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Italien Gentilonis Agenda

Seit Jahresbeginn hat Italien den Vorsitz der G7. Und ein Jahr den nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Für Premier Gentiloni haben zwei Themen Priorität: Russland und das Flüchtlingsproblem.

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Die Agenda hat der neue Premier in seiner ersten Jahres-Pressekonferenz vorgestellt, die zwei Wochen nach seinem Amtsantritt als Nachfolger des zurückgetretenen Matteo Renzi naturgemäß keine Bilanz sein konnte. Quelle: Reuters

Rom Wie gern hätte Matteo Renzi den Gastgeber gespielt. Schon im Mai 2015, beim G7-Gipfel in Japan, hatte er angekündigt, dass das nächste Spitzentreffen der führenden Industrienationen 2017 auf Sizilien stattfindet. Jetzt wird sein Nachfolger Paolo Gentiloni die Rolle des Gastgebers übernehmen. Die Vorbereitungen für das Treffen in der malerischen Küstenstadt Taormina laufen seit langem. Seit Jahresbeginn hat die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone den Vorsitz der G7.
Nicht nur in Italien gibt es einen Wechsel an der Spitze. Das Personaltableau hat sich gedreht. Zum ersten Mal wird der neue US-Präsident Donald Trump bei einem internationalen Gipfel sein, und nach den Wahlen in Paris auch der oder die neue französische Präsident/in. Dazu kommt nach dem Brexit die britische Premierministerin Theresa May.
Italien will diese Gelegenheit nutzen. Die Agenda hat der neue Premier in seiner ersten Jahres-Pressekonferenz vorgestellt, die zwei Wochen nach seinem Amtsantritt als Nachfolger des zurückgetretenen Matteo Renzi naturgemäß keine Bilanz sein konnte: „Wir werden den G7-Vorsitz nutzen, um zwei Themen in den Mittelpunkt zu stellen“, sagte Gentiloni in der Abgeordnetenkammer in Rom, „wir wollen dazu beitragen, dass sich die Beziehungen zu Russland anders gestalten und das Augenmerk auf die Mittelmeer-Region lenken.“

Russland gehört seit 2014 wegen der Ukraine-Krise und dem damit verbundenen Bruch des Völkerrechts nicht mehr zum Kreis der führenden Industrienationen. Nach den ersten Äußerungen Trumps zeichnet sich allerdings eine Wiederannäherung von Washington und Moskau ab. Deswegen will Gentiloni seinen G7-Vorsitz nutzen, um sich als Vermittler in Szene zu setzen. „Es geht nicht darum, Prinzipien aufzugeben, aber weg von der Logik des Kalten Kriegs zu kommen“, sagte er. Diese habe in der heutigen Zeit keinen Sinn mehr. In italienischen Medien wird bereits über Roms Rolle als „Eisbrecher“ spekuliert.
Nicht zufrieden ist man in Italien mit den 2014 verhängten EU-Sanktionen gegen Russland, auch wenn die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone diese immer mitgetragen hat. Erst beim EU-Gipfel Mitte Dezember – der erste an dem Gentiloni als Premier teilnahm – wurden die Sanktionen bis mindestens Ende Juli 2017 verlängert. Doch innerhalb der EU mehren sich die Stimmen, die auf die Verluste für die eigenen Wirtschaften hinweisen. Italien ist Russland historisch als Handelspartner besonders eng verbunden und vor allem abhängig von Energieimporten. Gentiloni, der seit 2014 Außenminister war, hofft nun auf Bewegung.
Auch in Russland setzt man Hoffnungen in Italiens neue Führung. Aus dem Kreml kam nach dem Amtsantritt des neuen Premiers am 12. Dezember eine Botschaft für Gentiloni: er sei in Russland bekannt als ein Förderer konstruktiver und für beide Seiten vorteilhafter Beziehungen zwischen Moskau und Rom. Putin sei bereit, die bilateralen Beziehungen weiter zu entwickeln und die Kräfte zu koordinieren, um die dringenden Probleme auf der europäischen und globalen Tagesordnung zu lösen. Die warmen Worte zwischen Italien und Russland könnten in Washington bei der aktuellen Lage allerdings ein falsches Signal senden.

Das Verhältnis zu den USA werde sich nicht ändern, betonte Gentiloni bei der Pressekonferenz. Die transatlantischen Beziehungen seien Eckpfeiler italienischer Politik. Die Renzi-Regierung hatte sich im Wahlkampf offen für Hillary Clinton ausgesprochen. Trump „könne Neuheiten einführen“ - mehr sagte Gentiloni nicht.
Beim zweiten großen Thema, dem Flüchtlingsproblem, fühlt sich Italien schon lange von den EU-Partnern im Stich gelassen. Alle müssten bei der Aufnahme von Flüchtlingen ihren Teil der Verantwortung übernehmen, so Gentiloni, und das gelte auch für die Verhandlungen mit den Herkunftsländern. 2016 gab es einen neuen Rekord: Mehr als 181.000 Menschen kamen nach Angaben des römischen Innenministeriums über das Mittelmeer nach Italien, gerettet auf hoher See von den Booten der italienischen Küstenwache. Von 38.000 identifizierten Irregulären wurden jedoch nur rund 500 zurückgeschickt. Italien verschärft seit Jahresbeginn die Kontrollen und hofft auf mehr Unterstützung aus Brüssel.

Im Moment sieht es in Italien nicht danach aus, dass die Regierung Gentiloni nur von kurzer Dauer sein wird. Die Parteien sind aufgerufen, sich über ein neues Wahlgesetz zu einigen. Neuwahlen kann es zwar in diesem Jahr noch geben, aber nicht in allzu naher Zukunft. Internationale Termine und Verpflichtungen und gleichzeitiger Wahlkampf würden nicht gut zusammen passen, heißt es in Rom.

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