Japan Abe versucht den Befreiungsschlag

Bislang galt Shinzo Abe als unbesiegbar. Doch wegen eines Skandals um Gefälligkeiten ist die Popularität von Japans Ministerpräsident abgestürzt. Mit einer Kabinettumbildung versucht er nun, das Blatt zu wenden.

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Shinzo Abe (Mitte) mit Parteigenossen (Archivfoto von März 2017): Der japanische Ministerpräsident will seine Beliebtheit steigern. Quelle: Reuters

Tokio Bis vor sechs Monaten galt Japans Ministerpräsident Shinzo Abe noch als unbesiegbar. Seit seinem Amtsantritt Ende 2012 lag die Zustimmungsrate zu seinem Kabinett in der Regel über 50 Prozent, ein Traumwert für Japan.

Doch nach zwei Skandalen um Gefälligkeiten für Gesinnungsfreunde halten ihm in Umfragen nur noch weniger als 30 Prozent der Wähler die Treue. Offen wird daher darüber spekuliert, ob der konservative Wirtschaftsreformer und womöglich auch seine Abenomics genannte Wirtschaftspolitik aus ultralockerer Geldpolitik, spendablem Staat und Reformen stürzen werden.

In dieser Lage greift Abe auf ein beliebtes Mittel unbeliebter japanischer Regierungschefs zurück. Am Donnerstag besetzte er das Kabinett neu, um sich aus seinem Umfragetief zu befreien. Denn nachdem die neue Bewegung der Tokioter Gouverneurin Yuriko Koike Abes Liberaldemokratischer Partei (LDP) eine demoralisierende Wahlniederlage zugefügt hat, werden innerparteilich auf einmal kritische Stimmen laut.

Erst in dieser Woche warnte der ehemalige Ministerpräsident Yasuo Fukuda mit drastischen Worten, dass Abes strikter Führungsstil Angst schüre und die Eigeninitiative der Bürokraten lähme. „Der Staat nähert sich dem Ruin.“

Selbst die konservative Tageszeitung Yomiuri, die bisher als Abes Sprachrohr und Cheerleader galt, geht vorsichtig auf Distanz. Ende Juli forderte sie Abe in einem Leitartikel auf, den Skandal vollständig aufzuklären, der seine Popularität zu zerstören droht. Abe oder sein Umfeld sollen das Erziehungsministerium gedrängt haben, entgegen amtlicher Politik eine neue Veterinärsschule zuzulassen. Der Antragsteller ist ein alter Abe-Freund.

Die Neubesetzung des Kabinetts deutet dann auch an, wie schlecht es um Abe bestellt sein muss. Hatte er in der Vergangenheit viele seiner rechtsnationalen Anhänger mit Posten beschenkt, bedachte er diesmal eher innerparteiliche Gegner.

Sicher im Amt ist und bleibt sein Vize und Finanzminister Taro Aso. Dafür wird seine frühere Rivalin ums Amt des Parteichefs, Seiko Noda, Ministerin für Inneres und Kommunikation. Sie ersetzt Abes Gefolgsfrau Sanae Takaichi, eine Vertreterin des extrem rechten Parteiflügels. Taro Kono, einer der liberalsten konservativen Reformer Japans mit freundschaftlichen Beziehungen zu Korea, wird nun, was schon sein Vater war: Außenminister.

Dieser Wechsel wurde allerdings dadurch notwendig, dass der bisherige Amtsinhaber, der als Favorit auf die Abe-Nachfolge gehandelte Fumio Kishida, auf einen Parteiposten wechseln wollte. Nun kann er als Chef des politischen Rats der LDP sein innerparteiliches Netzwerk stärken, um im September 2018 in den parteiinternen Präsidentschaftswahlen oder früher gegen Abe antreten zu können.


Lügen und Gefälligkeiten kratzen an Abes Beliebtheit

Auch auf anderen Posten finden sich hochrangige und respektierte Politiker wieder, so dass alle fünf großen politischen Flügel der Partei durch Spitzenkräfte im Kabinett vertreten sind.

Itsunori Onodera wird Verteidigungsminister, ein Posten, der voriges Wochenende durch den Rücktritt von Abes zweiter Gesinnungsgenossin Tomomi Inada freigeworden war. Diverse Skandale zwangen die Politikerin mit freundschaftlichen Beziehungen zu japanischen Rechtsextremen zum Rücktritt.

Und mit Toshimitsu Motegi ernennt Abe einen Politiker zum Minister für Wirtschafts- und Haushaltsplanung, der mit seiner wachstumsorientierten Einstellung wenigstens den Anschein von Reformpolitik am Leben halten kann. Bisher dürften die Abenomics daher offiziell weitergehen, aber womöglich mit einem noch langsameren Tempo. Denn ohne hohe Popularität fehlt Abe politisches Kapital, um unbequeme Reformen durchzusetzen.

Ob Abe allerdings mit dem neuen Team seine Popularität wieder erhöhen kann, ist noch offen. Denn japanische Wähler nehmen zwei Dinge besonders übel, erklärt der Abe-Kritiker Koichi Nakano, Politologe an der Sophia-Universität: Gefälligkeiten für politische Freunde und Lügen. Und beides hat Abe gemacht.

Den ersten Schlag erhielt seine Glaubwürdigkeit durch einen umstritten günstigen Landverkauf an einen ultranationalistischen Kindergarten, bei dem Abes Frau Akie Ehrenvorsitzende war. Die Behörden hatten dem Kindergarten ein Grundstück weit unter Marktwert verkauft. Doch offen ist, ob dies auf Druck von Abes Entourage geschah oder dank vorauseilenden Gehorsams der zuständigen Beamten.

Abe jedenfalls streitet jede persönliche Verbindung ab. Aber der inzwischen inhaftierte Chef des Kindergartenvereins, Yasunori Kagoike, hat behauptet, Abe persönlich habe ihm Geld gespendet. Schon dieser Skandal könnte mit weiteren Enthüllungen Abe schaden.

Direkter ist Abes Verwicklung in den zweiten Skandal um die Veterinärsschule des Schulunternehmens Kake Gakuen. Das Institut wird von Kotaro Kake geleitet, der in den 1970er Jahren zusammen mit Abe in den USA studiert hat. Abe streitet zwar ab, dass er persönlich falsch gehandelt habe. Außerdem schwärzten seine Anhänger die ersten Whistleblower im Skandal an.

Aber nach anfänglichem Leugnen fand das Erziehungsministerium interne Dokumente, nach denen Abe eine schnelle Genehmigung der Veterinärsschule gewünscht haben soll. „Ich wäre nicht überrascht, wenn Abe bis Ende des Jahres sein Amt verliert", meint Politikwissenschaftler Nakano daher.

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