Jerusalem-Entscheidung Wut der Muslime auf Trump kocht weiter

Die Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Donald Trump sorgt weiter für gewaltsame Proteste in der muslimischen Welt. Die Arabische Liga rückt zusammen, der türkische Präsident Erdogan nennt Israel einen „Terrorstaat“.

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Jerusalem-Entscheidung: Wut der Muslime auf Trump kocht weiter Quelle: Reuters

Jerusalem, Istanbul, Berlin Die Proteste in der muslimischen Welt gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump zur Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt ebben nicht ab. Unweit der US-Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut kam es zu Demonstrationen und vereinzelter Gewalt . Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer gegen Protestierende ein, die vor der diplomatischen Vertretung aufziehen wollten. Diese warfen Steine und verbrannten Müll, wie libanesische Medien berichteten.

Ernsthafte Zusammenstöße gab es Augenzeugen zufolge zunächst nicht. Der TV-Sender LBC berichtete, die Sicherheitskräfte hätten alle Straßen, die zur Botschaft führten, abgesperrt. Das Gebäude gilt als gut geschützt. Der Zeitung „Annahar“ zufolge wurden rund einen Kilometer von der Botschaft entfernt auch Barrieren aus Stacheldraht aufgestellt, um die Demonstranten auf Distanz zu halten. Diese skandierten „Amerika ist der Kopf des Terrors“ oder „Gott segne Jerusalem“.

Im Libanon leben mehr als 400.000 palästinensische Flüchtlinge. Auch linke Gruppen in dem Land hatten zu Protesten aufgerufen. Der Libanon erkennt das Nachbarland Israel nicht an. 2006 kam es zum Libanonkrieg zwischen der einflussreichen libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und Israel.

Die Proteste der Palästinenser im besetzten Westjordanland und im Gazastreifen flauten dagegen am Sonntag ab. „Unsere Hoffnung ist, dass sich alles beruhigt und dass wir zum normalen Leben zurückkehren – ohne Krawalle und ohne Gewalt“, sagte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman im Armee-Rundfunk. Zuvor hatte es bei den Protesten Tote und Verletzte gegeben. Palästinensische Extremisten feuerten vom Gazastreifen aus Raketen auf Israel ab. Das israelische Militär reagierte mit Vergeltungsschlägen, bei denen nach Angaben der radikalen Hamas zwei ihrer Mitglieder getötet wurden.

Bei einer Messer-Attacke in Jerusalem wurde am Sonntag ein Israeli schwer verletzt. Ein Polizeisprecher teilte mit, es handele sich um einen Anschlag am zentralen Busbahnhof. Der offenbar palästinensische Attentäter sei außer Gefecht gesetzt worden. Nach israelischen Medienberichten handelte es sich bei dem Opfer um einen Wachmann. Er habe eine Stichverletzung am Oberkörper erlitten, teilte der Rettungsdienst Magen David Adom mit.

Verteidigungsminister Lieberman forderte einen Boykott arabischer Geschäfte in Orten, in denen Bewohner gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt von Israel durch US-Präsident Trump demonstriert haben. Die Araber von Wadi Ara im Norden Israels seien „nicht Teil von uns“ und jüdische Israelis sollten ihre Dörfer nicht mehr besuchen und ihre Produkte nicht mehr kaufen, sagte Lieberman am Sonntag.

In Indonesiens Hauptstadt Jakarta demonstrierten am Sonntag Tausende Menschen vor der US-Botschaft. Auf Spruchbändern war zu lesen: „Palästina ist in unseren Herzen.“ Indonesien ist das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung. Der Vorsitzende der dortigen islamistischen Oppositionspartei, Sohibul Iman, erklärte, Indonesien trage große Verantwortung für die Palästinenser und müsse sich auf allen Ebenen für einen unabhängigen Staat einsetzen. Seine Partei hatte zu der Demonstration in Jakarta aufgerufen.

Ob der Beschluss Trumps wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte, war zunächst nicht abzusehen. Im muslimisch geprägten Malaysia wurden aber über die Internet-Netzwerke Boykott-Aufrufe gegen US-Konzerne verbreitet. Das malaysische McDonald's-Franchise-Unternehmen Gerbang wies Kommentare als falsch zurück, finanzielle Mittel nach Israel zu leiten. Zudem sei Gerbangs größter Aktionär Muslim, erklärte die Firma.


Netanjahu wirft Europa Doppelmoral vor

Trump hatte sich am Mittwoch über alle Warnungen der internationalen Gemeinschaft hinweggesetzt und Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Die Palästinenser betrachten das seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 von Israel besetzte Ost-Jerusalem jedoch als Hauptstadt ihres künftigen Staates.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Israel am Sonntag als „Terrorstaat“. „Israel ist ein Besatzerstaat. Dieses Israel ist ein Terrorstaat, Terror„, sagte Erdogan vor Anhängern seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP im zentralanatolischen Sivas.

