Jackson in Teton County „Das hat jede Form von Mittelschicht in dieser Gemeinde zerstört“

Die Teton Gebirgskette erhebt sich in der Ferne über der Buffalo-Gabelung und der üppigen Waldlandschaft des Grand Tetons National Park, Teton County. Quelle: imago images

Kein Landkreis der USA ist reicher als Teton County in Wyoming. Seit Jahren ziehen Milliardäre in die Idylle in den Rocky Mountains, genießen die Privatsphäre und die majestätische Landschaft. Doch das viele Geld schafft Probleme.

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Kaum eine Stadt in den Vereinigten Staaten dürfte schöner liegen als Jackson, Wyoming. Kurz hinter der Ortsgrenze erheben sich die Berge des Grand Teton Nationalparks, Yellowstone, das älteste Naturschutzgebiet der USA, befindet sich ebenfalls ganz in der Nähe. Kein Wunder also, dass sich Jackson in den vergangenen Jahren zu einem Traumziel gemausert hat – und das nicht nur für Touristen und passionierte Ski-Fahrer. Immer mehr Milliardäre und Superreiche ziehen in die Region.

Die Ranch in Wyoming gehört mittlerweile zu den Statussymbolen der 0,1 Prozent. Das hat Auswirkungen. Teton County, die Heimat von Jackson, ist seit 2019 der reichste Landkreis der USA. Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2021 bei fast 320.000 Dollar. Zum Vergleich: New York County, Heimat von Manhattan, kommt auf weniger als 200.000 Dollar. Doch der Reichtum schafft auch Probleme. Teton County ist auch der Landkreis mit der größten wirtschaftlichen Ungleichheit in den Vereinigten Staaten.

Zur Person

WirtschaftsWoche: Was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem wachsenden Reichtum in Teton County auseinanderzusetzen?
Justin Farell: Ich fand es schon immer interessant, wie sich der Westen der USA entwickelt. Die Konzentration des Reichtums in unserem Land verändert sich so schnell, aber in Teton County ganz besonders. Insbesondere diese Gegend hat eine extreme ländliche Gentrifizierung erlebt, was ganz neue Fragen aufwirft. Hinzu kommt, dass der Landkreis inmitten zweier berühmter Nationalparks liegt. Der Aspekt Umwelt hat meine Arbeit ebenfalls stark beeinflusst.

Jackson und die umliegende Region Jackson Hole gelten seit mehr als 100 Jahren als beliebte Ziele. Was hat sich in den vergangenen Jahren also geändert?
Es ist die Menge an Reichtum, die in diese winzig kleine Gemeinde geflossen ist. Der Trend an sich ist keine Anomalie. Er ist Teil einer Verschiebung innerhalb der amerikanischen Wirtschaft, dem Wachstum des Reichtums an der Spitze. Hier sehen wir die Auswirkungen dieser Entwicklung am deutlichsten, weil es das reichste Gebiet in den Vereinigten Staaten ist. Geld ist schon immer hierher geflossen, spätestens seitdem die Ski-Resorts gebaut wurden. Aber es ist in den 1990er und 2000er Jahren hat sich der Zufluss noch einmal beschleunigt. Und seit Covid ist der Wohlstand sogar noch weiter gewachsen. Nur um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln: 80 Prozent des Reichtums in Teton County kommt von außerhalb der Gemeinde. Er geht auf Investments zurück, auf Erfolge am Finanzmarkt. Doch daran hat die einheimische arbeitende Bevölkerung keinen Anteil. So hat die Entwicklung innerhalb von 15, 20 Jahren jede Form von Mittelschicht in dieser Gemeinde zerstört.

Wäre nicht zu erwarten gewesen, dass der Zufluss von Geld auch Chancen für die Mittelschicht schafft?
Das Problem ist, dass es dort keine diversifizierte Wirtschaft gibt. Die reichen Zugezogenen verdienen ihr Geld zum größten Teil am Finanzmarkt durch Investitionen. Sie arbeiten von ihren Ranchen aus quasi im Homeoffice. Und dann gibt es noch Dienstleistungsjobs. Aber als Kellner in einem Restaurant oder Angelführer, Bergsteiger oder Skilehrer verdient man nicht viel. Die Struktur dieser Gemeinde unterscheidet sich mit Blick auf die Wirtschaftsstruktur also sehr von der eines durchschnittlichen Ortes.

Was bedeutet das für die alteingesessene Bevölkerung?
Das größte Problem, mit dem die normalen Menschen hier zu kämpfen haben, sind die Immobilienpreise und Mieten. Wie man sich denken kann, sind diese durch die Decke gegangen. Man muss schon fast Millionär sein, um hier noch ein Haus zu finden. Verschärft wird das Problem noch dadurch, dass die Orte in der Region von Naturschutzgebieten und Nationalparks umgeben sind. Es gibt schlicht kaum Land, auf dem neuer Wohnraum entstehen könnte.

