, es könne sein, dass der Angreifer seine Waffe im Club gelassen und sich im Tumult unter die Flüchtenden gemischt habe.

17.000 Polizisten waren in Istanbul im Einsatz

Innenminister Soylu sagte, Ermittlungen der Sicherheitskräfte deuteten darauf hin, dass es sich nur um einen Schützen gehandelt habe. Die Nachrichtenagentur DHA hatte gemeldet, zwei als Weihnachtsmänner verkleidete Terroristen seien in den Club eingedrungen und hätten das Feuer mit automatischen Waffen eröffnet. Auch eine Augenzeugin sprach von zwei Angreifern.

Gouverneur Sahin sprach von einem Attentäter, der sich um 01.15 Uhr Zugang zum Club verschafft habe, indem er am Eingang einen Polizisten und einen Zivilisten erschossen habe. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, zum Zeitpunkt des Angriffs seien 700 bis 800 Menschen in dem Club gewesen. Einige seien in den Bosporus gesprungen, um dem Angriff zu entkommen, berichteten Augenzeugen. Sie seien von Polizisten gerettet worden.

Erst drei Wochen zuvor waren bei einem Doppelanschlag in Istanbul 45 Menschen getötet worden, die meisten davon Polizisten. Dazu hatte sich die TAK bekannt, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die TAK und die PKK greifen vorrangig Sicherheitskräfte an. Ebenfalls im Dezember war in Ankara der russische Botschafter Opfer eines Anschlags geworden. Der Attentäter war ein türkischer Polizist. Die Regierung verdächtigt die Gülen-Bewegung, hinter dieser Tat zu stecken.

Der Zeitung „Hürriyet“ zufolge waren am Silvestertag acht Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Ankara festgenommen worden, die einen Anschlag in der Nacht geplant haben sollen.

Türkische Truppen sind derzeit in Nordsyrien in heftige Gefechte mit dem IS verwickelt. Nach dem türkischen Einmarsch im August hatte IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi im November zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen.

Große Terroranschläge in Europa

Zum Schutz vor Anschlägen waren in der Silvesternacht türkischen Medienberichten zufolge 17.000 Polizisten in Istanbul im Einsatz. An der zentralen Ausgehmeile Istiklal Caddesi kontrollierten Sicherheitskräfte die Zugänge und durchsuchten Taschen.

Die deutsche Botschaft hatte in einer Mitteilung an Deutsche angesichts der Terrorgefahr mitgeteilt: „Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen und Festlichkeiten an Silvester und Neujahr sollte verantwortungsvoll geprüft werden.“

Wenige Stunden vor dem Angriff hatte Präsident Erdogan in seiner Neujahrsansprache gesagt, die Türkei sei einem „neuen Unabhängigkeitskrieg“ ausgesetzt. „Die nationale Einheit, territoriale Integrität, Institutionen, Wirtschaft, Außenpolitik, kurz alle unsere Elemente, die uns als Staat aufrecht erhalten, werden scharf angegriffen“, erklärte er am Samstag.

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