Jair Bolsonaro Rechtspopulist wird Brasiliens neuer Präsident

Jair Bolsonaro wird Brasiliens neuer Präsident Quelle: AP

Der ultrarechte Politiker Jair Bolsonaro wird Brasiliens neuer Präsident. Bei der Stichwahl am Sonntag setzte er sich gegen den Kandidaten der Arbeiterpartei, Fernando Haddad, durch.

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Kurz nach seinem Wahlsieg klingelt bei Jair Bolsonaro - dem „Trump der Tropen“ – das Telefon. Das Original ist dran. US-Präsident Donald Trump will dem neu gewählten Präsident Brasiliens gratulieren. „Es war ein sehr freundschaftliches Gespräch“, sagt Bolsonaro nach dem Telefonat.

Die beiden Männer haben so einiges gemeinsam. Bei Trump heißt es „Amerika zuerst“, Bolsonaro setzt auf „Brasilien zuerst“. Beide hegen eine Faszination für das Militär, lieben die direkte Kommunikation über Twitter und vergreifen sich gerne mal im Ton. Sie haben glühende Anhänger und eingefleischte Feinde. Dazwischen gibt es nicht viel.

Als ihm der Sieg am Sonntag nicht mehr zu nehmen ist, gibt sich Bolsonaro aber erst einmal versöhnlich. Er spricht von einem „Brasilien der unterschiedlichen Meinungen, Farben und Orientierungen“ und kündigt an: „Unsere Regierung wird verfassungstreu und demokratisch sein.“

Seine Gegner hingegen befürchten das Schlimmste. Der Hauptmann der Reserve gilt als Sympathisant der Militärdiktatur (1964-1985) und verherrlicht deren brutalsten Folterknecht Carlos Alberto Brilhante Ustra. Die Spitze seiner Ministerien will er mit Generälen besetzen. Und sein Vize Hamilton Mourão brachte im Wahlkampf sogar die Möglichkeit eines Putsches ins Spiel.

„Bolsonaro wird Brasilien nicht in eine Diktatur verwandeln, aber er wird die Demokratie in Gefahr bringen“, sagt der Politikwissenschaftler Maurício Santoro Rocha von der Universität von Rio de Janeiro. Zwar ist Bolsonaros Sozial-Liberale Partei (PSL) von einer Kleinstpartei zu einer der stärksten Kräfte im Kongress geworden, einfach durchregieren kann er aber dennoch nicht. Auch die Justiz ist äußerst selbstbewusst und dürfte den neuen Staatschef schnell in die Schranken weisen, wenn er seine Kompetenzen überschreitet.

Aber Bolsonaros Wahlsieg wird das Klima in Brasilien verändern. Durch seine abfälligen Bemerkungen über Schwarze und Schwule könnten sich Rechtsradikale zu Gewalttaten ermutigt sehen. Vor allem Minderheiten, Arme und Aktivisten blicken mit Angst in die Zukunft.

„In Brasilien gibt es viel Gewalt und die schwarze Bevölkerung ist davon besonders stark betroffen“, sagt die junge Aktivistin Gabriela Roza vom Netzwerk Umunna, das schwarze Frauen in die Politik bringen will. „Ich befürchte, dass es immer mehr Tote geben wird, weil Bolsonaro die Gewalt mit seinen Reden legitimiert.“

Bereits jetzt sind die brasilianischen Sicherheitskräfte für ihr brutales Vorgehen berüchtigt. Wenn die schwer bewaffneten Spezialeinheiten in die Favelas einrücken, gleichen die Straßen einem Kriegsgebiet. Im vergangenen Jahr töteten sie bei ihren Einsätzen mehr als 5000 Menschen.

„Wenn Bolsonaro jetzt sagt, Polizisten, die Verbrecher töten, sollten ausgezeichnet werden, stellt er einen Freibrief für Massaker in den Favelas aus“, sagt Sozialarbeiterin Lidiane Malanquini, die im Elendsbezirk Maré arbeitet. Auch auf dem Land, wo Konflikte zwischen Großgrundbesitzern und Indigenen, illegalen Holzfällern und Kleinbauern bereits jetzt häufig mit blanker Waffe ausgetragen werden, könnte die Gewalt explodieren.

International sind vor allem Bolsonaros Umweltpläne bedrohlich. Er zieht einen Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen in Erwägung und will neue Abholzungen im Amazonas-Gebiet zulassen. Dabei ist der riesige Regenwald der größte CO2-Speicher der Welt und für das Klima von entscheidender Bedeutung. „Wenn er alles umsetzt, was er angekündigt hat, wird es ein Desaster“, sagt Carlos Rittl von der Beobachtungsstelle für das Klima.

Das 210-Millionen-Einwohner-Land Brasilien steckt in einer schweren Krise. Nach Jahren der Rezession kommt die Wirtschaft nur langsam wieder in Schwung, die Gewalt nimmt immer weiter zu und fast die gesamte politische Klasse ist in Korruptionsskandale verwickelt. Obwohl Bolsonaro selbst seit rund 30 Jahren in der Politik mitmischt, ist es ihm gelungen, sich als Anti-System-Kandidat zu positionieren.

Er hat eine Allianz zwischen nationalistischen Militärs, Evangelikalen und der Wirtschaftselite geschmiedet. Welche der rechten Strömungen in seiner Regierung künftig den Ton angeben wird, ist allerdings noch unklar. Bolsonaros Ideologie wird als „Bala, Boi e Bíblia“ beschrieben: Kugel, Vieh, Bibel.

Gerade im Wirtschaftssektor dürften schon bald offene Konflikte ausbrechen. Bolsonaros designierter Wirtschaftsminister Paulo Guedes würde am liebsten alle Staatsbetriebe sofort privatisieren, darunter auch Brasiliens Kronjuwelen - den Ölkonzern Petrobras. Die Militärs hingegen setzen auf eine staatlich gelenkte Wirtschaft.

„Die verschiedenen rechten Gruppen haben sich zusammen getan, um Bolsonaro an die Macht zu bringen“, sagt Politologe Santoro. „In vielen Bereichen liegen sie aber über Kreuz. Da dürfte bald ein Hauen und Stechen losgehen.“

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