Jackson ist wie eine Insel. Für Hausbesitzer ist das toll. Ihre Immobilien haben in den vergangenen Jahren massiv an Wert gewonnen. Aber für die Angestellten in den Dienstleistungsjobs ist es ein ernstes Problem, denn die reale Lohnentwicklung stagniert hier seit Jahrzehnten. Ich habe bei meinen Recherchen Familien getroffen, die sich teils seit Monaten ein Hotelzimmer teilen, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden. Und viele andere ziehen Weg, etwa über die Grenze nach Idaho, wo diese Dinge für den Moment noch billiger sind.

Warum steigen die Löhne im Dienstleistungssektor nicht? Angesichts des Reichtums, der nach Jackson fließt, sollten höhere Preise etwa in Restaurants doch kein Problem sein…
Die Forschung für mein Buch endete 2019, kann also zu den ganz aktuellen Entwicklungen nur eine Einschätzung abgeben. Ich gehe davon aus, dass es zuletzt wie überall auch in Teton County einen Anstieg bei den Löhnen gab. Aber angesichts der explodierenden Preise für Wohnraum löst das die grundlegende Problematik nicht auf. Es entstehen auch immer neue Initiativen, die auf mehr bezahlbare Wohnungen und Häuser und angemessene Löhne drängen. Sie sagen: Hey, wenn sich die Situation nicht ändert, stirbt diese Gemeinde! Dann habt ihr niemanden mehr, der euren Kindern das Skifahren beibringt.

Haben solche Vorstöße angesichts der Machtverhältnisse in der Region eine Chance?
Sie haben es schwer. Wie gesagt: Viele Arbeitskräfte sind längt über den Pass nach Idaho gezogen. Damit können sie in Wyoming politisch wenig ausrichten. Und die reichen Zugezogenen scheinen sich um das Problem nicht zu kümmern. Dabei wäre es auch in ihrem Interesse, dass sich Dinge ändern. Sie sind ja nach Wyoming gezogen, um Teil dieser ländlichen, aber vielfältigen Gemeinschaft zu sein. Viele von ihnen haben eine romantische Vorstellung davon, wie das Leben im Westen sein sollte. Doch um es zu erhalten, müssen sie sich der Problemen der Gemeinschaft annehmen – auch wenn sie diese selbst nicht spüren.

Schadet das viele Geld Teton County also?
Wir sollten uns die Ultra-Reichen nicht als machthungrige Monster vorstellen. Natürlich sorgen sich viele von ihnen um das, was in der Gemeinde passiert. Aber sie haben eine andere Betroffenheit. Die Ranches sind für viele nur der zweite oder dritte Wohnsitz. Und man schaut anders auf seine Heimat als auf einen Ferienort.

Andererseits setzen viele Vermögende wohltätige Stiftungen auf, die sich etwa um den Naturschutz kümmern sollen…
Das ist natürlich positiv. Ein Milliardär beispielsweise hat viel Geld gespendet, um einen Teil der Region vor Fracking zu schützen. Andere sichern Migrationskorridore für Wildtiere oder finanzieren Studien in den Nationalparks. Das ist alles wunderbar, aber es kann die Probleme in der Gemeinde nicht überdecken.

Wyoming ist vermutlich der konservativste Bundesstaat in den USA. Staatliche Eingriffe und höhere Steuern haben dort politisch wohl kaum eine Chance. Was kann man also tun, um das Problem zu lösen?
Das stimmt. Neue Steuern haben hier keine Chance. Dabei könnte eine Abgabe auf riesige Vermögen wirklich dabei helfen, die Probleme zu bekämpfen, etwa durch den Bau von bezahlbaren Wohnungen. Das Paradoxe daran ist: Der Rest des Staates hasst Teton County. Ich komme aus Cheyenne, der Hauptstadt von Wymoning. Und Teton County ist der einzige Teil des Staates, der zu den Demokraten tendiert – auch wegen der vielen Zugezogenen. Doch die Abneigung gegen höhere Steuern ist so groß, dass nicht einmal den unbeliebten Neubürgern etwas abgenommen werden kann, das man dann über den ganzen Staat verteilen könnte, um das Leben der Bevölkerung zu verbessern. Es ist wirklich frustrierend. Und wissen Sie, was das ironischste an der ganzen Sache ist?

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Was denn?
Der offizielle Spitzname von Wyoming ist: The Equality State. Also: der Gleichheits-Staat.

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