Die Entscheidung von US-Präsident Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, habe für die Türkei keine Gültigkeit, sagte Erdogan weiter. Man werde Jerusalem nicht einem Land der „Kindermörder“ überlassen. Unterdessen versammelten sich nach Angaben von Anadolu zahlreiche Demonstranten im Istanbuler Stadtteil Yenikapi, um gegen die Anerkennung Jerusalems durch die USA zu demonstrieren.

Erdogan hat zurzeit turnusmäßig den Vorsitz der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) inne, einem Zusammenschluss von 57 Staaten, der sich als „die kollektive Stimme der muslimischen Welt“ versteht. Wegen der Jerusalem-Krise hatte Erdogan einen OIC-Sondergipfel einberufen, dessen Gastgeber er am kommenden Mittwoch in Istanbul sein wird.

Heute wird Netanjahu zu einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwartet. Am Montag soll ein Treffen mit Außenministern der Europäischen Union in Brüssel folgen .Vor seinem Besuch hat Netanjahu Europa vorgeworfen, im Nahost-Konflikt mit zweierlei Maß zu messen. „Ich halte Europa für sehr wichtig“, sagte Netanjahu am Samstagabend vor seiner Abreise. „Während ich Europa respektiere, bin ich nicht bereit, Doppelmoral von seiner Seite zu akzeptieren.“

Zur europäischen Reaktion auf die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch US-Präsident Trump sagte Netanjahu: „Ich höre von dort Stimmen, die Präsident Trumps historische Stellungnahme verurteilen, aber ich habe keine Verurteilungen der Raketenangriffe auf Israel (aus dem Gazastreifen) oder der schrecklichen Hetze gegen es gehört.“

Bei Demonstrationen gegen die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt hat die Berliner Polizei am Freitagabend zehn Menschen festgenommen. Nachdem zwei Flaggen Israels am Brandenburger Tor verbrannt wurden, werde unter anderem wegen der Verletzung von Hoheitszeichen ausländischer Staaten ermittelt, teilte die Polizei am Sonntag mit. Demonstranten hätten außerdem versucht, die Absperrung zur US-Botschaft zu durchbrechen. Ein Polizist habe dabei eine leichte Handverletzung erlitten.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber reagierte empört auf die Aktion: „Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind ein hohes Gut. Wer aber die israelische Flagge oder Davidsterne verbrennt, tritt die Werte unserer Gesellschaft mit Füßen. Die Sicherheit Israels ist Teil unserer Staatsräson“, betonte der Politiker auf Twitter.

Rund 1200 Menschen hatten sich am Freitag zu zwei Protestaktionen am Brandenburger Tor versammelt. Rund 450 Beamte seien vor Ort gewesen. Die erste Demonstration am Brandenburger Tor richtete sich gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Sie verlief nach Polizeiangaben friedlich. Größere Ausschreitungen ereigneten sich dort anschließend bei der zweiten Demo gegen die Verlegung der US-Botschaft. Die Veranstalter hätten 500 Teilnehmer erwartet, die Menge sei jedoch sehr schnell um mehrere hundert Menschen angewachsen, darunter auch Vermummte, sagte eine Polizeisprecherin.

Nach einem Video des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus wurden auf der Demonstration antisemitische Parolen gerufen und eine Flagge der radikal-islamischen Bewegung Hamas gezeigt.


Libanon will Sanktionen gegen die USA

Die Arabische Liga stellte sich einmütig gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Die Außenminister des Staatenbundes forderten die USA am Sonntag in Kairo auf, ihren Beschluss zur Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem zu revidieren. Trumps Entscheidung bedeute eine „gefährliche Verletzung des internationalen Rechts“ und schüre die Gewalt in der Region.

Die Außenminister der Arabischen Liga bezeichneten Trumps Ankündigung nach ihrer Dringlichkeitssitzung als nichtig. „Die Entscheidung hat keine rechtliche Bedeutung, ... sie vertieft die Spannungen, löst Verärgerung aus und droht die Region in noch mehr Gewalt und Chaos zu stürzen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Mit dem Schritt wendet sich Trump vom bisherigen Kurs der USA und Europas ab, wonach über den Status Jerusalems erst in Verhandlungen mit den Palästinensern entschieden werden kann. Diese beanspruchen den Ostteil von Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates.

Zudem sprachen sich die Außenminister für eine Resolution des UN-Sicherheitsrats gegen die USA aus. Von Sanktionen gegen die USA war in der Erklärung nicht die Rede. Am Rande der Sitzung hatte Libanons Außenminister Gebran Bassil gefordert: „Gegen diese Entscheidung müssen vorsorgliche Maßnahmen ergriffen werden“. Zunächst müssten dies diplomatische Maßnahmen sein, dann politische und wirtschaftliche Sanktionen.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas wird nach Worten seines Außenministers Rijad al-Maliki nicht mit US-Vizepräsident Mike Pence zusammentreffen, wenn dieser die Region besucht. Abbas hatte erklärt, die USA könnten nicht mehr als Friedensstifter auftreten. „Wir werden einen neuen Vermittler unter unseren arabischen Brüdern und aus der internationalen Gemeinschaft suchen – einen Vermittler, der dabei helfen kann, eine Zwei-Staaten Lösung zu erreichen“, sagte Maliki in Kairo.

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