IWF-Wachstumsprognose Rüffel für den Musterschüler Deutschland

Zu wenig Investitionen, zu frühes Rentenalter: Der IWF wirft Berlin vor, zu wenige Reformen auf den Weg zu bringen – was der Wirtschaft schadet. Und warnt vor dem Risiko der Brexit-Auswirkungen für Deutschland.

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IWF-Chefin Christin Lagarde korrigiert die Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft erneut. Quelle: AFP

Washington/Berlin Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft erneut korrigiert – unabhängig vom „Brexit“-Votum. Für das laufende Jahr ist der Fonds etwas optimistischer und rechnet nun mit einem Plus von 1,7 Prozent, wie aus dem Abschlusspapier der jährlichen Beratungen zwischen Bundesregierung, Bundesbank und IWF hervorgeht.

Für das Jahr 2017 dagegen senkte der IWF die Konjunkturprognose leicht nach unten auf nunmehr 1,5 Prozent. Allerdings dürften diese Zahlen nicht lange Bestand haben. Denn die Folgen des „Brexit“-Votums der Briten für einen EU-Austritt sind in dem aktuellen IWF-Ausblick noch nicht berücksichtigt.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Referendums in Großbritannien seien in dieser Prognose noch nicht eingearbeitet, betonen die IWF-Experten. Doch das Votum der Briten, die EU zu verlassen, sei ein Risiko für Deutschland, da es enge Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien habe. Die Experten verweisen aber auf Abwärtsrisiken – angesichts der unsicheren Weltwirtschaft, alternden Gesellschaft und geringer Fortschritte bei Strukturreformen.

Erst im April hatte der IWF seine Januar-Prognose korrigiert und war davon ausgegangen, dass die deutsche Wirtschaft 2016 um 1,5 und 2017 um 1,6 Prozent zulegt.

Nach den bereits im Mai bekanntgewordenen Empfehlungen fordert der IWF von Deutschland Reformen und mehr Investitionen in die Infrastruktur sowie Verlängerung der Lebensarbeitszeit. „Deutschland, Meister im Verordnen von Strukturreformen innerhalb der EU, braucht auch im eigenen Land eine große Dosis eben dieser Medizin“, schrieben Europa-Experten des IWF.

Dabei sollte Deutschland „früher oder später den politisch unpopulären Schritt tun und das Rentenalter weiter anheben“, schlugen sie vor. Das Arbeitsleben müsse verlängert werden, indem man das gesetzliche Rentenalter anhebt und das Weiterarbeiten über die Altersgrenze hinaus erleichtert. Es gebe finanziellen Spielräume innerhalb der Haushalts- und Schuldenregeln, um zusätzliche Investitionen zu tätigen.

Darüber hinaus drängte der IWF Deutschland dazu, mit einer erschwinglichen Vollzeit-Kinderbetreuung darauf hinzuwirken, dass Frauen häufiger und länger arbeiten könnten. Mit der Weiterbildung der vielen Zuwanderer aus dem Ausland könnte man diesen Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern.

Auch beim Ausbau der digitalen Netze seien erheblich höhere Ausgaben nötig. Zudem sollte der Wettbewerb in einer Reihe von regulierten Berufen sowie bei Post und Bahn angekurbelt werden.

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