




Angela Merkel ist bei ihrem Besuch in Japan in einer angenehmen Lage. Denn die Kanzlerin kann vor allem Lob für Deutschlands Rolle in der Welt einheimsen. Auch wenn Merkel in Tokio mehrfach betont, sie komme nicht als Lehrerin und wolle keine Ratschläge von außen geben: In der drittgrößten Volkswirtschaft absolviert die diesjährige G7-Vorsitzende diesmal fast eine Werbetour für Deutschland - und buhlte sogar noch um japanische Studenten.
Selten wirkte die Bundesrepublik in Merkels Darstellung so positiv und leuchtend. Im mehr als 8700 Kilometer entfernten Tokio verwandelt sich sogar die erst am Freitag vom Bundestag beschlossene Frauenquote in ein Plus - weil Japan bei der Besetzung von Frauen in Führungspositionen noch schlechter dasteht. Außerdem weiß Merkel aus Erfahrung, dass sie bei diesem Thema als Regierungschefin den meisten ausländischen Kritikern ohnehin den Wind aus den Segeln nimmt. Und Japans Regierungschef Shinzo Abe bezeichnete die am längsten regierende G7-Chefin sogar als persönliches Vorbild.
Japan
2013: 1,7 Prozent
2014: 1,8 Prozent
2013: 0,3 Prozent
2014: 2,7 Prozent
2013: 4,1 Prozent
2014: 4,0 Prozent
IHS Global Insight
Ein wenig dürfte die demonstrative Show der Stärke auch daran liegen, dass Merkel mit Abe zwar mittlerweile ein vertrautes Verhältnis aufgebaut hat - sie dessen Politik aber gleich auf mehreren Feldern nicht teilt. Denn so eng die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern etwa in der Entwicklungshilfe und auch in der Ukraine-Krise ist: In Berlin nimmt man auch die nationalen Untertöne bei Abe wahr, die die Spannungen zu China und Südkorea verschärfen. Zudem ist Abe von Amerikanern und Briten wegen seiner "Abenomics" genannten Politik des lockeren Geldes gefeiert worden, mit dem er die japanische Wirtschaft ankurbeln wollte. Das führte dazu, dass Merkel auf etlichen G20- und G7-Gipfeln mit ihrem Pochen auf eine zurückhaltende Finanzpolitik isoliert wirkte. Der Japan-Besuch bot die Möglichkeit, in aller Freundlichkeit zurück zu pieksen.
Alle müssen sich historischen Fehlern stellen
Und das tat Merkel auch. Schon zum Auftakt ihres Besuchs mahnte sie in einer Rede vor der Asahi-Stiftung mit Blick auf das 70 Jahre zurückliegende Ende des Zweiten Weltkriegs, dass Deutschland den Weg zurück als geachtetes Mitglied der Weltgemeinschaft nur gelungen sei, weil es sich seiner Vergangenheit gestellt habe. Das ist eine klare Botschaft an Abe, auch wenn die Kanzlerin die Botschaft sehr freundlich verpackt und betont, dass jedes Land seinen eigenen Weg gehen müsse.
Aber Merkel weiß spätestens seit 2014, wie vermint dieses Thema in Ostasien ist. Vergangenes Jahr hatten der chinesische Präsident, die südkoreanische Präsidentin und der japanische Ministerpräsident Berlin besucht und versucht, im Streit über frühere japanische Besatzungsgräuel zu punkten. Um einen Affront für Abe - immerhin G7-Partner - zu vermeiden, wies sie ausdrücklich darauf hin, dass die Versöhnung in Europa nur funktioniert habe, weil es neben der Übernahme der Verantwortung durch die Täter auch die Versöhnungsbereitschaft der Opfer gegeben habe. Also müssen auch Chinesen und Koreaner handeln.
Große Genugtuung muss Merkel aber beim Thema lockere Geldpolitik empfinden. Sie kam mit dem Selbstbewusstsein einer Regierungschefin angereist, die einen ausgeglichenen Haushalt und relativ starke Wachstumsraten vorweisen kann. Japans Wirtschaft dagegen kam trotz der milliardenschweren Finanzspritzen 2014 nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds nur auf ein Miniwachstum von 0,1 Prozent und wird in diesem und im nächsten Jahr wohl nur um 0,6 und 0,8 Prozent zulegen. Ohne dass Merkel es aussprach: Japan ist mit seiner horrenden Staatsverschuldung Beispielland für ihre These geworden, dass eine Wirtschaft ohne Strukturreformen weiter lahmt.
Roboter als Pflegekräfte
Deshalb ist Merkel gleich beim nächsten Punkt der indirekten Belehrung ihrer Gastgeber - Kritik an mangelnder Offenheit. Sie wirbt für das EU-Japan-Freihandelsabkommen. Denn die deutsche Wirtschaft wirft Japan vor, Importe zu erschweren. Und auch bei den Themen Außenpolitik, Demographie und ein wenig auch der Energiepolitik bietet Merkel Deutschland mit seiner ähnlichen Geschichte und Entwicklung ausdrücklich als Orientierung an.
Beide früheren Achsenmächte arbeiten zwar seit längerem an einer Lockerung ihrer nach 1945 strikten Politik der militärischen Zurückhaltung. Aber während Japan noch über eine entsprechende Verfassungsänderung nachdenkt und sich ansonsten vor allem in der Entwicklungshilfe engagiert, übernimmt Deutschland bereits in erheblichem Maße auch außen- und sicherheitspolitische Verantwortung in der Welt. Merkel strahlte, als Abe ihren 17-stündigen Verhandlungseinsatz zur Ukraine-Krise in Minsk würdigte.
In Deutschland gleichen zudem die in die Höhe schießenden Zuwanderer- und Flüchtlingszahlen die sinkende Zahl an Babys wenigstens etwas aus. Der Inselstaat Japan hat dagegen mit seiner weitgehend geschlossenen Gesellschaft und Vorbehalten gegen Zuwanderung noch kein wirkliches Rezept gegen die schnelle Alterung der Gesellschaft gefunden. Statt dessen verstärkt Japans Regierung die Arbeiten an Robotern - die später in einer schrumpfenden Bevölkerung auch Pflegekräfte ersetzen sollen.