Jeb Bush in Berlin Wie tickt Jeb Bush?

Der Republikaner tritt mutmaßlich bei den US-Vorwahlen an. Am Dienstag will er in Berlin sein Profil schärfen. Dabei muss er sich vor allem von seinem unbeliebten Bruder George W. Bush abgrenzen.

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Jeb Bush Quelle: AP

Sein Name ist seine größte Bürde: John Ellis – genannt Jeb – Bush hat Ambitionen, aber einen durchwachsenen Ruf. Das liegt in erster Linie nicht an dem Republikaner selbst, und auch nicht an seinem Vater, der frühere US-Präsident George H.W. Bush. Schuld hat vor allem sein Bruder George W. Bush, der von 2000 bis 2008 die USA regierte – und den Familiennamen in Verruf brachte.

Der Ex-Präsident marschierte in Afghanistan und in den Irak ein, er häufte immense Schulden an – vor allem aber: Bush verlor im Kampf gegen den Terrorismus jegliches Maß aus den Augen. Der Name Bush steht heute für Rowdytum und Dilettantismus, sowie für eine Welt, in der das Recht des Stärkeren gilt.

Diese Kandidaten wollen 2016 ins Weiße Haus
Donald Trump Quelle: REUTERS
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Mit diesen Widerständen muss sich Jeb Bush auseinandersetzen, sofern er für die Präsidentschaftswahlen in den USA kandidieren will. Noch hat der 62-Jährige seine Teilnahme an den Vorwahlen der republikanischen Partei nicht angekündigt; gleichwohl läuft er sich seit Monaten warm. Eine offizielle Kandidatur dürfte nur noch eine Frage von Tagen, maximal: wenigen Wochen, sein. Auch die Europa-Reise von Jeb Bush erhärtet den Verdacht, dass ein dritter Bush ins Weiße Haus einziehen will. In Deutschland (auf der Jahrestagung des CDU-Wirtschaftsrats in Berlin), Polen und Estland will Bush sein außenpolitisches Profil schärfen.

Wie aussichtsreich wäre eine Kandidatur von Jeb Bush? Und vor allem: Wie viel von dem umstrittenen George W. Bush steckt in dem sechseinhalb Jahre jüngeren John Ellis Bush?

„Es gibt fraglos inhaltliche Schnittmengen“, sagt Martin Thunert, Politikwissenschaftler am „Center for American Studies“ der Universität Heidelberg. Eine Kopie seines Bruders sei Jeb Bush aber nicht. „Er ist smarter, er ist erfahrener – und vor allem: Jeb Bush ist weltläufiger als sein Bruder.“

Das ist Jeb Bush

Geboren und aufgewachsen in Texas, wird Jeb Bush aufgrund seiner schwachen Schulleistungen als Jugendlicher auf die „Phillips Academy“, eine Eliteschule in Massachusetts, geschickt. Seine Noten bessern sich zunächst nicht; der Vietnamkrieg und die dazugehörige Protestwelle ziehen an Bush vorbei, mit Desinteresse schlendert er durch die heile Welt des Eliteinternats. Mit 18 Jahren geht er mit Schulfreunden für zehn Wochen nach Mexiko, um Englisch zu unterrichten. Dort lernt er die 16-jährige Columba Garnica Gallo kennen – und verliebt sich.

Er fliegt von nun an alle sechs Monate zu seiner Freundin ins mexikanische León, drückt in Schule und Universität auf die Tube, um schnellstens einen Abschluss zu bekommen und heiratet 1974 seine Columba. Nach einer Tätigkeit bei einer Bank in Houston geht das Ehepaar – getrieben vom Fernweh der Frau – für zwei Jahre nach Venezuela.

„Jeb Bush hat sich in fremden Kulturen angepasst und durchgesetzt“, sagt Thunert. Es gäbe nachvollziehbare Gründe zu hoffen, „dass er der Welt weniger eindimensional zugewandt ist, als es sein Bruder war“.

Widersprüchliche Aussagen zum Irak-Krieg

„Von einer ,Achse des Bösen‘ – wie es einst George W. Bush mit Blick auf Nordkorea, den Irak und den Iran tat – würde er wohl nicht sprechen“, sagt Thunert. „Jeb Bush ist da ausgewogener.“

Aber tickt Jeb Bush grundsätzlich anders? Oder steht er für eine ähnliche Politik, die er lediglich geschickter verkauft? Angesprochen auf den Irak-Krieg von 2003, gab der ehemalige Gouverneur von Florida eine unglückliche – Kritiker sagen: entlarvende – Figur ab. Er wäre wie sein Bruder in das Land einmarschiert, bekannte Jeb Bush in einem TV-Interview. Tage später ruderte er zurück: Die Irak-Invasion sei „falsch“ gewesen, aus heutiger Sicht wäre er nicht in das Land einmarschiert.

Der Zerfall Amerikas in Bildern
2011 begann Seph Lawless damit, sich mit dem urbanen Zerfall zu beschäftigen. Er fotografiert verlassene Fabriken, Kirchen, Krankenhäuser - und Shopping Malls. Von dem einstigen Konsumtempel der Ohio’s Randall Park Mall sind nur noch Ruinen übrig.
Nachdem er gut 3000 Fotos geschossen hatte, begann Lawless den Zerfall der Shopping Malls in seinem ersten Buch, "The Autopsy of America " zu dokumentieren.
Sein neues Buch "Black Friday: The Collapse of the Modern Mall " beschäftigt sich mit den einstigen Symbolen für Konsum und Kapitalismus. Von vielen sind nur noch traurige Ruinen übrig, wie hier in der Ohio's Randall Park Mall, früher eine der größten Malls in ganz Amerika.
Wo früher gut gelaunte Shopping-Liebhaber ihren Kaffee tranken, finden sich heute nur noch Scherben.
"Ich hoffe, dass die Leute meine Bilder sehen und das Ende der größten Wirtschaftsmaschine der Welt erkennen - die Vereinigten Staaten von Amerika", so Lawless.
Hier blüht nichts mehr. Nirgendwo werde der Zerfall Amerikas so deutlich wie an den Shopping Malls, meint Seph Lawless.
Auch die Rolling Acres Mall in Akron, Ohio, hat ihren früheren Glanz verloren.

Im Vergleich zu seinem Bruder dürfte sich Jeb Bush gemäßigter geben, im Vergleich zu Amtsinhaber Barack Obama aber erscheint Bush als konservativer Haudegen. So erklärt der Republikaner, dass er nicht dulden werde, dass der IS weiter erstarke. Mit seiner Passivität habe Obama die Islamisten erst stark gemacht. „Auch im Russland-Konflikt dürfte sich Jeb Bush deutlicher einmischen und Russland klarer die Grenzen aufzeigen, als Obama das derzeit tut“; mutmaßt US-Experte Martin Thunert. Gleichzeitig würde der Republikaner neben der militärischen Stärke auf die „soft power“ der USA setzen – und die europäischen Partner verstärkt in die Verantwortung bei internationalen Krisen nehmen. „Jeb Bush hat seinen Finger nicht am Abzug.“

Innenpolitisch hat sich Jeb Bush, einst ein strammer Konservativer, zu einem moderaten Republikaner entwickelt. 1994, bei seiner ersten Kandidatur für das Gouverneursamt in Florida, wollte er noch die „Demokraten zur Aufgabe zwingen“. Er kritisierte den politischen Gegner dafür, nicht genug Todesurteile umgesetzt zu haben und forderte die Abschaffung des Bildungsministeriums. Er wetterte gegen die Schwulenehe und erklärte auf die Frage, was er als Landeschef für die afroamerikanische Bevölkerung tun wolle mit einem schlichten „nichts“. Bush verlor die Wahl (wenn auch nur knapp), im Folgenden vollzog er eine 180-Grad-Wende.

Das ist sein Vater

Er setzte sich in Klassenzimmer in ganz Florida und erschrak, wie unterschiedlich die Bildungschancen waren. Bush gründete einen Thinktank, der Ideen zur Verbesserung der Situation präsentieren sollte – und eröffnete bald darauf Floridas erste „charter school“ in einem rauen Stadtteil Miamis. Diese Förderschulen in sozial schwachen Nachbarschaften werden gesondert finanziert; sie sind ausgestattet mit Computer und Laboren und ihre Lehrer werden regelmäßig weitergebildet. Bush setze sich für den Aufbau Dutzende dieser Schulen ein und ist bis heute ein Verfechter der freien Schulwahl.

Darüber hinaus findet der Präsidentschaftskandidat – der für Waffenbesitz und eine weite Auslegung des Rechts sich selbst zu verteidigen („stand your ground“), plädiert – inzwischen, dass die Republikaner auch Homo-Ehen gegenüber aufgeschlossen sein sollten. Zudem beharrt er wie eh und je darauf, dass die Zuwanderung neu geregelt wird.

Bush droht von rechts überholt zu werden

„Jeb Bush ist in Fragen der Zuwanderung ähnlich liberal wie sein Bruder. Das liegt an seinem familiären Hintergrund – aber auch an seinen Finanziers: Viele Unternehmen sind für eine Legalisierung der illegalen Arbeiter, die sich zu Zehntausenden in den USA aufhalten“, sagt Martin Thunert. Nicht jeder Arbeitgeber beschäftige besonders gerne Schwarzarbeiter. „Die meisten wollen, dass sich ihre Angestellten nicht vor den Behörden verstecken müssen und sie auch morgen wieder zur Arbeit kommen.“

Das bleibt von George W. Bush

Die Folge: Zahlreiche Bosse haben Bush ihre Unterstützung für dessen Einwanderungspolitik – und folglich für dessen Wahlkampf – zugesagt und bereits fleißig gespendet. Kein Kandidat der Republikaner kann derzeit derart aus dem Vollen schöpfen, wie Jeb Bush.

Am Geld wird seine Kandidatur kaum scheitern. Vielleicht aber am parteiinternen Widerstand. Vielen Konservativen ist Jeb Bush in innenpolitischen Fragen zu weit in die Mitte gerückt. Gerade zu Beginn der Vorwahlen im Januar und Februar 2016 – in Iowa, New Hampshire und South Carolina – droht er von rechts überholt zu werden. „Jeb Bush ist in meinen Augen Favorit bei den Republikanern. Aber seine Nominierung ist keinesfalls reine Formsache“, sagt auch Thunert. Scott Walker, Gouverneur von Wisconsin, der sich mit den Gewerkschaften angelegt hat und ein Abwahlverfahren überstanden hat, Marco Rubio, Senator von Florida, oder der Regierungschef von New Jersey, Chris Christie, könnten sich ebenfalls realistische Hoffnungen auf eine Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen machen.

„Jeb Bushs Name bleibt ein Unsicherheitsfaktor“, sagt Thunert. Gut sei, dass er allein aufgrund des prominenten Nachnamens landesweit bekannt ist. Andererseits: „Er muss zeigen, dass er eigenständig ist, kein Klon von Vater und Sohn.“ Seine Berater versuchen dies in den USA bereits. Sie verweisen darauf, dass Jeb Bush einen anderen Zugang zur Politik hat. Während sein Vater auf Netzwerke und Freundschaften setzte und sein Bruder George W. Bush auf sein Bauchgefühl vertraute, gilt Jeb Bush als Arbeitstier, der sich durch Dokumente und Papiere wühlt wie ein Bücherwurm. „Er ist einer der wenigen Politiker, der sich Akten und Positionspapiere wirklich durchliest“, sagt einer seiner Berater.

Diese Schilderungen alleine werden freilich nicht ausreichen, um die Zweifel an Bushs Eigenständigkeit zu beseitigen. Die Vorurteile auszuräumen „wird eine spannende Herausforderung für mich“, behauptete Bush selbstbewusst bei einer Rede in Detroit im Februar. „Für Jeb Bush wäre es das Beste, wenn die TV-Debatten zeitnah losgehen. Dann kann er beweisen, dass sein Wortschatz größer ist als der von George W. Bush, dass er reflektierter antwortet und nicht aus der Hüfte schießt“, so US-Experte Martin Thunert.

In Berlin kann er am Dienstag vor CDU-Politikern schon einmal üben. Im Herbst sind dann die ersten landesweiten TV-Debatten der Republikaner angesetzt. Bis dahin muss John Ellis Bush mindestens noch damit leben, dass sein Nachname umstritten ist.

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